Der Sieg von Donald Trump hat vor allem Frauen tief getroffen, auch unsere Autorin. Nichts half ihr mehr als die Worte von Nick Fuentes, einem 26-jährigen faschistischen Mar-a-Lago-Gast.
Danke, Nick Fuentes! Danke für die Wut!
Für alle, die ihn nicht kennen: Nicholas Fuentes ist ein amerikanischer White-Supremacist-Anhänger, Holocaustleugner – und Fun-Fact – Dinnergast in Donald Trumps Mar-a-Lago-Anwesen. Kurzum – er ist das wahrgewordene Grauen im Körper eines 26-Jährigen, der täglich die sozialen Netzwerke mit seinen rechtsextremen Weltansichten zumüllt.
Warum ich mich bei so jemandem bedanke? Weil mich Nick Fuentes mit vier Wörtern aus meinem Schockzustand über den Ausgang der US-Wahl gerissen hat. Noch bevor offiziell bekannt wurde, dass Trump gewonnen hat, schrieb Fuentes einen Kommentar auf X, der seither viral geht: „Your body, my choice. Forever.“ Angelehnt an den „My body, my choice“-Slogan der Frauenrechtsbewegung.
Als ich diese Worte zum ersten Mal las, trafen sie mich wie ein Schlag. Beim zweiten Mal wurde mir schlecht. Und beim dritten Mal überlegte ich, Dinge zu tun, die mich zur verurteilten Straftäterin gemacht hätten. (Nicht, dass das ein Problem wäre, nachdem wir jetzt einen verurteilten Straftäter im Weißen Haus haben.)
Jedoch: So widerwärtig dieser Kommentar ist, so unverhohlen er zu Vergewaltigungen einlädt, so war er genau die schallende Ohrfeige, die ich gebraucht habe.
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Das ist Donald Trumps Amerika
Denn die Realität ist – genau das ist Trumps Amerika. Ein Amerika, in dem Männer wie Fuentes sich ermächtigt fühlen, ihre frauenfeindliche Hetze offen in die Welt hinauszuposaunen, online wie offline. Keine 24 Stunden nach der Wahl tauchten an der Texas State University Männer mit Plakaten auf, darauf zu lesen: „Frauen sind Eigentum“. Auf Tiktok trendete ein Aufruf, den 19. Verfassungszusatz zu widerrufen. Er garantiert das Frauenwahlrecht. Und selbst die Taliban beglückwünschten amerikanische Männer dafür, dass sie „die Führung ihres großen Landes nicht einer Frau überlassen“ haben. Zur Erinnerung: Wenn die Taliban dich loben, dann läuft etwas ganz gewaltig schief.
Die Amerikaner haben nicht nur von dem schlechtmöglichsten Beispiel gelernt. Sie haben es zum Präsidenten gemacht.
Donald Trump hat nie einen Hehl daraus gemacht, was er von Frauen hält. Von seinen „Grab them by the Pussy“-Kommentaren über Beleidigungen von Politikerinnen als „Bitches“ bis zu einer seiner jüngsten Wahlkampfreden, wo er drohte „Frauen zu beschützen, ob sie wollen oder nicht.“ Ganz zu schweigen, dass er von einer Jury wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden ist und von mehr als 25 Frauen wegen sexueller Belästigung angeklagt wurde.
Trump hat seinen Wahlkampf schlicht auf eine Personengruppe ausgerichtet: Männer. Insbesondere jungen Männern hat er versprochen, ein Amerika zurückzubringen, in dem das männliche Geschlecht die Macht hat. So wichtig Wirtschaft und Einwanderung für viele Wähler waren – Trump hat tatsächlich hier kaum konkrete Lösungen zu diesen Themen angeboten. Stattdessen warb er mit männlicher Stärke, Dominanz und dem Versprechen, dass bald nicht nur wieder im Weißen Haus ein Mann das Sagen habe, sondern in allen Häusern Amerikas.
Auf jeden Rückschritt folgen zwei Schritte nach vorn
Was Männer wie Trump und Fuentes jedoch vergessen, wenn sie Frauen damit drohen, uns kleinzuhalten: Wir kämpfen nicht erst seit gestern für unsere Rechte. Es ist gerade mal gut 100 Jahre her, dass Frauen in den USA das Wahlrecht bekamen. 60 Jahre, dass Frauen eine eigene Kreditkarte besitzen dürfen. Und erst seit 1993 sind Vergewaltigungen in der Ehe in allen 50 Bundesstaaten strafbar. (In Deutschland übrigens erst seit 1997.)
Frauen ist schmerzlich bewusst, dass Sexismus noch immer auf allen Ebenen der Gesellschaft existiert und noch jede Menge Arbeit vor uns liegt. Wir erleben ihn beim Gehaltsvergleich im Büro, bei der Ratlosigkeit über unerforschte Frauenkrankheiten in der Arztpraxis und beim Blick auf die Forbes-500-Liste, auf der wir gerade einmal zehn Prozent ausmachen. Aber wir wissen auch, dass Generationen von Frauen vor uns schon undenkbare Hürden gemeistert haben. Und dass auf jeden Rückschritt zwei Schritte nach vorne folgen.
Am Tag nach Trumps erster Amtseinführung 2017, gingen weltweit Millionen Frauen zum „Women’s March“ auf die Straße. Bis dato der größte Tagesprotest, den die USA je gesehen haben. Nachdem der Supreme Court 2022 das Recht auf Abtreibungen gekippt hatte, organisierten sich Frauen im ganzen Land, um das Recht auf bundesstaatlicher Ebene zu festigen. Bis heute hatten sie damit in 29 amerikanischen Bundesstaaten Erfolg.
Mit Wut zum Gegenschlag
Ich weiß, dass viele Frauen noch geschockt sind über Trumps erneuten Sieg. Dass sie sich Sorgen machen, nicht nur wegen seiner radikalen Politik, sondern auch wegen der gesellschaftlichen Konsequenzen seiner Wahl. Aber ich weiß auch, dass viele Frauen verdammt wütend sind. Und vielleicht ist unser größter Vorteil, dass wütende Frauen seit jeher unterschätzt werden.
Diese Wut hat am Wochenende dazu geführt, dass in New York Tausende Menschen auf die Straße gegangen sind, um zu protestieren. Ganz vorne lief eine Gruppe Frauen mit einem „Wir gehen nicht zurück“-Banner. Landesweit verzeichnen Abtreibungsorganisationen viele neue Spenden. Und einige Frauen gehen sogar so weit, sich der „4B-Bewegung“ anzuschließen, die auf dem einfachen, aber radikalen Prinzip funktioniert: kein Dating, kein Sex, keine Ehe, keine Kinder (lesen Sie hier mehr dazu).
Von der Bewegung kann man halten, was man will, aber dass sie Frauenhasser wie Fuentes zur Weißglut bringt, finde ich großartig. Wenn du die Spielregeln änderst, dann beschwer dich nicht, wenn wir den Ball wegnehmen, Darling.
Apropos Nick Fuentes. Nachdem sein Tweet viral ging, konnte er wohl nicht anders, als seine „Your body, my choice“-Hasstirade nochmal als Video zu teilen. Mit MAGA-Kappe auf dem Kopf steigert er sich darin von „die Männer haben gewonnen“ über „die Glasdecke ist eine Steinmauer“ bis zu „ihr werdet niemals jemals eine Präsidentin bekommen.“
Nun, lass mich dir ein kleines Geheimnis verraten, lieber Nick: Nichts motiviert uns Frauen mehr, als gesagt zu bekommen, dass wir etwas nicht können.