CDU und SPD in Sachsen wollen vor Weihnachten ihre Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Minderheitsregierung abschließen. Die Gespräche starten am Montag, wie die Spitzen beider Parteien am Freitag in Dresden erklärten. Da einer möglichen schwarz-roten Koalition zur Mehrheit zehn Stimmen im Parlament fehlen, wollen CDU und SPD künftig bei den anderen Fraktionen verstärkt um Unterstützung für ihre Gesetzesvorhaben werben.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach von einem „Konsultationsmechanismus“. Die Regierung will demnach ihre Gesetzesinitiativen vorab den anderen Fraktionen vorlegen. Deren Änderungsvorschläge und Idee könnten dann eingearbeitet werden, bevor im Parlament abgestimmt wird.
„Wir wünschen uns, dass in diesem sächsischen Landtag miteinander gesprochen wird und dass es möglich ist, parteiübergreifende Kompromisse zu finden“, sagte Kretschmer am Freitag in Dresden. „Es braucht einen anderen Umgang miteinander.“ Auch die AfD solle sich an dem Konsultationsverfahren beteiligen können, um diese aus ihrer „Märtyrerrolle“ zu holen.
Kretschmer stellte zugleich klar, dass es auch weiterhin keine Zusammenarbeit mit der vom sächsischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei geben werde. „Mit dieser Partei kann es keine Zusammenarbeit geben, mit dieser Partei wird es auch keine Suche nach Mehrheiten geben“, sagte der Ministerpräsident.
Sachsens SPD-Chef Henning Homann sprach mit Blick auf die geplante Minderheitsregierung von „Neuland“. Sachsen habe damit die Chance, „eine neue politische Kultur“ zu schaffen. Auch Homann sagte, dass trotz der den Gesetzgebungsverfahren vorgelagerten Konsultationen der Abgeordneten die AfD „keinen praktischen Einfluss mit ihren ketzerischen, mit ihren antisozialen Thesen auf Politik in Sachsen“ erhalten werde.
Eine schwarz-rote Minderheitsregierung ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl am 1. September für Kretschmer die einzige Option, um Neuwahlen zu vermeiden. Anders als bei früheren Minderheitsregierungen in anderen Bundesländern wird es in Sachsen keine ausdrückliche Duldung oder Tolerierung geben. Im Landtag sind neben der CDU, welche die Wahl knapp vor der AfD gewann, sowie der SPD auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die Linkspartei, die Grünen und ein Abgeordneter der Freien Wähler vertreten.
Die Gespräche zwischen CDU, SPD und BSW über eine mögliche Regierungsbildung scheiterten in der vergangenen Woche. Das BSW machte dafür einen fehlenden Einigungswillen der beiden anderen Parteien bei der umstrittenen Friedensformel, beim Thema Migration und bei der Finanzpolitik verantwortlich.
CDU und SPD wiesen hingegen der BSW-Bundesvorsitzenden Wagenknecht wegen deren friedens- und verteidigungspolitischen Forderungen wie ein Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland die Schuld am Scheitern der Gespräche zu.
Am Donnerstagabend nun gaben die Landesvorstände von CDU und SPD in Sachsen grünes Licht für die Aufnahme von bilateralen Koalitionsverhandlungen. Eine Minderheitsregierung sei „kein Hexenwerk“, sagte Landessozialministerin Petra Köpping (SPD) am Freitag. Es gehe darum, „nicht in den üblichen Schützengräben zu verharren“, betonte auch Homann.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU), hält Minderheitenregierungen grundsätzlich für „komplizierte Verbindungen“. Dennoch sei das Modell für Sachsen angesichts der Rahmenbedingungen „die bestmögliche zur Verfügung stehende Lösung“, sagte er den Sendern RTL und ntv.
Der sächsische AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Urban sprach angesichts der rund 30 Prozent für seine Partei bei der Landtagswahl und des strikten Neins zu einer Zusammenarbeit hingegen von einer „Verhöhnung des Wählerwillens“.
Die BSW-Landes- und Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann kündigte bereits mit Blick auf die künftige Regierungsarbeit an, ihre Partei werde sich „guten Lösungen nicht verschließen“. Zugleich knüpfte sie Stimmen für die Wiederwahl Kretschmers als Ministerpräsident an Bedingungen, etwa „konkrete Zusagen zum Beispiel gegen Sozialkürzungen oder für einen konsequenten Umgang mit ausreisepflichtigen Asylbewerbern“.
Der Ministerpräsident muss laut Landesverfassung innerhalb von vier Monaten nach der Konstituierung des neuen Landtags und damit spätestens Anfang Februar gewählt werden.