Am 24. Juli werden die Bayreuther Festspiele 2024 eröffnet. Auch in diesem Jahr werden wieder zahlreiche Prominente auf dem Grünen Hügel erwartet. Hier erfahren Sie alles, was Sie über die Richard-Wagner-Festspiele wissen müssen.

Andere Länder haben ihre Königshäuser – wir haben die Wagners. Seit mehr als 100 Jahren steht der Familienclan für große Triumphe, bittere Niederlagen, politische Verstrickungen, Intrigen – und immer wieder für große Kunst. Also alles, was das Herz eines Volkes begehrt, das ohne Königshochzeiten und Krönungszeremonien auskommen muss. Und so ist die Eröffnung der Bayreuther Festspiele Jahr für Jahr ein Medienereignis ersten Ranges. Was genau ist das Besondere an den Richard-Wagner-Festspielen? Wir verraten alles, was sie über das bedeutendste deutsche Musikfestival wissen müssen.

Wer hat’s erfunden?

Mit der Errichtung des Festspielhauses hatte sich Richard Wagner zu Lebzeiten sein eigenes Denkmal gesetzt: Er hat einen Ort errichtet, in dem er sich abseits der großen Metropolen kompromisslos ganz auf die Aufführung seiner eigenen Werke konzentrieren konnte. Insbesondere die Aufführung seines Opernzyklus‘ „Der Ring des Nibelungen“ sollte im Zentrum stehen. Zur Umsetzung seiner kühnen Pläne war der notorisch klamme Komponist allerdings auf großzügige Förderer angewiesen: Neben König Ludwig II. von Bayern war dies vor allem seine Gönnerin Marie von Schleinitz: Sie engagierte sich in dem Bayreuther Patronatsverein, der das Ziel verfolgte, die Bayreuther Festspiele durch das Sammeln von Spenden zu ermöglichen. Die ersten Überlegungen zu einem eigenen Festspielhaus gehen auf das Jahr 1850 zurück. Damals schrieb Wagner seinem Freund Theodor Uhlig: „Hier, wo ich nun gerade bin und wo manches gar nicht so übel ist, würde ich auf einer schönen Wiese bei der Stadt von Brett und Balken ein rohes Theater nach meinem Plane herstellen und lediglich bloß mit der Ausstattung an Decorationen und Maschinerie versehen lassen, die zu der Aufführung des Siegfried nötig sind.“ 1871 besuchte Wagner erstmals Bayreuth. Zwar erwies sich das Markgräfliche Opernhaus als ungeeignet für Wagners Absichten, aber an der Stadt fand er Gefallen. So beschloss er, sein Theater dort zu errichten.

Wieso sprechen alle vom „Grünen Hügel“?

Der städtische Gemeinderat von Bayreuth schenkte Wagner 1871 ein Gelände auf einem grünen Hügel außerhalb der Stadt – daher der häufig synonym für das Festspielhaus verwendete Name.

Wird nur Wagner gespielt?

Zu Lebzeiten Richard Wagners und seiner Ehefrau Cosima war ohnehin klar, dass nichts anderes als dessen Musikdramen gespielt werden. Diese Tradition führte Wagners Sohn fort. In seinem Testament aus dem Jahr 1929 legte Siegfried fest, dass in Bayreuth nur Werke seines Vaters aufgeführt werden dürfen. Und so wird bis heute, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – Beethovens 9. Symphonie ist erlaubt -, auf dem Grünen Hügel ausschließlich Wagner gespielt. Jedoch nicht der ganze Wagner. Seine ersten drei Opern „Das Liebesverbot“, „Die Feen“ und „Rienzi“ hat Wagner selbst für nicht Bayreuth-würdig befunden, deshalb werden sie bis heute ausgespart. Im Wesentlichen besteht das Programm der Bayreuther Festspiele aus den folgenden zehn Werken: „Der fliegende Holländer“, „Tannhäuser“, „Lohengrin“, , „Tristan und Isolde“, „Die Meistersinger von Nürnberg“, „Parsifal“ sowie den vier zum Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ gehörenden Opern „Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“.

FS Ring des Nibelungen

Warum wird das Festspielhaus „Scheune“ genannt?

Wer das Festspielhaus zum ersten Mal sieht, wird enttäuscht sein. Von außen betrachtet wirkt der Bau vergleichsweise unscheinbar. Er kommt gänzlich ohne dekorative Elemente aus, weshalb das Haus despektierlich „Scheune“ genannt wird. Doch das dürfte durchaus in Wagners Sinne sein. Er wollte tatsächlich den Eindruck an „flüchtig gezimmerte Festhallen“ erwecken, was dem Ganzen einen volkstümlichen Charakter verleihen sollte. Auch im Inneren erwarten den Besucher keineswegs Plüsch und Prunk. Der 1974 Plätze fassende Zuschauerraum ist schlicht eingerichtet und besteht aus gleichmäßig ansteigenden Sitzreihen nach Vorbild antiker Amphitheater. Dadurch ist von allen Plätzen eine nahezu ideale Sicht gewährleistet. Eine weitere Besonderheit Bayreuths ist die starke Verdunkelung des Theaterraums. Nichts sollte den Zuschauer von dem Bühnengeschehen ablenken.

