Die Himmelsscheibe von Nebra hat eine bewegte Geschichte, allein ihre Entdeckung war ein wahrer Krimi. Von ihren vielen Geheimnissen wurde eines jetzt aufgedeckt.
Bei einem Besuch in Halle an der Saale ist ein Stopp im Landesmuseum für Vorgeschichte für viele Menschen ein Muss: Denn dort ist die Himmelsscheibe von Nebra ausgestellt, die vor mehreren Tausend Jahren gefertigt wurde – in einer fernen Zeit, die für uns heute noch viele Geheimnisse birgt.
Doch Stück für Stück kommen Wissenschaftler diesen auf die Spur: Jetzt gelang es ihnen erstmals, den Herstellungsprozess der mehr als 3600 Jahre alten Bronzescheibe zu analysieren. Sie gilt weltweit als die älteste Darstellung konkreter Himmelsphänomene. 2013 wurde sie in das „Memory of the World“-Register der UN-Kulturorganisation Unesco aufgenommen.
„Die Erkenntnisse beziehen sich auf den Guss- und Herstellungsprozess der Grundform der bronzenen Scheibe, nicht auf die Fertigung des Goldes auf der Scheibe“, sagte Landesarchäologe Harald Meller der Deutschen Presse-Agentur (DPA). „Es geht also um das Grundmodell der Scheibe.“
Die metallografischen Untersuchungen ergaben, dass die Himmelsscheibe in einem aufwendigen Warmschmiedeprozess hergestellt wurde. Bis sie ihre endgültigen Ausmaße erreichte, waren ungefähr zehn Zyklen notwendig. Ein Zyklus umfasst das Erhitzen bis auf rund 700 Grad Celsius, das Ausschmieden und anschließende Glühen, um das Metallgefüge wieder zu entspannen. Bronze ist eine Legierung, die hauptsächlich aus Kupfer und einem geringen Anteil an Zinn besteht.
Neue Analyse bestätigt Herstellungsabläufe der Himmelsscheibe von Nebra
Neben Mikrostrukturanalysen an farbgeätzten Oberflächen mit dem Lichtmikroskop kamen zwei moderne bildgebende Verfahren zum Einsatz. Eine kleine Probe aus dem äußeren Bereich der Himmelsscheibe, die im Jahr 2002 erstmals für verschiedene archäometallurgische Forschungen entnommen und zwischenzeitlich wieder eingesetzt worden war, wurde abermals entnommen, neu untersucht und anschließend wieder eingesetzt. Zudem gab es Härtemessungen. PAID Eiszeitkunst Interview 15.58
Die Himmelsscheibe von Nebra ist einer der bedeutendsten archäologischen Funde Deutschlands. Sie war 1999 von zwei Raubgräbern nahe Nebra in Sachsen-Anhalt entdeckt worden. Zwei Hehler hatten den Schatz von den Raubgräbern erworben und wurden bei einer fingierten Verkaufsaktion im Februar 2002 in Basel in der Schweiz geschnappt. Die Hehler wurden rechtskräftig verurteilt.
Ein Handwerker aus Halle schmiedete eine Nachbildung
Der Kupferschmied Herbert Bauer aus Halle fertigte in einem experimentellen Versuch eine Replik aus einem gegossenen Rohling an. Im Ergebnis wurde klar, dass der gegossene Rohling des Originals etwas größer und dünner als derjenige gewesen sein muss, der für die Replik verwendet wurde.
„Dass die Untersuchungen auch mehr als 20 Jahre nach der Sicherstellung der Himmelsscheibe noch derart grundlegende neue Erkenntnisse erbrachten, bezeugt nicht nur einmal mehr den außergewöhnlichen Charakter dieses Jahrhundertfundes, sondern auch, wie hoch die Kunst der Metallverarbeitung bereits in der Frühbronzezeit ausgeprägt war“, sagte Meller.
Himmelsscheibe war Kalender und Kultobjekt
Für die Menschen der Bronzezeit war die Himmelsscheibe sehr wertvoll und maximal 400 Jahre im Gebrauch. Das Material wurde Untersuchungen zufolge bereits in der Bronzezeit von mehreren Handwerkern untersucht – eine etwa sechs Zentimeter lange und einen Millimeter tiefe Kerbe auf der Rückseite der Bronzescheibe weist darauf hin. Auf der Vorderseite befinden sich goldene Abbildungen, die als Horizontbogen, Schiff, Mond, Sonne und Sterne gedeutet werden.
Noch sind längst nicht alle Hintergründe der Scheibe geklärt – Forscher fanden aber in den vergangenen Jahren einiges heraus, etwa, dass das Material aus unterschiedlichen Regionen unseres Kontinents stammt, was auf weitreichende Handelsbeziehungen im vorchristlichen Europa hindeutet. So stammt das Kupfer laut neueren Untersuchungen aus den Alpen, das Gold von den britischen Inseln – aus Cornwall im heutigen England.
Quellen: DPA, Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale, SWR-Wissen auf Youtube