Als Sängerin der Eurythmics wurde Annie Lennox zu einer der größten Musik-Ikonen der 1980er. Am heutigen 25. Dezember wird sie 70.

Von Anfang an war Annie Lennox (70) mehr als nur eine beliebige Pop-Sängerin. Während sie mit den revolutionären Synthie-Sounds ihrer Band Eurythmics Musikgeschichte schrieb, trieb sie mit ihren androgynen Looks das Spiel mit den Geschlechterrollen auf die Spitze wie keine andere Künstlerin vor ihr. In den vergangenen Jahrzehnten zog sie sich zunehmend aus dem Musikgeschäft zurück und nutzte ihre Bekanntheit, um als politische Aktivistin und Frauenrechtlerin die Welt ein bisschen besser zu machen.

Hochbegabtes Arbeiterkind aus Aberdeen

Dass die am 25. Dezember 1954 im schottischen Aberdeen geborene Ann Lennox es einmal zu einer globalen Pop-Ikone bringen würde, war zum Zeitpunkt ihrer Geburt alles andere als absehbar. Als Tochter eines Werftarbeiters und einer Köchin wuchs sie in einfachsten Verhältnissen auf.

Das in dem Arbeiterkind schlummernde musikalische Talent brach sich allerdings bereits in den frühen Kindheitsjahren Bahn, schon als kleines Mädchen nahm sie Flöten- und Klavierunterricht, sang im Chor und nahm Tanzstunden. Ihre aufgeschlossenen Eltern unterstützten ihre Begabung, so gut sie konnten. Wie Annie Lennox in späteren Interviews erläutern sollte, prägte vor allem ihr in der kommunistischen Partei organisierter Vater ihren generellen Blick auf die Welt.

Moralischer Kompass von kommunistischem Vater

In der BBC-Sendung „Who Do You Think You are?“ sagte sie 2012 dazu: „Am Esstisch wurde viel über Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Menschenrechte diskutiert“. Und ergänzte: „Natürlich muss das auch ein wenig auf mich abgefärbt haben. Meine Werte unterscheiden sich wahrscheinlich nicht großartig von denen meines Vaters, aber er kam aus einer anderen Zeit“.

Mit diesem moralischen Kompass und einem Stipendium im Gepäck zog das hochbegabte Arbeiterkind 1971 im Alter von 17 Jahren nach London, um an der renommierten Royal Academy of Music klassische Musik mit dem Schwerpunkt Flöte zu studieren. Nach drei Jahren brach sie das Studium jedoch kurz vor den Abschlussprüfungen ab, um sich aus dem engen Korsett dieser Ausbildung zu befreien.

Im Gespräch mit dem Magazin „Harvard Business Review“ sagte sie im Jahr 2010 dazu: „Ich fühlte mich nicht mit dem ganzen kulturellen Aspekt verbunden. Das war nicht das, was ich war, und so bestand die Herausforderung darin, meine eigene Stimme und meinen eigenen Weg zu finden“. Eine Herausforderung, der sie in den folgenden Jahren mit einiger Gründlichkeit nachkommen sollte.

Zukunftsweisende Begegnung mit Dave Stewart

Nach dem Abbruch des Studiums hielt sie sich mit Jobs als Kellnerin oder Aushilfe in Buchhandlungen über Wasser, abends zog sie mit befreundeten Musikern durch die Londoner Clubs und probierte sich bei kleinen Gigs erstmals als Sängerin aus. Den Gitarristen Dave Stewart (72), mit dem sie später die Eurythmics gründen sollte, lernte sie 1975 während ihrer Arbeit in einem Restaurant kennen, der Legende nach kam der Musiker einfach auf sie zu und fragte sie, ob sie ihn heiraten wolle.

Wie Lennox in der Arte-Doku „Annie Lennox – Pop-Ikone mit Engagement“ schildert, befand sich ihr zukünftiger musikalischer Partner seinerzeit in einem reichlich hoffnungslosen Zustand. „Als ich Dave kennenlernte, besaß er zwei Einkaufstaschen, zwei Plastiktüten, in denen all seine Habseligkeiten waren“, so die Sängerin. „Er war ganz schön durchgeschüttelt und wieder ausgespuckt worden.“ Stewart selbst schildert den Moment ihrer ersten Begegnung folgendermaßen: „Sie hatte etwas an sich, das mir sofort klar gemacht hat, dass ich sehr viel Zeit mit dieser Person verbringen würde. Eine Art tiefer Traurigkeit, aber eine schöne Traurigkeit“.

Stewart und Lennox wurden ein Paar und starteten mit der New-Wave-Band „The Tourists“ ein erstes gemeinsames Musikprojekt, dass jedoch nur mäßige Erfolge feiern konnte. Immerhin gelang ihnen mit einer punkigen Cover-Version des Dusty-Springfield-Hits „I Only Want to Be with You“ 1979 der Sprung in die Top 10 der britischen Charts, bevor sich die Band 1980 endgültig auflöste. Zu dieser Zeit waren auch Stewart und Lennox kein Paar mehr, beschlossen jedoch zu zweit ein neues Projekt in Angriff zu nehmen: The Eurythmics.

