Zu ersten Berichten, dass sich die FDP seit Wochen auf den Ampel-Crash vorbereitet habe, sagte Parteichef Lindner noch: „Wo ist die Nachricht?“ Doch jetzt gibt es ein konkretes Papier dazu.

Das Drehbuch der FDP für den Ausstieg aus der Ampel lässt die Wogen der Empörung hoch schlagen. Wollten die Liberalen das Bündnis mit SPD und Grünen ganz bewusst und gut durchgeplant platzen lassen? Viele Fragen sind noch offen.

Was sagt Parteichef Christian Lindner?

Auf die Frage, ob die FDP insgesamt ein falsches Spiel gespielt habe, sagte der Parteivorsitzende Christian Lindner soeben der „Rheinischen Post„: „Nein, denn zu jedem Zeitpunkt ging und geht es uns um den Politikwechsel, den dieses Land braucht. Die Ampel konnte ihn nicht mehr liefern.“ Lindner sprach von einem „Papier im Entwurfsstadium“, das Mitarbeiter verfasst hätten und das in die Öffentlichkeit gebracht worden sei. „Jenseits der Details will ich aber sagen, dass es professionell ist, wenn Mitarbeiterstäbe Eventualitäten durchspielen. Der Kanzler hat sich ja auch drei unterschiedliche Reden schreiben lassen.“

Wusste die FDP-Führung wirklich nichts von dem Papier?

Die FDP-Führung stellt es so dar, dass sie das umstrittene Papier nicht gekannt habe. In einer Erklärung schreibt FDP-Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann, es handele sich um ein „Arbeitspapier“, das er selbst erstellt habe. „Dieses technische Papier ist kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen, sondern eine rein interne Vorbereitung für das Szenario eines Ausscheidens der FDP aus der Ampel-Koalition.“

Aber ist das glaubwürdig? Reymann ist erst seit dem 1. März Bundesgeschäftsführer. Davor war er zunächst Büroleiter von Lindner im Bundestag und dann im Leitungsstab des Bundesfinanzministeriums tätig. Reymann ist also ein enger Vertrauter Lindners. Schwer vorstellbar, dass er nicht mit seinem Chef über das von ihm entwickelte Szenario gesprochen hat.

Was heißt das für den Wahlkampf und die Wahlchancen der FDP?

Die Aufregung über das Papier wird den Wahlkampf zumindest nicht leichter machen. Gut möglich, dass den Wahlkämpfern an den Ständen in den Innenstädten kritische Fragen gestellt werden. Auch die Wahlchancen der Liberalen dürften sich dadurch nicht verbessern. Aktuell stehen sie in den Umfragen bei 3 bis 4 Prozent – und damit ein gutes Stück von der kritischen Fünf-Prozent-Hürde und meilenweit von den 11,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2021 entfernt.

Warum ist das Papier so heikel?

Seit dem Bruch der Ampel kämpfen die Beteiligten um die Interpretationshoheit, wer für das Scheitern die Verantwortung trägt. Lindner warf Scholz unmittelbar nach seinem Rauswurf als Bundesfinanzminister einen „einen kalkulierten Bruch dieser Koalition“ vor. Das Papier lässt dies nun in einem ganz anderen Licht erscheinen. 

Neben dem Inhalt geht es aber auch um Wortwahl und Stil. In dem Dokument taucht mehrfach der Begriff „D-Day“ auf – die Bezeichnung für den Tag der Landung der Alliierten in der Normandie. Damit begann im Sommer 1944 die Befreiung Westeuropas von den Truppen Nazi-Deutschlands. In den Kämpfen starben Zehntausende alliierte und deutsche Soldaten sowie Zivilisten.

Auch die Formulierung „Beginn der offenen Feldschlacht“, mit der in dem Papier Phase IV der „D-Day Ablaufpyramide“ bezeichnet wird, klingt, als wolle die FDP in einen Krieg ziehen. 

Wird das Papier personelle Konsequenzen haben?

Schwer zu sagen. Wenn, dann müssten sie schnell ergriffen werden, weil alles andere dem Wahlkampf der FDP noch mehr schaden dürfte. In der Kritik steht vor allem Generalsekretär Bijan Djur-Sarai, der noch am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die „D-Day“-Formulierung betont: „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden.“

Lindner verteidigte in der „Rheinischen Post“ seinen Generalsekretär: „Der Generalsekretär kannte es offensichtlich nicht“, sagte er zu dem Strategiepapier, in dem sich nun genau dieser Begriff wiederfindet. 

Diese Erklärung überzeugt allerdings nicht alle in der Partei. So schreibt die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, auf der Plattform X: „Als Generalsekretär trägt Bijan Djir-Sarai die politische Verantwortung für die Inhalte und die Ausrichtung der Partei. Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, habe ich Bijan Djir-Sarai als JuLi-Bundesvorsitzende dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten.“