Im eigenen Schloss oder am anderen Ende der Welt: Wir stellen die unterschiedlichen Weihnachtstraditionen in den europäischen Königshäusern vor. Heute: Großbritannien.

Am Wochenende vor dem ersten Advent findet im Vereinigten Königreich traditionell der „Stir-Up Sunday“ statt – der Tag, an dem am heimischen Herd der Teig für den Christmas Pudding angerührt wird. Üblicherweise will jedes Familienmitglied mal den Schneebesen schwingen, denn dabei darf man sich etwas wünschen. Auch in der ersten Familie des Landes wird dieser alte Brauch aus Königin Victorias Zeiten gepflegt: Im Adelaide Cottage werden sicher auch Prinz William und die drei Kinder unter Anleitung von Mutter Kate eifrig gerührt haben. Dass auch Prinz George schon länger weiß, wie es geht, konnte man 2019 live auf Youtube verfolgen.Prinz George backt

Eine andere wichtige Tradition, die das britische Königshaus zu Weihnachten gerade mit uns Deutschen verbindet, ist die Familien-Bescherung unter einem geschmückten Tannenbaum am Heiligabend (im Unterschied zu bürgerlichen Briten, die erst am ersten Weihnachtsfeiertag morgens ihre Geschenke auspacken). Die meisten glauben, dass es Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, der Prinzgemahl von Königin Victoria, war, der diese Sitte 1840 aus seiner Heimat mitbrachte. Der deutsche Fürstensohn trug viel dazu bei, diverse stimmungsvolle Weihnachtstraditionen populär zu machen, zum Beispiel das Verschicken festlich gestalteter Weihnachtskarten. Der Vorreiter in Sachen Tannenbaum im Salon war er allerdings nicht. Diese Ehre gebührt Königin Charlotte, der ebenfalls deutschstämmigen Gemahlin von König George III. Sie ließ bereits vor über 200 Jahren in der Queen’s Lodge in Windsor den ersten geschmückten Baum aufstellen, um die Weihnachtstage so festlich zu gestalten, wie sie es seit ihrer Kindheit in Mecklenburg gewöhnt war.

Prinzessin Kate lädt zum Adventssingen 

Die Windsors pflegen im Advent noch andere, karitative Traditionen. Seit einigen Jahren öffnet Königin Camilla im Dezember für eine Schar chronisch kranker Kinder die prächtigen Salons in ihrer und König Charles‘ Privatresidenz Clarence House, um mit ihnen gemeinsam in festlicher Atmosphäre einen großen Baum zu schmücken und die Kinder mit kleinen Geschenken zu erfreuen. Stiefschwiegertochter Kate lädt derweil am 6. Dezember im vierten Jahr in Folge wieder zum Adventssingen in die Westminster Abbey. Es kommen nicht nur Mitglieder des Königshauses, sondern insbesondere verdiente Ehrenamtliche verschiedener Wohltätigkeitsorganisationen und Menschen, die sich im zurückliegenden Jahr besonders in ihrem Umfeld engagiert haben – oder solche, die es einfach persönlich schwer hatten. Schließlich ist Weihnachten auch ein Fest der Nächstenliebe, bei dem die Bessergestellten anderen Menschen, denen es nicht so gut geht, etwas Gutes tun.

Da die Prinzessin von Wales selbst durch ihre Krebsdiagnose und folgende Therapie ein sehr belastendes Jahr erlebt hat, ist die Veranstaltung diesmal ausdrücklich allen gewidmet, die auch Schicksalsschläge erleiden mussten. Der feierliche Anlass wird aufgezeichnet und an Heiligabend im britischen Fernsehen ausgestrahlt.Fs Prinzessin Kate

