Die neuen Klimaziele sollen nur für die Landesregierung gelten und nicht die Wirtschaft belasten, versichert der Ministerpräsident der Ampelregierung. Die Kritik gegen das Vorhaben ist jedoch massiv.
Breite Ablehnung und teils massive Kritik hat die rheinland-pfälzische Ampelregierung für ihre Pläne zu einem neuen Klimaschutzgesetz geerntet. Die Wirtschaft sprach von einer Mogelpackung, kommunale Spitzen von falschen Prioritäten und der DGB von einer fehlenden Strategie. Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) beteuerte bei der Präsentation des Gesetzentwurfes in Mainz, dass das neue Gesetz ausschließlich die Landesregierung binden und die Unternehmen in Rheinland-Pfalz weder direkt noch indirekt in ihrem Handeln eingeschränkt werden soll.
„Der Klimawandel wartet nicht auf uns“, begründete der Regierungschef das Vorhaben, das im Koalitionsvertrag der Landesregierung von SPD, Grünen und FDP verankert ist. Die Folgen des Klimawandels mit Starkregen, Hochwasser, Dürre, extremer Hitze und Trockenheit seien bereits spürbar. Ziel des Gesetzesvorhabens sei, bis spätestens im Jahr 2024 Klimaneutralität zu erreichen. In dem Gesetz seien keine Ziele für die Wirtschaft definiert. Es gehe darum, für das Land und die Landesverwaltung eine gesetzliche Verpflichtung für die Klimaziele festzuschreiben.
Ausbau der erneuerbaren Energie vorantreiben
Einen wesentlichen Anteil für das Erreichen der Ziele leiste der Ausbau der erneuerbaren Energien, erklärte Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne). In der Konsequenz schreibe das Gesetz das Ziel fest, bis zum Jahr 2030 bilanziell den eigenen Stromverbrauch zu 100 Prozent möglichst im Land zu produzieren. Zur Erfolgskontrolle sehe das Gesetz eine Klimaschutzstrategie, ein Register für die Klimaschutzmaßnahmen sowie ein Controlling der Vorhaben vor.
„Mit der Novellierung des Landesklimaschutzgesetzes wollen wir den Rahmen setzen, damit jedes Ressort in der Landesregierung weiß, welche Verantwortung auf dem Weg zur Klimaneutralität ihm zukommt“, sagte die Grünen-Politikerin. Dazu würden inhaltlich definierte Klimaschutz-Handlungsfelder in eindeutiger Zuständigkeit geschaffen.
Grünen-Ministerin: Gesetz gibt nicht vor, wie in Zukunft geheizt wird
Das Klimaschutzgesetz sei ein Rahmengesetz, erklärte die Ministerin. „Weder gibt dieses Gesetz vor, wie in Zukunft geheizt wird, noch wie Menschen in Zukunft mobil sein werden oder wie viel Strom in Zukunft verbraucht wird.“ Ob die Einsparung an Treibhausgasen durch mehr Elektromobilität, einen besseren ÖPNV oder eine Mischung aus verschiedenen Maßnahmen erreicht wird, gebe das Gesetz nicht vor. Auch werde darin nicht geregelt, ob Unternehmen ihre Produktionsprozesse energieeffizienter gestalten oder auf erneuerbare Energien wie Solar- und Windstrom oder klimaneutralen Wasserstoff umstellen sollten.
Echte Nachhaltigkeit könne nur erreicht werden, wenn der Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz international wettbewerbsfähig bleibt, hob Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) vor. „Die Möglichkeit, Gewinne zu erwirtschaften, ist die Grundlage dafür, dass unsere Unternehmen auch in Zukunft in Forschung, Entwicklung und Spitzentechnologien investieren können.“ Der im Kabinett beratene Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes schaffe eine Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit, Sozialverträglichkeit und Klimaschutz.
