Der Bundeswirtschaftsminister und designierte Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck hat die Entscheidung seiner Partei verteidigt, einen Kanzlerkandidaten zu nominieren. Der Anspruch erwachse nicht aus seiner „persönlichen Eitelkeit“, sagte er am Sonntag auf dem Bundesparteitag in Wiesbaden in seiner Bewerbungsrede. „Ich will Verantwortung suchen und tragen, mit der Erfahrung, die ich gesammelt habe.“ 

Er bewerbe sich um das Vertrauen seiner Partei, die Verantwortung weiter tragen zu dürfen – „vor allem für die Menschen in Deutschland“. Habeck rief den Delegierten zu: „Und wenn es uns ganz weit trägt, dann auch ins Kanzleramt.“ Worauf die Grünen-Mitglieder mit Jubel und Applaus antworteten.

Habeck sprach von großen Herausforderungen, für die andere keine Lösungen hätten. Deshalb brauche es die Antworten der Grünen. Diese eine ein Gedanke: „Möglichst viele Menschen (…) sollen frei darüber entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten.“ Diese Freiheit stehe unter Druck, sagte der Vizekanzler.

Sie werde aus drei Richtungen angegriffen, einmal von außen „durch Militarismus und Nationalismus“. Habeck nannte hier den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Der zweite Angriff komme von innen – durch „Polemik, Populismus“. Themen würden „so hochgejazzt, dass nur noch rumgebrüllt wird“, kritisierte der Grünen-Politiker. Ein Gespräch sei dann nicht mehr möglich.

Habeck nannte als Beispiel die Migrationsdebatte. Die meisten Geflüchteten kämen aus der Ukraine und Syrien. „Wir sollten doch nicht glauben, dass die Menschen das Problem sind“, rief er den Delegierten unter Jubel zu. Das Problem seien die Ursachen für die Flucht wie der Krieg.

Als dritte Bedrohung für die Freiheit führte der Vizekanzler den Klimawandel an. Jahrhundertfluten, Dürren und Unwetter bedrohten „das Leben jetzt hier auf unserer Erde“. Beim Klimaschutz gehe es deshalb nicht allein „um das Klima, es geht um die Menschen, um die Würde der Menschen“. Habeck forderte zu dessen Finanzierung unter anderem eine Reform der Schuldenbremse, die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und eine stärkere Beteiligung „ganz Superreicher“.

Die Grünen würden Antworten auf diese „dreifache Bedrohung unserer Zeit“ geben, bekräftige der Minister. Er wolle dabei „Prinzipientreue mit Pragmatismus“ verbinden, zudem auf Optimismus und Zukunftsgewandtheit setzen.

Habeck räumte in seiner immer wieder lautstark bejubelten Rede ein, selbst Zweifel an seiner Kanzlerkandidatur gehabt zu haben: „Auch ich habe über Rückzug nachgedacht.“ Die Entscheidung, „ob ich noch der Richtige bin“, sei keine leichte gewesen. Durch seine Rolle in der Ampel-Koalition habe auch er Vertrauen verloren. Er habe sich dann aber selbst eine Antwort geben, „jetzt nicht zu kneifen“, betonte der Grünen-Politiker in seiner gut einstündigen Rede.

Die Delegierten nahmen diese mit mehrere Minuten langem Applaus im Stehen und Jubel-Rufen auf. Anschließend diskutierte Habeck mit den Parteimitgliedern, bevor dann die offizielle Nominierung zum Kanzlerkandidaten geplant war.