Warum klingt die Musik in Bayreuth besser als anderswo?

Was das Festspielhaus in Bayreuth von anderen Konzertsälen unterscheidet, ist die einzigartige Akustik. Das hat mehrere Gründe: Zum Einen besteht der komplette Innenraum aus Holz, darunter befindet sich ein Hohlraum – damit bietet er einen idealen Resonanzboden für die Musik. Zum Anderen ließ Wagner den von ihm als „mystischen Abgrund“ bezeichneten Orchestergraben mit einem Schalldeckel zum Publikum hin abschirmen. Der Zuschauer wird so nicht durch die „Mühe der Tonerzeugung“ abgelenkt. Das verstärkt die Bühnenillusion. Vor allem aber ist dies die Bedingung für den berühmten Bayreuther „Mischklang“. Denn die Musik strömt vom Orchester nicht direkt ins Publikum, sondern wird auf die Bühne projiziert, vermischt sich dort mit den Stimmen der Sänger und wird von dort aus als Gesamtklang ins Publikum geworfen. Einzelne Instrumente sind nicht mehr lokalisierbar. So entsteht ein Orchesterklang, der sich gleichmäßig im Raum ausbreitet. Man hört überall gleich gut.

Müssen Besucher wirklich neun Stunden lang auf Holzbänken sitzen?

Ja und nein. Wie oben erwähnt besteht die Inneneinrichtung des Festspielhauses tatsächlich aus Holz – auch die Stühle. Erfahrene Bayreuth-Gänger haben deshalb ein Sitzkissen dabei – damit der Hintern nicht für den Ohrenschmaus leiden muss. Über die Länge der Wagner-Opern kursieren oft falsche Vorstellungen. Zwar dauert sein Hauptwerk „Der Ring des Nibelungen“ insgesamt tatsächlich rund 16 Stunden, jedoch wird der Zyklus auf vier Abende aufgeteilt, sodass der Zuschauer maximal fünf Stunden sitzen muss – unterbrochen von zwei Pausen.

Wer richtet die Bayreuther Festspiele aus?

Die Richard-Wagner-Festspiele waren fast 100 Jahre lang ein Familienbetrieb, beherrscht von dem Komponisten und seinen Nachkommen. Und noch heute werden die Festspiele – zumindest künstlerisch – von Wagners geleitet. Nach Richards Tod 1883 übernahm seine Witwe Cosima die Führung der damals noch sehr unregelmäßig stattfindenden Festspiele. 1908 übergab Cosima aus gesundheitlichen Gründen den Stab an ihren Sohn Siegfried Wagner, der diese Aufgabe vorzüglich meisterte und die Festspiele behutsam modernisierte. Nach seinem Tod 1930 übernahm Siegfrieds Witwe Winifred die Leitung – eine glühende Hitler-Verehrerin, die den Ruf der Bayreuther Festspiele in der Kunstwelt nachhaltig ruinierte. So kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem künstlerischen Neustart. 1951 fanden erstmals wieder Richard-Wagner-Festspiele statt, unter der künstlerischen und organisatorischen Leitung der Wagner-Enkel Wieland und Wolfgang Wagner. Die beiden misteten ideologisch aus und wagten einen ästhetischen Neuanfang. Insbesondere der 1966 verstorbene Wieland Wagner hatte mit seinen kühnen Inszenierungen großen Anteil daran, dass Bayreuth in die erste Liga der Musikfestivals aufstieg.

sexakte-klassik 19.04Einen Gutteil seines Rufes haben die Festspiele unter der langen Alleinherrschaft des Patriarchen Wolfgang Wagner eingebüßt, der bis 2008 künstlerischer Leiter der Festspiele blieb. Kritiker bemängeln die oft biederen Inszenierung und das Fehlen eines innovativen Gesamtkonzepts. In Bayreuth „singt man heute Wagner, wie man es früher vielleicht in Stuttgart oder Dresden getan hat“, bemängelte vor einigen Jahren „Die Zeit“. Seit 1973 ist die Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth Träger des Bayreuther Festspielhauses. Stiftungsmitglieder sind die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern, die Stadt Bayreuth, die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, die Bayerische Landesstiftung, die Oberfrankenstiftung, der Bezirk Oberfranken und Mitglieder der Familie Wagner. Die Satzung der Stiftung regelt auch die Leitung der Festspiele und besagt, dass grundsätzlich Mitglieder der Familie Wagner zu bevorzugen sind. Als Nachfolger Wolfgang Wagners wählte die Stiftung deshalb dessen Töchter Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier, die 2009 erstmals für die Bayreuther Festspiele verantwortlich waren. Inzwischen ist Katharina Wagner die alleinige Leiterin.

