Ein 34-Jähriger wird durch Schüsse schwer verletzt – und bleibt querschnittsgelähmt. Nun beginnt der Prozess gegen die mutmaßlichen Schützen und einen Helfer. Die Tat ist wohl Teil einer Gewaltserie.

Weil sie im März 2023 einen 34-Jährigen im Stuttgarter Stadtteil Zuffenhausen angeschossen haben sollen, müssen sich zwei junge Männer ab heute (9.00 Uhr) vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Einem 21 Jahre alten Deutschen und einem 22 Jahre alten Deutschen wirft die Staatsanwaltschaft versuchten Mord vor. Sie sollen auf den 34 Jahre alten Mann mit türkischer Staatsangehörigkeit geschossen haben, um ihn zu töten. Durch die Kugeln sei der Mann an Beinen und Rumpf getroffen und lebensgefährlich verletzt worden, teilte die Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung mit. Laut Gericht erlitt der Mann dadurch eine dauerhafte Querschnittslähmung. 

Angeklagt ist zudem ein 21 Jahre alter Türke. Er muss sich wegen Strafvereitelung verantworten. Er soll nach der Tat die Waffe entsorgt haben, die der 22 Jahre alte mutmaßliche Schütze wohl illegal besessen hatte. Der Prozess findet vor einer Jugendkammer statt.

Die Schüsse werden der Gewaltserie zwischen zwei rivalisierenden Banden in der Region Stuttgart zugerechnet, die die Ermittler seit vielen Monaten beschäftigt. Die mutmaßlichen Täter ordnet die Staatsanwaltschaft der Gruppe aus dem Raum Esslingen zu, das Opfer soll eine Führungsperson der rivalisierenden Gruppe aus Zuffenhausen gewesen sein. 

Blutige Fehde zweier Gruppen im Raum Stuttgart

Die blutige Fehde der zwei gewaltbereiten, multiethnischen Gruppen – eine aus Esslingen und Ludwigsburg, die andere aus Göppingen und Stuttgart-Zuffenhausen – hatte die Region Stuttgart seit Mitte 2022 erschüttert. Immer wieder fielen Schüsse. Höhepunkt der Auseinandersetzungen war bislang der Anschlag mit einer Handgranate auf eine Trauergemeinde in Altbach (Kreis Esslingen). 

Nach einer früheren Schätzung des Landeskriminalamts (LKA) gehörten den Gruppen einst mehr als 500 junge Menschen als Unterstützer, Mitläufer oder auch Führungspersonal an. Die Motive hinter der Bandenkriminalität sind weiterhin schwer fassbar und von Tatverdächtigen ist kein Entgegenkommen zu erwarten. „Die Aussagebereitschaft tendiert gegen null“, sagte der Präsident des LKA, Andreas Stenger, kürzlich im Innenausschuss des baden-württembergischen Landtags in Stuttgart.

Aus seiner Sicht handelt es sich nicht um familiäre Clans oder um klassische Bandenkriminalität, sondern um ein neues und vorerst auch nicht einfach aus der Welt zu schaffendes Phänomen, das auf Dauer auch im LKA in einem gesonderten Bereich beobachtet werden muss. 

Gewalt eskaliert durch Ehrverletzungen

Die Gewalt sei nach zumeist wechselseitigen Ehrverletzungen eskaliert, es gehe um territoriale Machtansprüche und das Motto „Crime as a Lifestyle“ („Verbrechen als Lebensstil“), mit dem sich viele in den Gruppen stark identifizierten. In den vergangenen Monaten nahm die Zahl der zumeist blutigen Zwischenfälle in der Fehde allerdings deutlich ab. 

Aus Sicht von Innenminister Thomas Strobl sind die verfeindeten Gruppen nach Tausenden Kontrollen und Dutzenden Festnahmen in ihren Strukturen erschüttert worden. „Sie breiten sich nicht aus, sondern wir haben sie durch harte Schläge entscheidend geschwächt“, sagte der CDU-Minister jüngst im Innenausschuss.