Ein Tier für Klicks zieht fast immer. Tierquälerei leider auch. Auf sozialen Plattformen werden Tiere oft aufwendig inszeniert oder angeblich spektakulär „gerettet“.

Sie sind ein Garant für Klicks: Kleine Katzen mit blauen Kulleraugen, pummelige Möpse oder Igelbabys, von Hand gefüttert, verleiten täglich Millionen zu Klicks und Likes. Plattformen wie Tiktok, Instagram oder Facebook sind voll von Bildern und Videos von Hunden, Katzen, Pferden und sonstigen Tieren. Oft werden die Tiere dabei aufwendig in Szene gesetzt.

Daneben trenden im Netz auch Bilder von vermeintlich spektakulären Zucht-Schöpfungen. Pünktlich zu Halloween geisterten gerade die skurrilen „Bullycats“ durch die sozialen Medien: nackte, faltige Katzen mit krummen Beinen und alienhaftem Gesicht. Selbst Bilder von Faltohrkatzen mit Schlappohren finden sich immer wieder – obwohl die Rasse unter Experten als Qualzucht gilt. Wegen eines Knorpeldefektes können die Tiere oft vor Schmerzen kaum noch laufen. 

Tierschützer warnen vor Tierquälerei im Netz

Tierschutzorganisationen wie dem Deutschen Tierschutzbund ist vieles, was mit Tieren fürs Netz veranstaltet wird, ein Dorn im Auge: Zwar schaffen soziale Medien auch Aufmerksamkeit für Tiere in Not, etwa in Tierheimen. Doch wenn Katzen zu Halloween und Karneval in Kostüme gezwängt oder hoffnungslos überfütterte Bulldoggen als niedlich präsentiert werden, steht wohl eher die Selbstdarstellung ihrer Menschen im Vordergrund.

Katzen Studie10:39

Dass immer mehr Tier-Content im Netz landet, ist nicht zuletzt Teil eines Geschäftsmodells: Die Branche für Tier-Produkte heizt den Wettbewerb um besonders niedliche, lustige oder spektakuläre Bilder im Netz selbst an: „Petfluncer“, die ihre Blogs auf Facebook, Instagram, Tiktok und YouTube mit Tier-Inhalten füllen, gelten als wichtige Markenbotschafter für Tierfutter, Spielzeug, Versicherungen oder Pflegeprodukte für Hund oder Katze. Spezialisierte Agenturen vernetzen die Firmen mit Influencern, die dann schon mal eins der Produkte zusammen mit Hund oder ihrer Katze in die Kamera halten oder es lobend besprechen. Zusätzlich befeuert wird der Kampf um Fellnasen-Klicks durch Wettbewerbe wie die German Petfluencer Awards, die in der Kategorie Katzen und Hunde vergeben werden.

Katzen, die in Panik davonspringen

Viele Tierärzte sehen das wachsende Klick-Geschäft mit Tierbildern inzwischen kritisch: So forscht man an der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) Hannover seit Jahren zu Tierleid in sozialen Medien. Schon 2021 fanden sich bei einer TiHo-Recherche zahlreiche Videos im Netz, die harmlos wirkten, aber als „potenziell tierschutzrelevant“ eingestuft wurden, etwa weil sie schadenfroh vermeintliche „Missgeschicke“ von Tieren präsentierten oder Tiere vermenschlichten. Unter den Inhalten fanden sich auch sogenannte „Challenges“ mit Tieren, die weitere Nutzer zum Nachahmen animieren sollten. So geisterte vor einiger Zeit die „Gurken-Challenge“ durchs Netz: Katzen wurden gefilmt, wie sie in Panik davonsprangen, nachdem unbemerkt eine Gurke hinter ihnen platziert worden war. Vermutlich reagierten die Tiere auf das Gemüse wie auf eine potenziell tödliche Schlange. Purer Stress für sie, aber offenbar lustig für viele User und Userinnen.

Denn Tierleid im Netz wird oft nicht erkannt oder sogar verharmlost: Für eine neuere Studie der TiHo Hannover wurden kürzlich Tausende Nutzerinnen und Nutzer befragt. Praktisch alle konsumierten Tierbilder oder -videos auf sozialen Plattformen – doch nicht mal ein Drittel von ihnen bemerkte Tierquälerei auf Fotos oder in Filmen. Vor allem an Männern und an Menschen aus der Stadt ging das Tierleid im Netz anscheinend oft einfach vorbei.

An die Verursacher kommt man kaum heran

Als besonders schlimm kritisieren der Deutsche Tierschutzbund und die Welttierschutzgesellschaft gefakte „Tierrettungen“, bei denen Tiere erst heimlich gequält und anschließend – vor der Kamera – von scheinbar selbstlosen Menschen „gerettet“ werden. Dabei werden zum Beispiel Tiere aus Plastiktüten befreit, in die sie zuvor verschnürt wurden, oder aus Rohren oder Schlammlöchern gezogen, in die man sie extra gesetzt hatte. Oft werden Tiere für solche herzzerreißenden Inhalte sogar verletzt oder ausgehungert.

Bisher setzen die Betreiber sozialer Plattformen solchen Qualvideos offenbar wenig entgegen. Laut Studie der Tierärztlichen Hochschule sind quälerische Inhalte zwar in vielen Leitlinien verboten. Sie werden aber nicht konsequent gesperrt oder gelöscht. Zwar hat Youtube inzwischen seine Regen für gefälschte Rettungs-Videos verschärft. Und wer bei Instagram mit Begriffen wie „dolphinkiss“ oder „elephantride“ nach inszenierten Fotos mit wilden Tieren sucht, sieht erst mal den Warnhinweis, dass für solche Bilder oft Tiere missbraucht werden. Auffindbar sind viele Inhalte aber dennoch. Auch an die Verursacher der Tierquälerei kommt man kaum heran. Dank Anonymität im Netz und dem vielfachen Teilen und Verlinken von Material ist oft gar nicht mehr zu ermitteln, wer das Tier ursprünglich missbraucht und gefilmt hat.

Werden Tiere für Videos offensichtlich gequält oder in gefährliche Situationen gebracht, hilft wie bei allen illegalen Inhalten vermutlich nur eins: nicht teilen, nicht kommentieren – sondern melden. Entweder direkt bei den Plattformbetreibern oder, wenn der Verursacher nachvollziehbar ist, auch direkt bei der Polizei. Einen Leitfaden dazu gibt es bei der Welttierschutzgesellschaft.