Forscher haben Fliegenmännchen gentechnisch so verändert, dass sie giftiges Sperma produzieren. Die Methode könnte in einigen Jahren helfen, Mückenpopulationen schnell einzudämmen.

Kein Lebewesen hat so viele Menschenleben auf dem Gewissen, wie die Mücke. Mit herkömmlichen Abwehrmaßnahmen allein ist den Malaria, Gelbfieber und Dengue übertragenden Insekten allerdings kaum beizukommen. Forscher der Macquarie University in Sydney schlagen daher eine neue Methode vor, um Moskitopopulationen schnell einzudämmen: tödlichen Mückensex.

Das Prinzip namens „Toxic Male Technique“ (TMT) haben sie im Labor bereits erfolgreich an Taufliegen getestet, wie sie in der Fachzeitschrift „nature communications“ berichten. Dazu statteten Samuel J. Beach und Maciej Maselko männliche Taufliegen mit einem zusätzlichen Gen aus, das sie befähigt, in ihren Fortpflanzungsorganen ein Gift herzustellen. Hierbei testeten die Forscher zunächst Toxine unterschiedlicher Tierarten. Am Ende fiel die Wahl auf das Gift der Brasilianischen Wanderspinne Phoneutria nigriventer sowie das der Wachsanemone Anemonia sulcata.

Toxische Männlichkeit macht Fliegen nicht unattraktiver

Paarten sich die genveränderten Männchen mit weiblichen Artgenossen, injizierten sie mit ihrem Samen auch das Gift in deren Körper. Über den weiblichen Genitaltrakt gelangte das Toxin in die Körperflüssigkeit und entfaltete dort seine Wirkung. Nach der Kopulation reduzierte sich die mittlere Lebenserwartung der Weibchen um bis zu 64 Prozent. Den Männchen selbst schadete das Gift nicht. Auch auf ihre Attraktivität hatte die Giftproduktion keinen Einfluss. Die Tiere paarten sich genauso erfolgreich wie ihre unveränderten Artgenossen.

Als Nächstes wollten die Forscher wissen, wie sich die Methode auf ihr eigentliches Ziel, eine wild lebende Mückenpopulation, auswirken würde. Hierfür wählten sie den Überträger des Gelbfiebers, die Mückenart Aedes aegypti. In einer Simulation ließen sie die Daten des Fliegenexperiments sowie Erkenntnissen aus Feldstudien einfließen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass toxische Mückenmännchen die Lebenserwartung von Mückenweibchen nach dem Sex ähnlich dramatisch beeinflussen könnten wie zuvor bei den Fliegen. Da nur die Weibchen Blut saugen, würde sich auch die Zahl der Stiche und Krankheitsübertragungen enorm verringern, so die Autoren.

Gegen Schmeißfliegen wird Sex als Waffe bereits eingesetzt

Die Idee, Insekten mittels Sex zu bekämpfen, ist nicht neu. Gegen Schmeißfliegen etwa, die Rinderbestände bedrohen, werden in den USA bereits seit Jahrzehnten millionenfach sterilisierte Männchen eingesetzt. Paaren die sich mit Weibchen, bleibt eine Befruchtung aus. Auf diese Weise wurde die Population in Nord- und Zentralamerika nahezu ausgerottet. Ähnliches wird derzeit auch bei Mücken versucht.

In einem anderen Experiment vor wenigen Jahren wurden Mücken gentechnisch so verändert, dass ein spezielles Gen in ihrem Erbgut weibliche Nachkommen im Larvenstadium tötete. Die Tiere wurden im Feldversuch in einer brasilianischen Stadt freigelassen. Dabei überlebten wie erwartet nur die männlichen Nachkommen der modifizierten Mücken. Diese vererbten das Gen bis in die sechste Generation weiter. Die Population brach daraufhin um 88 bis 96 Prozent ein. Weil das Gen jedoch einen Selektionsnachteil darstellte, verschwand es im Lauf der Zeit von selbst wieder.

Gentechnische Veränderungen bergen das Potenzial, sich in der Umwelt zu verbreiten 

Im Gegensatz dazu könnte eine weitere Strategie, die bislang nur im Labor erprobt wurde, den Genpool einer Art unwiderruflich verändern, wenn nicht gar die Art ausrotten: Beim „Gene Drive“ überträgt sich das Schadgen durch einen komplizierten Mechanismus bei der Vermehrung auf alle Nachkommen (normalerweise wäre es nur die Hälfte). Auf diese Weise frisst es sich durch eine ganze Population. Tiere, die Träger des Gens sind, könnten dann nur noch mit normalen Artgenossen Nachkommen zeugen, nicht mit anderen Genträgern. Dadurch würden über mehrere Generationen alle Individuen zu Genträgern, bis keine Vermehrung mehr stattfände.

Neben ökologischen Bedenken haben bisherige Methoden den Nachteil, dass sie frühestens ab der Nachkommengeneration greifen. Die Weibchen können nach der Paarung weiter Menschen stechen und mit Krankheiten infizieren – bis zu drei Wochen lang. Dagegen wirkt die TMT-Methode sofort. Sie könnte zum Beispiel bei einem akuten Krankheitsausbruch als Sofortmaßnahme eingesetzt werden, um die Mückenpopulation binnen kurzer Zeit zu dezimieren. Schließlich kann nichts die weiblichen Tiere so zielsicher aufspüren wie ihre männlichen Artgenossen. Theoretisch könnte die Methode auch gegen Parasiten und Ernteschädlinge eingesetzt werden.

Die TMT-Methode könnte größere Krankheitsausbrüche wirksam eindämmen

„Da TMT auf die weiblichen Stechmücken selbst und nicht auf ihre Nachkommen abzielt, ist es die erste Biokontrolltechnologie, die so schnell wie Pestizide wirken könnte, ohne dabei auch nützliche Arten zu schädigen“, sagt Hauptautor Sam Beach in einer Pressemitteilung. Ob das Gift eventuell den Fressfeinden der Mücken schaden könnte, müssen die Forscher zwar erst noch prüfen, sie halten es aber für unwahrscheinlich. Über den Verdauungstrakt aufgenommen sei die Giftwirkung um ein bis zwei Größenordnungen geringer.

Auch müssen die Forschenden durch weitere Tests gewährleisten, dass ihre Methode wirklich sicher ist und keine unerwünschten Nebeneffekte produziert. Eine weitere Herausforderung dürfte darin bestehen, das Giftgen so zu programmieren, dass es die Mückenmännchen nicht umbringt. Bei den Taufliegen gelang das vor allem deshalb, weil sie genetisch so gründlich durchleuchtet sind, wie kein anderes Tier. Das ist bei Mücken nicht der Fall.

Ko-Autor Maciej Maselko ist dennoch optimistisch: „Wenn alles gut geht, werden wir unser Verfahren in ein oder zwei Jahren an Stechmücken ausprobieren können und danach in Feldversuchen einsetzen“.

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