Seit 1986 werden die Festspiele von der Bayreuther Festspiele GmbH durchgeführt. Diese setzt sich zu je 25 Prozent Stimmanteilen aus Vertretern der Bundesrepublik Deutschland, dem Freistaat Bayern, der Stadt Bayreuth und der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth zusammen.

Was kostet der Spaß den Steuerzahler?

Zu je einem Drittel beteiligen sich der Bund und der Freistaat Bayern an den ungedeckten Kosten. Das letzte Drittel teilen sich die Stadt Bayreuth, der Bezirk Oberfranken und die „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“. In absoluten Zahlen heißt das, dass der Bund derzeit 2,3 Millionen Euro an Steuergeldern für das Spektakel hinzuschießt, in gleicher Höhe beteiligt sich auch der Freistaat Bayern. Das klingt auf der einen Seite nach viel Geld. Doch 60 Prozent der Ausgaben für die Richard-Wagner-Festspiele werden aus Eigenmitteln bestritten – die Subventionen der öffentlichen Hand betragen weniger als 40 Prozent. Zum Vergleich: Städtische Theater werden in Deutschland durchschnittlich mit mehr als 80 Prozent bezuschusst.

Warum sind so viele Politiker dort?

Gewiss nicht aus repräsentativen Gründen. Die langjährige Bundeskanzlerin Angela Merkels war als bekennende Wagner-Liebhaberin regelmäßig in Bayreuth. Ihre Amtsvorgänger Gerhard Schröder und Helmut Kohl haben es sich dagegen leisten können, einen Bogen um die Festspiele zu machen. Auch der amtierende Kanzler Olaf Scholz ist bislang nicht als Wagner-Enthusiast aufgefallen.

Wer geht da noch hin – und aus welchem Grund?

Neben Angela Merkel kommen viele hochrangige Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft regelmäßig nach Bayreuth. Sogar die Grünen-Politikerin Claudia Roth schwärmt für die Musik Richard Wagners. Auch jenseits der Politik ist die Promi-Dichte groß: Thomas Gottschalk ist regelmäßiger Gast, Uschi Glas, Roberto Blanco, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis sind ebenfalls gern zugegen. Auch wenn es für manche schwer Vorstellbar erscheint, freiwillig fünf Stunden auf ungemütlichen Holzbänken zu sitzen: Viele nehmen dieses Opfer auf sich, weil sie der Musik verfallen sind und bei den Wagner’schen Klängen alle irdischen Plagen vergessen. Natürlich ist die Bayreuth-Eröffnung auch ein gesellschaftlicher Pflichttermin. Für den ein oder anderen geht es immer auch ums Sehen und Gesehen-Werden.

Ist der Wagner-Hype ein neues Phänomen?

Nein. Dass Kanzlerin, Minister und Showstars nach Bayreuth reisen, ist keine Modeerscheinung des dritten Jahrtausends. Schon bei der Eröffnung der ersten Richard-Wagner-Festspiele 1876 waren Kaiser, Könige und zahlreiche Geistesgrößen zugegen. Mit Franz Liszt, Anton Bruckner, Camille Saint-Saëns, Peter Tschaikowski und Edvard Grieg waren herausragende Komponisten ihrer Zeit anwesend. Daneben der russische Schriftsteller Lew Tolstoi, der Philosoph und Wagner-Freund Friedrich Nietzsche sowie der Architekt Gottfried Semper. Und natürlich war König Ludwig II. von Bayern da. Immerhin hatte der den ganzen Spaß ja finanziert.

Wie komme ich an Eintrittskarten?

Jährlich werden rund 30 Vorstellungen gegeben, allesamt ausverkauft. Da das Festspielhaus knapp 2000 Zuschauer fasst, gibt es für rund 58.000 Zuschauer die Möglichkeit, eine Karte zu ergattern. Das ist allerdings eine Kunst für sich, denn dem stehen jährlich Anfragen für mehr als eine halbe Million Tickets gegenüber. Lange Zeit konnte man Eintrittskarten für die die Bayreuther Festspiele nur schriftlich über das Kartenbüro bestellen – und dann viel Geduld mitbringen, die Wartezeit dauert mehrere Jahre. Mittlerweile kann man Tickets auch online erwerben.

Es gibt noch einen weiteren Weg, an Karten zu kommen: Jedes Jahr vergibt der Richard-Wagner-Verband Stipendien, vornehmlich um Studierenden einen Besuch der Aufführungen zu ermöglichen.

Was kostet eine Karte?

Für ein Festival dieser Kategorie sind die Preise erstaunlich moderat. Die teuersten Plätze kosteten 459 Euro für die Premiere des „Tristan“, die günstigste Karte war dagegen schon für 45 Euro zu haben. Daneben steht eine geringe Anzahl von Plätzen mit beschränkter (22 Euro) oder ohne Sicht für 11 Euro zur Verfügung.