Der Friedensnobelpreis für die japanischen Anti-Atomaktivisten Nihon Hidankyo stößt auf breite Zustimmung. Er erinnert aber auch daran, dass nukleare Abrüstung ferner denn je ist.

Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an die japanische Anti-Atomwaffenorganisation Nihon Hidankyo, in der sich Überlebende der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 engagieren.

Die Reaktionen auf die Wahl des Komitees fallen überwiegend positiv aus:

UN-Generalsekretär António Guterres

Der UN-Generalsekretär António Guterres ruft die internationale Gemeinschaft auf, diese „Werkzeuge des Todes“ aus der Welt zu schaffen. „Es ist Zeit für die führenden Staatenlenker, so weitsichtig zu sein wie die Hibakusha und die Atomwaffen als das anzusehen, was sie sind: Werkzeuge des Todes, die keinen Schutz und keine Sicherheit bieten“, hieß es weiter in der Erklärung. Die einzige Möglichkeit, die Bedrohung durch Atomwaffen zu beenden, bestehe darin, „sie gänzlich abzuschaffen“.

EIL Friedensnobelpreis

Bundeskanzler Olaf Scholz 

Auch die Bundesregierung mahnt nukleare Abrüstung an. Die Arbeit der Organisation erinnere daran, „dass wir alles daransetzen müssen, die Bedingungen für eine Welt ohne Nuklearwaffen zu schaffen“, schrieb der Sozialdemokrat Scholz (SPD) auf X. Er drückte Nihon Hidankyo seinen Glückwunsch aus.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“

„Einen wichtigen Beitrag dazu, dass der Einsatz der Atombomben bis heute tabu ist, tragen die „Hibakusha“, die Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Die Verdienste dieser Japaner für den Weltfrieden hat das norwegische Komitee nun mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt. 

Ähnlich wie die Überlebenden des Holocausts machen die Hibakusha das Unvorstellbare erfahrbar für die Nachgeborenen, für Schüler, Politiker, Diplomaten – und mahnen mit ihren sehr persönlichen Geschichten zum „Nie wieder“. Insofern könnte es in Zeiten, da in der Ukraine wie im Nahen Osten wieder Waffen regieren und in denen auch in Asien manch einer mit dem Säbel rasselt, kaum bessere Friedensnobelpreisträger geben als jene, die seit Jahrzehnten davor mahnen, wohin Krieg führen kann.“

STERN GEO Angriff auf Nagasaki

Sipri-Friedensforscher 

Der führende Friedensforscher Dan Smith hält die Kür der japanischen Organisation Nihon Hidankyo zum Friedensnobelpreisträger aus gleich drei Gründen für gelungen. Zum einen werde der Fokus auf die menschlichen Auswirkungen des Atomwaffengebrauchs gerichtet, zum anderen ein Schlaglicht auf die derzeitigen internationalen Beziehungen und Spannungen gerichtet, so der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri. Der dritte Aspekt seien die 80. Jahrestage der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki im kommenden Jahr. „Das bedeutet auch, dass wir es geschafft haben, seit fast 80 Jahren keine Atomwaffen einzusetzen“. Auch wenn das Tabu, nukleare Waffen nicht zu gebrauchen, mehr und mehr zu verschwinden drohe.

„Rhein-Neckar-Zeitung“ (Heidelberg) 

„Wer vom Frieden redet, wird hüben wie drüben zum Illusionisten gestempelt. Im politischen Raum und vor allem auf allen Fernsehkanälen kursiert die Kriegsrhetorik. Feinddenken statt Diplomatie. Schon der Freund eines „Feindes“ macht sich verdächtig. Sanktionen gelten als das zeitgemäße politische Allheilmittel. In dieser Gemengelage von Krieg und Feindschaft wirkt die Vergabe des diesjährigen Friedensnobelpreises an die Friedensorganisation Nihon Hidankyo wie der Weckruf aus einer völlig anderen, schon zurückliegenden Zeit. Er kommt genau im richtigen Moment. Er ist – anders als das von der Bundesaußenministerin interpretiert wird – eben nicht in erster Linie eine Mahnung an Russland (und Nordkorea). Er mahnt alle Staaten, die im Besitz von Atomwaffen sind oder danach streben, Einhalt zu gebieten. Auch die USA. Und auch Deutschland als Atombombenstandort.“

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock 

„Gerade in Zeiten, wo aggressive Mächte wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen, ist es umso wichtiger, dass die Welt insgesamt deutlich macht: Frieden bedeutet, dass solche Waffen niemals zum Einsatz kommen“, sagte die Grünen-Politikerin in Berlin. Sie spielte damit auf die Drohung von Wladimir Putin an, ohne ihn jedoch beim Namen zu nennen.

„Volksstimme“ (Magdeburg)

„Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Bewegung Nihon Hidankyo schreitet die Entwertung der einst hoch angesehenen Auszeichnung voran. Das hat nichts mit der verdienstvollen Tätigkeit der japanischen Organisation oder der Unfähigkeit des norwegischen Preiskomitees zu tun. In einer Welt, in der militärisches Gebahren und heiße Kriege das internationale Geschehen mehr und mehr dominieren, ist es verdammt schwer, allseits akzeptierte „Peacemaker“ zu finden. 

Nehmen wir den Kriegsherd Nahost: Da gab es 1995 berechtigt den Friedensnobelpreis für Jassir Arafat, Shimon Peres und Jitzchak Rabin. Wer kann das heute noch glauben? Klarer als diesmal könnte der Feigenblatt-Charakter des Friedensnobelpreises kaum sein: Nihon Hidankyo kämpft um eine atomwaffenfreie Welt. Ein hoffnungsloses Unterfangen: Diese ist bei iranischer und nordkoreanischer Nuklearrüstung und russischen Drohungen mit Atomwaffen gegen die Ukraine ferner denn je.“

„Ludwigsburger Kreiszeitung“

„Die Anti-Atomwaffen-Organisation Nihon Hidankyo aus Japan ist eine würdige Preisträgerin, die zu einem wichtigen Zeitpunkt geehrt wird: 80 Jahre ist es im kommenden Jahr her, dass die USA über den Städten Hiroshima und Nagasaki Atombomben abgeworfen haben. Unermüdlich erinnert Nihon Hidankyo an die Katastrophe und weist auf die Gefahren der atomaren Rüstung hin. Die Organisation hat den Opfern eine Stimme gegeben. Doch es ist absehbar, dass die letzten Überlebenden bald verstummt sein werden. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, den Kampf gegen nuklearen Wahnsinn zu unterstützen.“