Endspurt im Rennen um das Weiße Haus: Am Tag vor der US-Präsidentschaftswahl haben die Kontrahenten Kamala Harris und Donald Trump noch einmal mit aller Kraft um die Stimmen der letzten unentschiedenen Wähler geworben. Beide konzentrierten ihre Auftritte am Montag auf die wahlentscheidenden „Swing States“. Der Entscheidung wird historische Bedeutung beigemessen, da sie richtungsweisend für die Zukunft der US-Demokratie und die Außenpolitik der Supermacht sein wird.
Die beiden Kandidaten liegen in den Umfragen seit Wochen äußerst eng beieinander, so dass der Ausgang der Wahl völlig offen ist. Die 60-jährige Vizepräsidentin Harris will als erste Frau in der US-Geschichte das Weiße Haus erobern, der 78-jährige Ex-Präsident will nach seiner skandalträchtigen ersten Amtszeit (2017-2021) das politische Comeback schaffen.
Während die Demokratin Harris am Montag eine ganze Serie von Kundgebungen im Bundesstaat Pennsylvania absolvieren wollte, standen bei ihrem republikanischen Widersacher Trump Pennsylvania, North Carolina und Michigan auf dem Programm.
Trump bestritt bei seinem Auftritt in North Carolina, dass er aufgrund seiner dicht gedrängten Wahlkampftermine der vergangenen Wochen körperlich und geistig erschöpft sei. „Ich schlafe noch nicht mal. Ich habe 62 Tage ohne einen einzigen freien Tag absolviert“, sagte er.
Der Rechtspopulist heizt seit Wochen das politische Klima an, indem er wie vor vier Jahren unbelegte Wahlbetrugsvorwürfe verbreitet und somit erneut den Boden für massive Proteste seiner Anhänger bereitet. Die Harris-Kampagne ist „fest davon überzeugt“, dass sich Trump, ohne die korrekten Ergebnisse abzuwarten, vorzeitig zum Sieger der Wahl erklären wird.
Dies sei „ein Zeichen der Schwäche und der Angst zu verlieren“, sagte Harris-Sprecher Ian Sams. „Das wird nicht funktionieren.“ Angesichts der vielen vorzeitig abgegebenen Stimmen und des voraussichtlich extrem knappen Ausgangs der Wahl wird nicht damit gerechnet, dass das Ergebnis kurz nach Schließung der Wahllokale in der Nacht zum Mittwoch schon feststehen wird.
Harris wollte am Montag in den beiden größten Städten von Pennsylvania, Pittsburgh und Philadelphia, auftreten. In der Industriestadt Pittsburgh war auch ein Auftritt des Republikaners Trump vorgesehen. Zudem standen Kundgebungen in den Städten Raleigh in North Carolina und in Grand Rapids in Michigan auf seinem Programm.
Pennsylvania im Nordosten der USA gilt mit seinen 19 Wahlleuten als der Bundesstaat, den ein Kandidat für den Gesamtsieg unbedingt gewinnen muss. Der Präsident oder die Präsidentin wird in den USA indirekt durch ein Kollegium von 538 Wahlleuten gewählt, die von den einzelnen Bundesstaaten entsandt werden. Für den Sieg sind mindestens 270 dieser Wahlleute erforderlich.
Daher wird die Entscheidung voraussichtlich von den sieben sogenannten Swing States abhängen, in denen der Wahlausgang besonders knapp ist. Laut der jüngsten Umfrage der „New York Times“ und des Siena Instituts liegt Harris zwar in vier der sieben wichtigen Swing States vorn – in Pennsylvania verlor sie demnach allerdings an Zustimmung, so dass sie dort nun mit Trump gleichauf liegt.
Durch Frühwahl in den Wahllokalen oder per Briefwahl haben bereits mehr als 78 Millionen der insgesamt 244 Millionen wahlberechtigten US-Bürger ihre Stimme abgegeben. Das ist mehr als die Hälfte der bei der Wahl vor vier Jahren insgesamt abgegebenen Stimmen. Harris stimmte bereits per Briefwahl ab, Trump will am Wahltag in Florida seine Stimme abgeben.
Die US-Bürger entscheiden zwischen zwei Kandidaten, die für völlig entgegengesetzte politische Konzepte stehen. Harris wäre die erste Frau und Politikerin mit indisch-afroamerikanischen Wurzeln an der Spitze der Vereinigten Staaten. Sie steht mit beiden Beinen auf dem Boden der US-Verfassung und in der Tradition der US-Demokratie. Bei einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus befürchten viele, dass sich der Rechtspopulist über die Gewaltenteilung hinwegsetzen und damit der US-Demokratie schweren Schaden zufügen könnte.
In der Außenpolitik ist von Harris zu erwarten, dass sie am europafreundlichen Kurs des scheidenden Präsidenten Joe Biden festhält, während Trump den Nato-Beistandspakt wie auch die US-Militärhilfen für die Ukraine in Frage gestellt hat.
In der Hauptstadt Washington wurden die Sicherheitskräfte verstärkt, Kapitol und Weißes Haus sind mit Metallbarrieren gesichert. In mindestens zwei Bundesstaaten, Nevada im Westen und Washington im Nordwesten, wurden die Reservisten der Nationalgarde mobilisiert.
Vor vier Jahren hatte Trump nach seiner Wahlniederlage unhaltbare Betrugsvorwürfe erhoben – Washington erlebte daraufhin einen Gewaltexzess, als eine von Trump aufgestachelte Menge am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmte.