Mit seiner Regierungserklärung im Deutschen Bundestag wollte Olaf Scholz sich selbst stabilisieren und kraftvoll in den Wahlkampf starten. Das ist misslungen.
Nein, man kann nicht sagen, dass es eine schlechte Rede war, die Olaf Scholz im Deutschen Bundestag gehalten hat. Die großen Themen kamen vor. Wirtschaft und Soziales, die Ukraine und Donald Trump, alles dabei. Hin und wieder blitzte sogar so etwas wie Kampfbereitschaft auf, und man musste auch nicht die Ohren spitzen, um die Fraktion des Kanzlers applaudieren zu hören. Das lief schon alles wie gewohnt.
Und doch wurde bei der Regierungserklärung auf fast tragische Art und Weise klar, warum es sehr schwer für die SPD wird, mit ihm nochmal in den Wahlkampf zu ziehen. Seit dem Ampel-Sturz fehlt den Worten des Kanzlers etwas, wovon Politik lebt: Glaubwürdigkeit.
Sein Vokabular passt nicht zur Realität
Scholz zeichnete von sich das Bild eines großartigen Regierungschefs. Mutig in der Krise, besonnen gegenüber Wladimir Putin, umsichtig im allgemeinen Regierungshandeln. So weit, so bekannt, so scholzig. Mittlerweile aber passt dieses Vokabular so gar nicht mehr zu dem Bild, das viele Deutsche von Olaf Scholz haben. Seit dem Zusammenbruch seiner Regierung dürften sie weniger an Stabilität und Ordnung denken als an Turbulenzen und Verunsicherung. Ja: Chaos.
Der Scholz-Auftritt in Kurzform: Die nächste Regierung muss weniger streiten. Sicherheit und Soziales dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die gesellschaftliche Spaltung ist eine wachsende Gefahr. Vieles davon ist richtig. Die Frage ist nur, warum ausgerechnet er mit der Lösung dieser Aufgaben noch einmal beauftragt werden sollte. Wer nicht in der Lage ist, eine Bundesregierung zusammenzuhalten, braucht über den Zusammenhalt des Landes eigentlich nicht zu sprechen.
Dabei könnte das Rennen wirklich offen sein. Der Auftritt von Friedrich Merz wirkte jedenfalls nicht so, als stünde da schon ein Kanzler. Hier ein paar Angriffe auf Scholz, dort ein paar markige Sprüche gegen die AfD, viel mehr war da nicht. Aber dieser Mittwoch zeigte, wie tief der Regierungsbruch für die Kanzlerpartei reicht. Scholz fehlt jetzt eine Erzählung, ein Unterbau.
Stabilität und Einigungsfähigkeit – das war sein Markenkern
Er ist 2021 gewählt worden, weil viele Deutsche ihm vertrauten, weil er über Jahrzehnte in Verantwortung den Eindruck vermittelte, so geräuschlos und unaufgeregt regieren zu können wie Angela Merkel. Außerdem eilte ihm der Ruf eines politischen Entfesselungskünstlers voraus, der in der Lage ist, aus den gegensätzlichsten Positionen noch einen Kompromiss zu machen. Stabilität und Einigungsfähigkeit, das war sein Markenkern.
Der Ampel-Bruch hat offengelegt, dass Scholz weder ein politischer Entfesselungskünstler ist noch die Hoffnung stabilen Regierens erfüllen konnte. Seine Koalition wirkte überwiegend wie das Gegenteil. Ausgerechnet im Zenit seiner Karriere hat er seinen Markenkern verloren.
Jetzt steht Scholz ohne da – pünktlich zum Auftakt des Wahlkampfs.