Camilla, Charles und Diana – Royal-Expertin Julia Melchior zeigt die andere Seite des Liebesdramas, das zur „Royal Patchwork Family“ führte.

Diana, Charles und Camilla – das Drama ist aus der Perspektive der verstorbenen Prinzessin Diana (1961-1997) hinlänglich bekannt. Für ihren neuen Film „Camila – Geliebte. Gemahlin. Königin.“ (22.12., 23:45 Uhr, ZDF, und in der Mediathek) hat Royal-Expertin Julia Melchior die andere Brille aufgezogen und die Geschehnisse aus König Charles (76) und Königin Camillas (77) Perspektive betrachtet. Im Interview mit spot on news erzählt sie von der großen Liebe zwischen dem heutigen Königspaar und von der beeindruckenden Leistung der „Royal Patchwork Family“.

Für ihren neuen Film haben Sie das Drama aus Charles und Camillas Perspektive betrachtet. Was haben Sie dabei herausgefunden?

Julia Melchior: Spätestens seit Dianas berühmter Aussage „Wir waren zu dritt in unserer Ehe“ wurde Camilla in der Rolle der Ehesaboteurin gesehen. Natürlich ist es richtig, dass Charles mit Camilla Ehebruch begangen hat, aber Camilla hat sich nicht in diese Ehe gedrängt. Charles und Diana führten eine unglückliche Ehe. Sie passten nicht zueinander. Mehr als die Kinder hat die beiden nicht verbunden. Camilla hingegen war seine alte, seine große Liebe und seine Seelenpartnerin, der er sich wieder zugewandt hat, als die Ehe mit Diana scheiterte. Das ist keine Rechtfertigung für Ehebruch, aber es ist eben die Geschichte von zwei Menschen, die sich ein Leben lang lieben und zueinander gehören.

Wie würden Sie Camilla nach Ihren Recherchen beschreiben?

Melchior: Bei meinen Recherchen und Dreharbeiten habe ich eine Frau kennengelernt, die es nicht auf Charles abgesehen hatte, weil er der Prince of Wales war, und die auch nie darauf aus war, Königin zu werden. Die aber die Tugenden hat, die sie wirklich zu einer Königin machen. Sie ist standhaft und sehr diszipliniert. Sie hat die Rolle angenommen, mit allem, was erwartet wird. Sie klagt nie und hat sich auch nie an irgendwem dafür gerächt, dass sie so fertiggemacht wurde. Sie wurde als Rottweiler und Ehebrecherin beschimpft. Ihr Leben und das Leben ihrer Kinder wurde auf den Kopf gestellt. Sie war damals Mutter von Teenagern und dass sie all das so stoisch bewältigt hat, spricht für ihren Charakter.

Sie wirkt auch sehr selbstlos und spielt sich nicht in den Vordergrund. Das erinnert fast ein wenig an die Queen (1926-2022)?

Melchior: Das stimmt, darin ähneln sich diese beiden Frauen. Auch Camilla geht es nicht um sich, sondern um die Institution, um ihren Mann. Sie dient der Krone und sie unterstützt den König. Das hat sie im vergangenen Jahr besonders unter Beweis gestellt, als sie nach der zweifachen Krebsdiagnose in der Königsfamilie plötzlich viele Aufgaben und Termine übernehmen musste. Obwohl es sie natürlich auch Kraft kostet – sie ist zweite Hälfte 70 – und sie von Haus aus nicht als Workaholic gilt. Camilla musste nie arbeiten. Erst als sie Charles mit Mitte 50 geheiratet hat, begann quasi ihre berufliche Karriere. Sie war auch gar nicht dazu erzogen worden. Camilla war eine höhere Tochter. Bei ihrer Ausbildung ging es eigentlich nur darum, auf die Ehe und das gesellschaftliche Leben vorbereitet zu werden. Daraus macht Camilla auch gar keinen Hehl. Andere hätten vielleicht versucht, ihre Biografie etwas anders verkaufen.

Ihr Film zeigt, wie gut Charles und Camilla bis heute zusammenpassen. Was verbindet die beiden denn am meisten?

Melchior: Bis zur Hochzeit mit Camilla erlebte man Charles bei seinen offiziellen Verpflichtungen als unbeholfen, unverbindlich und unglücklich. Das hat sich total verändert. Er hat an Souveränität gewonnen und macht einen sichtlich zufriedenen Eindruck. Er ist einfach angekommen. Die beiden eint ihre Liebe zum Landleben. Sie machen gerne Gartenarbeit und gehen spazieren. Camilla hat ja immer noch ihr Haus in Wiltshire, wo sie selbst am Herd steht und es familiär und gemütlich zugeht. Außerdem sind beide in gewisser Weise Intellektuelle. Sie teilt zwar nicht unbedingt seine Liebe zur Musik, dafür begeistert sie sich für Literatur. Sie begegnen sich auf Augenhöhe. Hinzukommt der gemeinsame Freundeskreis. Diesen gemeinsamen Nenner hatte Charles mit Diana nicht. Sie bewegte sich in der Londoner Yuppie- und Youngster-Szene, während Charles seine Studienfreunde aus Cambridge hatte, die alle ein bisschen älter und zurückgezogener waren.