Doch auch bei diesem Projekt ließ der Erfolg zunächst auf sich warten. Ihr noch reichlich gitarrenlastiges Debüt-Album „In the Garden“, das sie im Studio des legendären deutschen Musikproduzenten Conny Plank (1940-1987) aufnahmen, erwies sich zu ihrem Leidwesen als kommerzieller Flop. Auf diesen Misserfolg reagierte das avantgardistische Duo mit einem radikalen Neustart.

Synthie-Revolution mit „Sweet Dreams“

Dave Stewart und Annie Lennox statteten sich mit dem neuesten digitalen Aufnahme-Equipment aus und richteten sich in einer alten viktorianischen Kirche ein eigenes Studio mit dem Namen „The Church“ ein. Hier fanden sie endlich die Gelegenheit, ohne Zeitdruck einen eigenen Stil zu entwickeln und dabei die neuen Möglichkeiten der digitalen Musikproduktion voll auszureizen.

Das in diesen historischen Räumen entstandene neue Album „Sweet Dreams (Are Made of This)“ präsentierte einen radikal elektronischen Sound, den die Welt bis dahin noch nie gehört hatte. Annie Lennox‘ facettenreicher Gesang und ihre messerscharfen Songtexte kamen hier wesentlich klarer zur Geltung, als auf dem noch stark rockorientierten Vorgänger.

Mit der titelgebenden Single „Sweet Dreams (Are Made of This) gelang den Eurythmics im Jahr 1983 endgültig der Durchbruch. Zu dem riesigen Erfolg der Single trug nicht zuletzt das zugehörige Video bei, das seinerzeit bei dem Musik-Sender MTV in die „Heavy Rotation“ aufgenommen wurde. In dem Clip zeigte sich Annie Lennox erstmals in einem brandneuen Look, der sie umgehend zu einer der einflussreichsten Stil-Ikonen der 1980er-Jahre werden ließ. Zu ihren raspelkurzen und karottenrot gefärbten Haaren trug sie vornehmlich klassische Männerkleidung und gab sich im Gesamtauftritt radikal androgyn.

Mit weiteren Hits wie „Here Comes the Rain again“, „Who’s that Girl?“ oder „There Must Be an Angel (Playing with My Heart)“ katapultierten sich die Eurythmics in den folgenden Jahren regelmäßig an die Top 10 der Charts und wurden zu einem globalen Pop-Wunder. Zu einem besonderen Highlight wurde dabei die 1985 veröffentlichte feministische Hymne „Sisters Are Doin‘ It for Themselves“, die Lennox zusammen mit der US-amerikanischen Soul-Queen Aretha Franklin (1942-2018) als Duett aufnahm.

Begleitet von zunehmenden Spannungen zwischen Stewart und Lennox ebbte ab 1986 auch der kommerzielle Erfolg der Eurythmics merklich ab – der melancholische Song „Thorn in My Side“ sollte für lange Zeit der letzte Top-Ten-Hit der Band bleiben. Nach dem 1989 erschienenen Album „We Too Are One“ beendeten die beiden vorerst ihre Zusammenarbeit, ohne das Projekt jedoch offiziell aufzulösen.

Solo-Projekte und Neustart als politische Aktivistin

In den folgenden Jahren veröffentlichte Annie Lennox mit „Diva“ (1992) und „Medusa“ (1995) noch zwei vielbeachtete Solo-Alben, zog sich danach jedoch zunehmend aus dem Musikgeschäft zurück. Im Fokus standen nun ihre 1990 und 1993 geborenen Töchter, zudem entwickelte sie sich zu einer unermüdlichen politischen und feministischen Aktivistin, die sich für ihre zahlreichen Aktivitäten auch ihren weltweit bekannten Namen zunutze machte.

Seit vielen Jahren ist Lennox Botschafterin der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam und setzt sich mit viel Elan für Kampagnen wie „Make Poverty History“ ein. Zudem gründete sie mit anderen Frauen die Organisation „The Circle“, die sich auf ihrer Website als „globale feministische Organisation“ bezeichnet und sich als Ziel setzt, „geschlechtsspezifische Gewalt und wirtschaftliche Ungleichheit in der ganzen Welt“ zu bekämpfen.

Am 6. März 2025 bringt Annie Lennox ihren politischen Aktivismus bei einem Benefizkonzert in der Londoner Royal Albert Hall unter dem Motto „Sisters: Annie Lennox and Friends“ wieder mit ihrer Musik zusammen. Gemeinsam mit weiteren Musikerinnen wird sie dort viele ihrer Welthits auf der Bühne performen, die Einnahmen sollen ihrer Organisation „The Circle“ zugute kommen.