Gewalttaten, Drohungen, Waffenbesitz: Die mögliche Gefährdung einer Frau lässt sich abschätzen. Doch zur Verhinderung von Gewalt ist ein besserer Austausch nötig – dem der Datenschutz im Weg steht.

Um mögliche Opfer besser zu schützen, fordert die Berliner Initiative gegen Gewalt (BIG e.V.) an Frauen eine bessere Vernetzung von Fachkräften. Um besonders gefährdete Frauen vor Gewalt zu schützen sei es notwendig, dass alle Akteure an einem Tisch zusammenkommen und Informationen teilen, sagte Nua Ursprung, Sprecherin von BIG, der dpa. In solchen sogenannten Interdisziplinären Fallkonferenzen tauschen sich Akteure wie Beratungsstellen, Polizei und das Jugendamt über Gefährdungslagen aus. 

Die Gefährdung von Frauen – meist durch den Partner oder Ex-Partner – kann anhand einer Gefährdungsskala eingeschätzt werden, in der bisherige Gewalttaten des potenziellen Täters, Drohungen oder der Besitz einer Waffe eine Rolle spielen. Ziel von Fallkonferenzen ist es, konkrete Gefahren einer Tötung oder schwerer Gewalt besser zu erkennen und zu verhindern. 

Datenschutz verhindert Austausch

Der Austausch ist bisher aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken in Berlin nicht möglich – anders als in anderen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. „Das ist wahnsinnig frustrierend“, sagt Ursprung. „Datenschutz ist auch für uns ein wichtiges Anliegen.“ Bei diesem Thema sei aber eine bessere und transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten notwendig: „Wir wollen Leben schützen.“ 

477 Schutzplätze in Berlin – Hunderte fehlen

Der Istanbul-Konvention zufolge, die bestimmte Quoten für Schutzplätze vorsieht, müsste es in Berlin 963 niedrigschwellige und sofort verfügbare Plätze geben, teilt BIG e.V. mit. Demnach gibt es in Berlin derzeit acht Frauenhäuser sowie die BIG Clearingstelle, die einem Frauenhaus ähnelt, aber auf einen kürzeren Aufenthalt ausgelegt ist, mit insgesamt 477 Schutzplätzen. Hinzu kommen noch andere Formen der Schutzunterkünfte, die aber hochschwellig sind und teilweise kostenpflichtig. 

Die Plätze in Frauenhäusern sind in der Regel vollständig belegt, teilt BIG-Sprecherin Ursprung mit. „Verschärft wird die Situation durch den angespannten Berliner Wohnungsmarkt, sodass Frauen, die eigentlich keinen Schutz mehr brauchen, aus den Frauenhäusern nicht ausziehen und die Plätze somit nicht freigeben können.“ 

Auch das seit langem auf Bundesebene geplante Gewalthilfegesetz müsse noch vor den Neuwahlen durchgesetzt werden, fordert BIG. „Das ist ein unfassbar wichtiges Vorhaben“, sagte die Sprecherin. Darin soll unter anderem die Finanzierung von Frauenhäusern geregelt werden. In Berlin werden die Aufenthalte vom Land getragen und sind für die betroffenen Frauen kostenlos, in anderen Bundesländern müssen Frauen aber teilweise selbst dafür aufkommen. 

Breite Unterstützung für Gewalthilfegesetz nötig

Das Gewalthilfegesetz wurde von Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) in enger Abstimmung mit anderen Ministerien, den Ländern und Verbänden erarbeitet. Um es durch den Bundestag zu bringen, ist aber eine breite Unterstützung auch der Union nötig. 

Deutschlandweit wurden 2023 nach Angaben des Bundeskriminalamts 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Femiziden, ein Prozent mehr als 2022 (929). 360 Frauen und Mädchen starben dabei.