In den Niederlanden wird es in Zukunft keine offizielle Misswahl mehr geben. Das sei nicht mehr zeitgemäß. Unsere Autorinnen haben dazu unterschiedliche Meinungen.
Contra: Es braucht keine Misswahl, die bei etwas Konkurrenz schürt, das nicht zu vergleichen ist
Der erste Schönheitswettbewerb fand 1888 in Belgien statt. Daran durften nur Frauen zwischen 18 und 35 Jahren teilnehmen. Der Grundgedanke: Nur eine Frau kann die Schönste sein. Diejenigen über 35 fielen bereits aus dem Raster und bekamen vermittelt: Schön seid ihr in eurem Alter nicht mehr. Bei Formaten wie „Germany’s Next Topmodel“ lief es lange Zeit genauso: „Es kann nur eine geben.“ Es gab Altersbeschränkungen und andere subjektive Kriterien. Was Schönheit bedeutet, ist allerdings niemals fest definiert. Früher galten kurvige Frauen als schön, später musste sich Frau auf Size Zero hungern, um als attraktiv zu gelten. Mal sollen Lippen schmal, mal voluminös sein. Die Liste ist lang.
Zwar haben sich die Wettbewerbe gewandelt und es wird heute vermittelt: Schönheit ist etwas, das sich verändert und nicht nur äußerlich auszumachen ist. Der Charakter sei ebenso wichtig. Am Grundproblem ändert das aber nichts. Der Wettbewerb legt Kriterien fest, an denen sich Frauen bei etwas messen sollen, das gar nicht messbar ist. Wenn eine Misswahl festlegt: „So hat Frau zu sein, dann ist sie schön oder hat eine tolle Persönlichkeit“, ist diese Wahl von Grund auf problematisch. Da hilft auch keine „Revolution“ bei den Regularien. Denn am Ende sorgt sie eben für Konkurrenz und Vergleiche. Und das ist, wo es nicht etwa um eine messbare Sportleistung, sondern um die Frau allgemein geht, niemals gesund.PAID „Miss Germany“-Wahl 21.09
Den Ansatz aus den Niederlanden, statt einer Misswahl, bei der es um Konkurrenz geht, ein Online-Portal zu erschaffen, auf dem sich Frauen austauschen und stärken können, halte ich für viel gesünder. Hier ist die Botschaft: „Schön sind wir, wenn wir zusammenhalten und uns einen Ort ohne ‚Schönheitsbewertung‘ schaffen.“
Ich finde: Frauen dürfen und sollen genau so sein, wie sie es möchten, auch wenn das klischeehaft klingt. Ich kann verstehen, dass Frauen gern eine Bestätigung für ihren Wert haben möchten, den viele eben über ihr Aussehen definieren. Schließlich wurde dem Äußeren lange ein hoher Stellenwert beigemessen. Dass wir dieses nur zu einem gewissen Maß beeinflussen können und es oft keine eigene Leistung ist, attraktiv zu sein, ist klar. Trotzdem sorgen Wettbewerbe wie Misswahlen oder GNTM dafür, dass Frauen denken, sie müssten in dieser Hinsicht miteinander konkurrieren. Neidverhalten und Missgunst sind oftmals unter Frauen stärker verbreitet als unter Männern. Die Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki beschreibt in ihrem Buch „Weiblicher Narzissmus“, was es mit Frauen machen kann, wenn sie denken, sie müssten sich ständig vergleichen: Sie könnten krank werden. Magersucht, Bulimie, Bindungsängste, Selbstzweifel und andere Probleme sind mögliche Folgen solcher ungesunden Strukturen und Denkweisen.Miss Universe 13.33
Eine Abschaffung der Misswahlen könnte helfen, ungesundes Vergleichen einzudämmen und wäre eine wichtige Botschaft: Die Öffentlichkeit entscheidet nicht darüber, wer als schön gilt. Eine öffentliche Konkurrenz zu schaffen, ist Blödsinn. Es braucht keine Jury, die Frauen bewertet.
Wenn eine Frau ihre Attraktivität zur Schau stellen möchte, ist das ebenfalls nicht zu bewerten oder gar abzuwerten. Wie bereits erwähnt: Jede, wie sie mag. Dafür braucht es aber keine öffentliche Misswahl mehr, wie vielleicht noch 1888. Wer dahingehend Anerkennung möchte, kann sie mittlerweile auch prima bei Instagram und Co. erhalten und sich dort präsentieren. Das verlagert das Problem zwar von einem öffentlichen Wettbewerb in die sozialen Medien, hier gibt es aber immerhin nicht die Botschaft: Was hier gezeigt wird, ist ein offizieller Wettbewerb.
Für mich ist eine Frau vor allem dann schön, wenn sie es schafft, sich von dem Wunsch nach Anerkennung frei zu machen und niemandem ihre Schönheit beweisen zu wollen.
Mareike Fangmann
Pro: Ich gucke mir gern schöne Menschen an, na und?
Misswahlen sind nicht mehr zeitgemäß, sie sind gar oberflächlich. So lautet der gesellschaftliche Vorwurf an traditionelle Schönheitswettbewerbe weltweit. Einige Länder haben bereits reagiert und das Konzept diverser gestaltet als früher. Andere, wie die Niederlande, schaffen sie ganz ab. Doch ist das der einzig richtige Weg?
Schön zu sein, ist kein Verbrechen und bedeutet in den meisten Fällen auch eine Menge Arbeit. Arbeit an dem eigenen Körper, viel Pflegezeit für Haut und Haare und zudem ein gewisses Verständnis für die Selbstinszenierung und Optimierung. Natürlich ist die eine oder andere Frau da privilegierter von der Natur ausgestattet worden, doch dafür muss man sich nicht schämen. Wir leben in einer Gesellschaft, die zu Recht Toleranz für alles und jeden fordert. Warum sollen schöne Menschen dann nicht mehr stolz auf ihre Optik sein und an einem entsprechenden Wettbewerb teilnehmen dürfen? Schließlich gibt es Wettbewerbe für nahezu alles. Egal ob Sport, Wissenschaft, Intelligenz. Niemand muss sich dafür rechtfertigen, eine sportliche Begabung zu haben oder besonders schlau zu sein. Auch das ist von der Natur in der genetischen Veranlagung verankert und kann meist nur noch begrenzt ausgebaut werden.Miss Universe 13.15
Im Gegensatz zum Sport und der Intelligenz ist schön zu sein aber nahezu ein Unding in der heutigen, ach so toleranten Welt. Ich habe kein Verständnis für derartige Verbote und Kritiken und ja, ich schaue mir gern schöne Menschen an. Grundsätzlich sollte jeder das machen, was er oder sie für richtig hält und die Gesellschaftspolizei sollte auch beim Thema Schönheit Toleranz zeigen. Keiner muss an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen oder ihn gar angucken.
Bei diesem Grundrauschen an gesellschaftlichem Genörgel frage ich mich: Was soll da als Nächstes kommen? Ein Verbot von Pumps? Schließlich sind auch sie besonders weiblich, strecken das Bein und haben einen gewissen Sexappeal. Ich würde mich freuen, wenn die geforderte gesellschaftliche Toleranz auch endlich mal in jeder Form gelebt wird. Das Streben nach Schönheit ist schließlich etwas, was seit Jahrhunderten in der Menschheitsgeschichte verankert ist – und kaum jemandem ist es wirklich egal, wie er oder sie aussieht. Durch Verbote wird man uns Menschen die Wahrnehmung von optischen Unterschieden und Schönheit gesellschaftlich auch nicht aberziehen können.
Christina Klein