Linkin Park haben mit „From Zero“ ihr erstes Album seit dem Tod von Sänger Chester Bennington 2017 veröffentlicht.

Mutig ist das in vielerlei Hinsicht. Eine der erfolgreichsten Bands des 21. Jahrhunderts versucht sieben Jahren nach dem tragischen Tod ihres Frontmanns mit zwei neuen Bandmitgliedern und einem neuen Album den Neustart.

Nachdem sich ihr Sänger Chester Bennington 2017 mit 41 Jahren das Leben genommen hatte, hatte die Band von einem Tag auf den anderen ihre Tour abgebrochen. Wie es weitergehen sollte, war jahrelang unklar. Selbst der Entstehungsprozess des neuen Albums „From Zero“ lief lediglich unter dem Motto „Keine Ahnung was wir machen, aber wir schreiben Songs“, wie die Band in einem langen „Billboard“-Feature sagte. Es gab also keinen Plan und keinen Druck hinter diesem Comeback, es formte sich aus sich selbst heraus. „Das war besser – um zu sehen, was es wird, anstatt es zu etwas zu machen, das man dann erfüllen muss“, erklärte Emily Armstrong (38), die neue Stimme der Band.

Würdige Nachfolgerin für Bennington: Emily Armstrong

Es spricht für Armstrong und die Linkin-Park-Anhänger gleichermaßen, dass die neue Frau am Mikrofon so gut von der Fangemeinde angenommen wurde. Wer trotz des Konzert-Livestreams Anfang September noch Zweifel an der neuen Stimme hatte, dürfte nach diesem Album besänftigt sein. Armstrong kann wie Bennington seinerzeit von Zärtlichkeit über Verzweiflung bis Wut die Gefühlsklaviatur bedienen und bringt trotzdem einen neuen Twist in die Band.

Auch am Schlagzeug sitzt nun ein neues Gesicht, Colin Brittain (37) ersetzt den freiwillig ausgeschiedenen Rob Bourdon (45) und wirkte als Produzent mit. Viel Neues in der Besetzung also, gleichzeitig bezieht sich der Albumtitel „From Zero“ aber auf die Ursprünge der Band: Bei der Gründung der ersten Version von Linkin Park, bei der Mastermind Mike Shinoda (47), Schlagzeuger Bourdon und Gitarrist Brad Delson (46) mit dabei waren, hieß man noch Xero. Alles auf Anfang also oder back to the roots?

„From Zero“: Mitsing-Refrains und ordentlich Geschrei

„From Zero“ hat sich eindeutig dem Zeitgeist angepasst: Nur eine halbe Stunde ist das Album insgesamt lang. Zudem klingt es so abwechslungsreich wie ein gut kuratierter TikTok-Algorithmus: Es gibt emotional-druckvolle Stücke wie die Single „Over Each Other“, harte Stücke wie „Casualty“ und ruhige wie „Good Things Go“. Innovativ klingt das heute natürlich nicht mehr, den Job haben Linkin Park in den Nullerjahren erledigt. Dafür klingt es an vielen Stellen – wie etwa in „Two Faced“ oder „Heavy Is The Crown“, bei dem Rapstrophe, Mitsing-Refrain und ordentlich Geschrei zusammenkommen – fast wie „früher“.

Und das dürfte genau das sein, was sich viele Fans gewünscht haben: Das Gefühl der Vergangenheit in die Gegenwart geholt. Dass das einen Nerv trifft, zeigen die Zahlen: Alle drei bisher veröffentlichten Singles rangieren in den Charts seit Wochen unter den ersten elf Plätzen. Erste Konzerte waren in kürzester Zeit ausverkauft (für die Welt-Tour gehen die Tickets am Montag, 18. November in den Verkauf). Die Kommentare unter dem Konzert-Stream weinen Freudentränen. Und auch die Kritiken von „New York Times“ bis „Billboard“ fallen bisher positiv aus.

Und auch wenn das Gefühl von Verlorenheit und Verzweiflung dazu gehört, zeigt diese Bandgeschichte, dass das Leben weiter geht. Und ein Neustart möglich ist.