Nach dem Umsturz in Syrien nimmt die Europäische Union Kontakt zur neuen islamistischen Führung des Landes auf. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kündigte am Montag am Rande eines Außenministertreffens in Brüssel an, der für Syrien zuständige EU-Diplomat werde im Tagesverlauf in Damaskus erwartet. Dabei handelt es sich um den Geschäftsführer der EU-Vertretung in Syrien, den Deutschen Michael Ohnmacht.
Kallas sagte, sie habe den „europäischen Top-Diplomaten in Syrien beauftragt, nach Damaskus zu fahren, um dort Kontakte zur neuen Regierung und den Menschen zu knüpfen“. Ohnmacht hatte den Posten beim Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) im Sommer übernommen. Zuvor leitete er die deutsche Botschaft in Libyen. Ohnmacht ist Nahost-Experte mit früheren Stationen in Berlin, Paris und Riad.
Die EU könne „kein Vakuum“ in Syrien zulassen, sagte Kallas weiter. Sie wolle mit den europäischen Chefdiplomaten darüber beraten, wie und auf welchem Niveau die Europäer mit den neuen Verantwortlichen in Syrien umgehen könnten. Die USA, Großbritannien und EU-Länder wie Frankreich und Italien hatten zuvor bereits eigene diplomatische Kontakte nach Damaskus angekündigt.
Bisher unterhält die EU keinen Kontakt zur islamistischen Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS), die den syrischen Machthaber Baschar al-Assad vor gut einer Woche gestürzt hatte. Die EU stuft die HTS bislang als „Terrorgruppe“ ein und hat Sanktionen gegen sie verhängt.
Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel sagte, es sei „zu früh“, die HTS von der Sanktionsliste zu nehmen. „Es sind keine Engel“, sagte er. Vielmehr handele sich um frühere Terroristen, die sich vom Terrornetzwerk Al-Kaida abgespalten hätten.
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot rief die Islamisten zu einem politischen Übergang auf, „bei dem alle Minderheiten in Syrien vertreten sind“, wie Kurden oder Christen. Zudem müsse sich eine künftige Regierung der Achtung der Frauen – und Menschenrechte verschreiben sowie dem Kampf gegen den Terrorismus und den Extremismus.
Die lettische Außenministerin Baiba Braze betonte, Russland und der Iran seien durch Assads Sturz geschwächt. Dies sei eine Warnung an jeden, der „ein autoritäres Regime betreibt und sich mit Russland verbündet, dass er schließlich stürzen wird“. Assad soll sich inzwischen mit seiner Familie in Moskau aufhalten. Russland hatte Assad jahrelang militärisch unterstützt.