Im Jahr 2014 hatte Rheinland-Pfalz als eines der ersten Länder ein Klimaschutzgesetz verabschiedet. Die amtierende Landesregierung hat das neue Klimaschutzgesetz in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen. Nach der Anhörung von Verbänden wird der Gesetzentwurf im Landtag beraten. Das wird voraussichtlich im nächsten Jahr sein.
Wirtschaft lehnt das Klimaschutzgesetz kategorisch ab
Der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände, Karsten Tacke, und der Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, Arne Rössel, kritisierten das Vorhaben scharf. „Die geplante Novelle des Landesklimaschutzgesetzes ist das Paradebeispiel einer politischen Mogelpackung.“ Durch unrealistische Ziele, nicht tragfähige Grundannahmen und fehlende Zuständigkeiten des Landesgesetzgebers werde weder der Klimaschutz vorangetrieben noch die Wirtschaft bei ihren Klimaschutzbestrebungen unterstützt. „In dieser Form ist ein untaugliches Gesetz, das wir grundsätzlich ablehnen.“
Das Land besitze kaum einen rechtlichen Hebel, um die gesteckten Klimaziele mit den notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu flankieren. „Durch diese Fehlsteuerung ist das Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt – und am Ende soll die Wirtschaft für die verfehlte politische Zielsetzung haften“, kritisierten Tacke und Rössel.
Landkreistag und DGB gehen auf Distanz
Klimaschutz sei notwendig, sagte der geschäftsführende Direktor des Landkreistags, Andreas Göbel. Ein neues Klimaschutzgesetz sei aber in der derzeitige Lage das völlig falsche Signal und eine falsche Priorität der Landesregierung. Es müsse darum gehen, die Wettbewerbsfähigkeit und den Standort Rheinland-Pfalz für die Wirtschaft zu stärken. Davon profitierten auch die Kommunen.
Der DGB begrüße grundsätzlich, dass Rheinland-Pfalz beim Klimaschutz ambitioniert vorangehen wolle, erklärte Landeschefin Susanne Wingertszahn. „Ambitionierte Klimaziele allein sind jedoch noch keine Strategie.“ Damit der klimaneutrale Umbau gemeinsam gelinge und keine weitere Verunsicherung um sich greife, seien konkrete Maßnahmen und massive Investitionen in Energie, Gebäude, Verkehr und Industrie notwendig. Es müssten schnell konkrete Maßnahmen entwickelt und in die Umsetzung gebracht werden.
Gewerkschaft für Klima- und Transformationsfonds
„Das ist Aufgabe von Politik – und darf nicht durch unscharfe Formulierungen im Gesetz mit Ansage den Gerichten überlassen werden“, mahnte die Gewerkschafterin. „Klimapolitische Zielvorgaben ohne erkennbare Umsetzungsstrategie gefährden notwendige Investitionen und Ansiedelungen sowie die industrielle Basis.“ Klimaneutralität 2040 bedeute nicht nur, dass das Geld schneller investiert werden muss. „Es geht auch um mehr Geld“, betonte die DGB-Chefin. „Viele Unternehmen aus der Industrie, dem Mittelstand und Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge werden das nicht ohne staatliche Unterstützung schaffen.“ Der Vorschlag der Gewerkschaft sei daher ein Klima- und Transformationsfonds, aus dem tarifgebundene Betriebe beim Übergang hin zur Klimaneutralität unterstützt werden.
„2014 wurde das rheinland-pfälzische Klimaschutzgesetz verabschiedet – seitdem folgen in unregelmäßigen Abständen warme Worte der Landesregierung zum Thema, aber kaum echte Klimaschutz-Taten“, kritisierte auch der Klima- und Energieexperte der CDU-Fraktion, Gerd Schreiner. Mit dem Gesetzentwurf verschiebe die Landesregierung ihre eigenen Klimaschutzziele erneut. Ursprünglich sollte Rheinland-Pfalz die Klimaneutralität ab 2035 erreichen. Das Ziel bis 2030 den Strom bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, werde ebenfalls nicht haltbar sein.