Mein Mann sitzt im Knast, früher hätte man das verschwiegen. Heute erobern Prison Wives das Netz, sie zeigen Hingabe, wahre Liebe und echte Nervenzusammenbrüche.
Nach „Trad Wives“ und dem „Stay at home girlfriend“ erobern nun die „Prison Wives“ TikTok und das Internet. Prison wives, also Frauen, deren Männer im Gefängnis sitzen, existieren als soziale Gruppe unabhängig von Sozialen Medien. Neu ist allerdings das stolze Bekenntnis, Partnerin eines Inhaftierten zu sein, wo man früher diesen Umstand lieber verschwiegen oder gleich mit einem langen Auslandsaufenthalt weg erklärt hätte.
Zentrales Moment im Leben eines Prison Wife ist der Besuch des Geliebten in der Haftanstalt. Entweder im allgemeinen Besucherbereich oder „High Class“ in einem individuellen Begegnungsraum. Manchmal liegt die Einrichtung in der Nachbarschaft, manchmal auf einem anderen Kontinent.
Dabei muss jedes „Prison Wife“ einen komplizierten Spagat absolvieren. Einerseits will sie möglichst sexy ausschauen, andererseits müssen die züchtigen Bekleidungsvorschriften eingehalten werden. Ist das Knie nicht bedeckt, endet der Besuch schneller als gedacht. Zu viel Po oder Brust ist auch nicht gut. Beim Make-up, dem Haar oder aufgespritzten Lippen oder Busen gibt es allerdings kein Limit. Dazu gibt es Tipps für nützliche Accessoires. Darunter eine durchsichtige Handtasche, sie erleichtert die Abfertigung.
Glamouröser Auftritt der Prison Wives
Ziel ist es auf jeden Fall, einen glamourösen Auftritt hinzulegen. Motto: Zu viel? Gibt’s nicht! Die Vorbereitung – Kleidung, Make-up und Frisur werden dokumentiert wie bei anderen Beauty Influencerinnen auch. Nur, dass danach nicht eine rauschende Clubnacht beginnt, sondern eine Reise mit Bus und Bahn in eine abgelegene Haftanstalt. Und natürlich geht es um Erotik. Stolz zeigt Chelsea die „Love Bites“ nach dem Treffen mit ihrem Mann. Ist Frau noch nicht im Status „Begegnungsraum“ angekommen, wird ebenso stolz der Rauswurf aus der Anstalt dokumentiert. Kleinliche Beamte, hat sie doch nur kurz die Oberweite geflashed.
Das Ganze ist nicht ohne Witz. Sie blickt gelangweilt in die Kamera, der Kommentar lautet: „Mein Schatz – sitzt fünf Jahre – belehrt mich seit einer Stunde über die richtige Lebensführung.“ Danielle versteckt die harten Seiten ihres Lebens nicht. Ihre Depressionen, ihre Angst und auch die Wut auf ihren Mann: „Ich feier allein in meinen Geburtstag hinein, weil mein Partner sich entschlossen hat, mal wieder ins Gefängnis zu gehen.“ Oder: „An alle meine HMP (His Majesty’s Prison Service) Mädchen, denkt dran, durchzuhalten an den harten Tagen.“
Viel an wahren Gefühlen
Es gibt auch Kritik daran, das Liebesleben mit einem Kriminellen zu verherrlichen, doch das kann den Trend nicht stoppen. Schließlich erlebt man hier die „wahre Liebe„, eine Beziehung, die schwersten Umständen trotzt. Kathie dokumentiert ihre Reise vom ersten Besuch bei ihrem „Danny“. Mit Namenstattoo, einer Kiste voller Liebesbriefe und ihrem Zusammenbruch, als sie sich in der Covidzeit zwei Jahre nicht sehen durften.
Dazu kommen kleine Absurditäten. Etwa wenn die Wohnung allmählich zu klein für die Menge an „Knastkunst“ wird. Die Dokumentation über billige China-Mode, die nur unförmig aber wenig sexy war. Das lebensgroße Papp-Abbild des Geliebten im Schlafzimmer. Oder Jess, die freudestrahlend mitten in der Nacht im Pyjama mit ihrem Kleinkind auf einem Parkplatz tanzt, nachdem sie entdeckt hat, dass ihr Mann von seiner Zelle aus den kargen Platz beobachten kann.