Weihnachten in Sandringham

Die eigentlichen Festlichkeiten der britischen Königsfamilie finden wie schon zu Zeiten der verstorbenen Queen auf dem Landgut Sandringham in Norfolk statt. Auch dieses Jahr wird Charles III. einige Tage vor Weihnachten mit Gattin Camilla dorthin reisen, um die letzten Feiertagsvorbereitungen zu überwachen. Die Gästeschar besteht meist aus gut 30 Personen. Dazu gehören Royals sowie neuerdings auch ausgewählte Patchwork-Mitglieder der königlichen Familiewie die Middletons, also Kates Eltern und Geschwister, oder Camillas Kinder und Enkel aus erster Ehe mit Andrew Parker Bowles. Sie alle treffen am Mittag des 24. Dezembers in einer strikt einzuhaltenden Reihenfolge ein, je nach Platz in der Thronfolge. Kate feiert Therapie-Ende 19.57

Denn obwohl es sich um ein Familienfest handelt, läuft alles genau nach Protokoll. Alle Gäste reisen mit mehreren Koffern für die drei Tage an, da sie täglich mehrmals die Kleidung wechseln müssen: für den Nachmittagstee, die Bescherung, formelle Dinner, sowie die traditionelle Fasanenjagd am zweiten Weihnachtsfeiertag. Daher erhält jeder und jede bei der Ankunft in Sandringham einen detaillierten Zeitplan, in dem die Veranstaltungen mit zugehörigem Dresscode aufgeführt sind. 

Allerdings feiern Thronfolger William und Ehefrau Kate mit ihren Kindern nur teilweise mit in der Residenz des Königs und wohnen auch auswärts. Denn ihr Landsitz Anmer Hall ist nur ein paar Autominuten entfernt, auf demselben Anwesen. Dieses Jahr wird es dort beinahe eine Sandringham-Konkurrenzveranstaltung geben: Der Middleton-Clan verbringt mit Kates Eltern sowie ihren Geschwistern und deren Partnern und Kindern das Fest in Anmer Hall und Familie Wales pendelt eifrig.

Royale Festtagsrituale

An Heiligabend um 16 Uhr versammelt sich die Festtagsgesellschaft zum traditionellen High Tea, um sich bei Kuchen, Scones, Sandwiches und Earl-Grey-Tee im Weißen Salon zu erfrischen, wo eine große Norfolk-Fichte prangt, frisch geschlagen in Sandringhams Wäldern. Die darf der königliche Nachwuchs erstmal zu Ende dekorieren.

Danach begeben sich alle in den Roten Salon, um die Geschenke zu öffnen. Dort häufen sich auf mehreren weiß gedeckten Klapptischen die Geschenke für jeden Gast. Übrigens bedenken die britischen Royals sich gegenseitig nur mit kleinen, gerne auch witzigen Dingen, teure Luxusgeschenke sind verpönt. Elizabeth II. blieb in den 70 Jahren ihrer Regentschaft bewusst bei der landesunüblichen Bescherung am Heiligabend, weil es am höchsten Feiertag des Festes, dem 25. Dezember, nicht um Konsum, sondern um die besinnlichen und zwischenmenschlichen Aspekte gehen soll: Kirchgang mit kurzem Kontakt zu Dorfbewohnern und angereisten Royal-Fans am Wegesrand, dann Familien-Lunch mit selbst geschossenem Wild und flambierten Christmas Pudding zum Dessert, und später das gemeinsame Anschauen der königlichen Weihnachtsansprache im Fernsehen. Der zweite und letzte Feiertag ist der Fasanenjagd gewidmet, eine Teilnahme der Gäste ist erwünscht, aber nicht Pflicht. Danach endet das Weihnachtsfest der Windsors.

Ob auch in diesen kalorienbewussten Zeiten eine alte Tradition noch gepflegt wird, die der erste königliche Hausherr Sandringhams, Edward VII., eingeführt hatte? Damals, im späten 19. Jahrhundert, wurde jeder Gast bei der Anreise auf einer großen Personenwaage in der Halle gewogen, und dann wieder bei der Abreise, um dem Gastgeber in Kilo und Gramm zu beweisen, dass man das Fest auch ordentlich genossen hat.