Zum Schrecken von Apotheken und zur Freude der Kunden bereitet sich dm darauf vor, rezeptfreie Arzneien zu verkaufen: mit einer Onlineapotheke in Tschechien.

Die Drogeriekette dm will künftig rezeptfreie Medikamente verkaufen. Dazu habe das Unternehmen kürzlich „die Voraussetzungen für eine dm-Onlineapotheke geschaffen“, erklärt dm-Marketingchef Sebastian Bayer auf Anfrage. Allerdings wolle man nur rezeptfreie Medikamente verkaufen. Auch ist nur der Vertrieb im Onlineshop von dm geplant. In der Filiale wird man also allerhöchstens online Bestelltes abholen können. Das hängt mit den deutschen Gesetzen zum Schutz von Apotheken und der persönlichen Beratung beim Medikamentenkauf zusammen. In Deutschland wäre die Gründung einer Onlineapotheke für das Unternehmen rechtlich nicht möglich, daher hat dm die Gesellschaft in Tschechien ins Leben gerufen.

Damit wird die Furcht vieler Apotheker Wirklichkeit, dass eine der großen Handelsketten anfängt, Medikamente zu verkaufen. Aber auch für Onlineapotheken ist das eine Bedrohung: Kaum berichtete am Morgen das Handelsblatt von den dm-Plänen, da gaben an der Börse schon die Kurse der Marktführer DocMorris und Redcare Pharmacy („Shop-Apotheke“) nach.

E-Rezept FAQ 20.30

Jede siebte Apotheke gab bereits auf

Der Markt der Medikamente ist hart umkämpft. In den vergangenen zehn Jahren hat bereits jede siebte Apotheke zugemacht. Aber auch zwischen den Onlineapotheken herrscht harter Wettbewerb. Während rezeptpflichtige Arzneien noch immer etwa zu 99 Prozent in den Apotheken gekauft werden, sind es bei den apothekenpflichtigen, aber rezeptfreien Medikamenten nur noch etwa drei Viertel. Den Rest verkaufen die Onlineapotheken. Neben den bereits genannten sind die größeren Anbieter zum Beispiel Aponeo, Medikamente-per-Klick, Apo-Discounter und Sanicare.

Die große Hoffnung der Onlineshops ist, nach der jüngsten Einführung der E-Rezepte endlich auch einen größeren Teil der rezeptpflichtigen Arzneien verkaufen zu können. Entsprechend stecken DocMorris und Shop-Apotheke aktuell viele Millionen in ihre Werbekampagnen. Doch der Rückstand auf die Apotheken ist groß und die Einführung des E-Rezepts hat sich lange verzögert. Nun also kommt neue Konkurrenz von dm.

Dazu muss man wissen, dass Produkte wie Pflaster, ph-neutrale Seifen, Desinfektionsmittel und Ähnliches schon lange in großen Mengen in den Drogerien verkauft werden. Und nimmt man zum Beispiel Pflaster, sind die bei dm oder Rossmann auch günstiger als bei den allermeisten Onlineapotheken – von den normalen Apotheken ganz zu schweigen. Das hat dazu, beigetragen dass die Drogeriekette dm bereits großes Vertrauen beim Thema Gesundheit genießt.STERN PAID Alternativmedizin – 3 überschätzte Wirkstoffe.  12.00

Verbraucher würden Medikamente bei dm kaufen

So ergab eine Umfrage der Unternehmensberatung Sempora, dass sich drei Viertel der Verbraucher vorstellen können, künftig rezeptfreie Medikamente bei dm einzukaufen. Damit liegt dm in der Sempora-Befragung noch vor Rossmann (zwei Drittel) – und weit vor den Supermarktketten wie Edeka und Rewe, wo sich das nur jeweils ein gutes Drittel der Befragten vorstellen kann.

Wann dm genau mit dem Onlineversand etwa von Schmerzmitteln und abschwellendem Nasenspray beginnt, das wollte das Unternehmen auf Nachfrage des stern nicht sagen. Allerdings führe man bereits Gespräche mit Herstellern und Lieferanten. Man tue das auch, um „auf mögliche neue gesetzliche Neuregelungen nach der Bundestagswahl gut vorbereitet zu sein“. Da klingt die Hoffnung durch, eine CDU-geführte Regierung könnte den Schutz der Apotheken etwas lockern.Prominente Insolvenzen 18.18

Was macht Amazon?

Allerdings ist dm in dieser Frage nicht nur Treiber, sondern womöglich auch Getriebener. Denn über allem steht die Frage, was Amazon macht. Dort kann man zwar schon über den Marketplace rezeptfreie Arzneien bestellen, also von Onlineapotheken, die dort anbieten. Aber so richtig ist Amazon noch nicht eingestiegen. Das aber halten viele in der Branche nur für eine Frage der Zeit. 

In den USA tritt Amazon längst selbst als Apotheke auf. Unter dem Markennamen „Basic Care“ vertreibt der Konzern dort auch selbst hergestellte Nachahmerprodukte, wie etwa Allergiearzneien und Magensäureblocker. In der oben genannten Sempora-Umfrage wurden Verbraucher auch nach Amazon gefragt. Resultat: Jeder zweite kann sich vorstellen, dort Medikamente zu bestellen.