Doch nicht nur wegen der unterschiedlichen Lebenswelten, aus denen sie kamen, war die Ehe mit Diana auch für Charles nicht einfach. Darüber wurde aber nicht berichtet, weil die Sympathien stets so klar verteilt waren…

Melchior: Man hatte Sympathien für Diana, weil sie das Opfer war und sich auch medienwirksam als Opfer inszeniert hat. Man kennt eben nur ihre Variante. Natürlich ist sie die Betrogene gewesen, aber umgekehrt war Charles auch der Betrogene, sie ist ihm ja auch fremdgegangen. Von Charles wissen wir, dass er eher ein Romantiker als ein Pragmatiker ist. Er ist ein recht sensibler Mensch. Er war es aber von Haus aus gewohnt, dass man über Gefühle nicht spricht und dass man sie auf jeden Fall unter Kontrolle haben muss. Und dann war da diese junge leidenschaftliche Frau, die auch mal Wutanfälle bekam. Charles konnte damit nicht umgehen. Er war es nicht gewohnt und auch nicht dazu erzogen worden. Von einem Mitglied der königlichen Familie wird erwartet, seine Gefühle unter Kontrolle zu haben, vor allem in der Öffentlichkeit. Das ist auch nicht immer schlecht, weil Vieles einfach nichts in der Öffentlichkeit zu suchen hat.

Prinzessin Diana hat die große Bühne gesucht. War ihm das recht?

Melchior: Ja und nein. Auf der einen Seite hatte Diana damit den Part übernommen, der ihm nicht so liegt. Charles hatte nie Starallüren und musste sich nicht in den Vordergrund spielen. Er konnte sich schon immer gut eingliedern, auch seiner Mutter, der Queen, unterordnen. Auf der anderen Seite lenkte Diana zu sehr von seiner Thronfolger-Rolle und der Sache ab. Sie hat die große Bühne gesucht und für sich genutzt. Anfangs war Charles auch stolz auf seine junge, hübsche Frau. Er war ja schon mit der Absicht in die Ehe gegangen, dass es was wird. Es ist nicht so, dass er das Doppelspiel geplant hatte. Ab der Hochzeit gab es auch einen Cut zwischen Charles und Camilla. Camilla hatte davor sogar noch auf ihn eingewirkt, dass er Diana heiraten soll. Sie gehörte ja zum engsten Kreis und damit auch zu denjenigen, die Diana an die Hand genommen hatten. Nur blieb es dann halt nicht so.

Inzwischen ist viel passiert und Camilla die Ehefrau von Charles geworden. Wie versteht sie sich denn mit Prinzessin Kate?

Melchior: Camilla und Kate haben ein besonders gutes Verhältnis. Als William und Kate sich verlobt hatten, hat Camilla Kate zum Essen eingeladen und sie ein bisschen eingewiesen, was es bedeutet, in diese Familie einzuheiraten. Die beiden Frauen waren ja in einer ähnlichen Situation – 2005 heiratete Camilla den ersten Thronfolger, 2011 Kate den zweiten. Das verbindet. Kate ist gewissermaßen auch nicht vorbelastet, weil sie Camilla erst kennenlernte, als sie die akzeptierte Frau an der Seite von Charles war. Das gute Verhältnis zwischen Kate und Camilla hat sich natürlich auch positiv ausgewirkt auf das Verhältnis von William zu Camilla. Denn man darf nicht vergessen, dass nicht nur Harry, sondern auch William ein Problem damit hatte, Camilla als Stiefmutter zu akzeptieren, nach allem, was vorgefallen war.

Unabhängig von der aktuellen Situation wird Harry vielleicht nie richtig eng mit Camilla werden, was irgendwo auch verständlich ist. William wirkt dagegen so, als ob er das Thema überwunden hat. Das ist schon beeindruckend?

Melchior: Absolut. Diese ganze Familienkonstellation hat allen unheimlich viel abverlangt. Charles und Camilla, seinen Kindern William und Harry, aber eben auch Camillas Kindern. Was Tom und Laura Parker Bowles alles über ihre Mutter in der Zeitung lesen oder sich in der Schule oder wo auch immer anhören mussten. Es war ja in aller Munde und es gab nur ein Feindbild: Camilla. Eigentlich ist es eine große Leistung, wie das alle zusammen hinbekommen haben – als Royal Patchwork Family. Dieses Jahr zu Weihnachten sind alle in Sandringham um den Weihnachtsbaum vereint. Mit Ausnahme von Harry. Es ist schon traurig, dass Charles seine Enkelkinder Archie und Lilly nicht kennt.

Apropos, Camilla ist auch mehrfache Großmutter. Was für eine Großmutter ist sie denn?

Melchior: Sie soll sehr großmütterlich sein bei allem, was sich um ihren Herd abspielt. Und sie liest gerne mit ihren Enkeln. Sie soll aber auch nicht nur die fürsorgliche Großmutter sein, die auf alles Rücksicht nimmt. Beim Spielen mit ihren Enkeln wird sie geradezu als kompetitiv beschrieben. Sie lässt ihre Enkel nicht immer nur gewinnen, sondern hat selbst Spaß daran. Die Zeit mit den Enkeln scheint Charles und Camilla sehr wichtig zu sein.