stern-Kolumnist Nico Fried berichtet von der anderen Seite des Kolumnenschreibens. Warum Bürgergeldzahlungen und Artikel von Politikern nicht ausreichen.

Diesmal möchte ich die Kolumne über das Schreiben der Kolumne schreiben. Der Grund dafür liegt darin, dass mir in dieser Woche absolut nichts ein- oder aufgefallen ist, was mir für die Kolumne geeignet erschien. Deshalb habe ich darüber nachgedacht, dass ich kein Thema habe. Und so hatte ich plötzlich ein Thema.

Es ist nämlich nicht so, wie Sie vielleicht glauben mögen, dass ich im Laufe der Woche aus drei Ideen, die mir die Redaktion mit Hingabe gesammelt, gründlich recherchiert, historisch eingeordnet und fein säuberlich auf den Schreibtisch gelegt hat, einfach die schönste raussuche und dann mit leichter Hand ein paar Gedanken in die Tastatur streichle. Es ist vielmehr so, dass die Suche nach einem neuen Thema meistens in dem Moment beginnt, in dem die letzte Kolumne fertig ist. Das hört nie auf.

Diese Suche nach einem Thema ist mithin ein ständiger Begleiter durch die Woche. Und durch die nächste auch. Und so weiter. Die Suche sitzt auf ihrem Stammplatz in einer Nische meines Gehirns und wertet jedes Gespräch, jede Lektüre und jedes sonstige Erlebnis danach aus, ob es kolumnentauglich ist oder nicht. Diese Suche hat mir schon Wochenenden vermiest und den Schlaf geraubt, sie kennt nur die Kategorien brauchbar und unbrauchbar, sie rastert das ganze Leben in ja und nein. Am schlimmsten ist es, wenn ein Thema tauglich zu sein scheint, meine Gedanken dazu aber auch nach zwei Stunden krampfhaften Denkens nur für zweieinhalb Absätze reichen. Dann geht alles wieder von vorn los.

Gegenwind für Anschubfinanzierung 17.55

Ein Abriss der Woche

Nehmen Sie etwa den Artikel, den zwei Ministerpräsidenten und einer, der es werden will, gemeinsam zum Ukrainekrieg geschrieben haben. Michael Kretschmer, Dietmar Woidke und Mario Voigt veröffentlichten in der „FAZ“ einen Appell an die Bundesregierung, sich stärker sichtbar für einen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew einzusetzen. Dagegen wäre gar nichts einzuwenden, bestünde der eigentliche Zweck der Autoren nicht darin, sich bei Sahra Wagenknecht anzubiedern, auf deren Partei sie alle drei bei der Regierungsbildung angewiesen sind. Das steht in dem Artikel natürlich nicht drin, und trotzdem springt es einem beim Lesen geradezu entgegen.

Das Offensichtliche ist aber ein Feind der Kolumne. Wenn alles klar ist, gibt es nichts mehr zu sagen. Dann stirbt wieder ein Thema für die Kolumne. Das ist ähnlich, wenn man für eine Glosse eine lustige Begebenheit zum Thema macht. Über etwas Lustiges lustig zu schreiben geht fast immer schief. Glossen nur über ernste Themen.

Wo sind wir zwei diese Woche noch so vorbeigekommen, die Suche nach einem Thema und ich? Zum Beispiel bei den einmalig 1000 Euro, die künftig Bürgergeldempfänger zusätzlich bekommen sollen, sobald sie ein Jahr lang einem geregelten Job nachgegangen sind. Für viele ein Riesenaufreger, für mich nicht. Wenn es Leute motiviert, finde ich das eine gute Sache. Am Ende spart der Staat sogar dabei.

Widerspruch gab es dazu gleich aus der Union, zu der bekanntlich auch die CDU gehört, deren Chef Friedrich Merz gerade erst gefordert hatte, die Einstellung der Deutschen zu Arbeit und Wohlstand müsse sich ändern. Über das viele Geld, das er jenseits der Politik verdient hat, sagte Merz, dass er sich dafür nicht schäme: „Es ist nichts vom Himmel gefallen, ich habe dafür gearbeitet. Und ich habe auch vielleicht mehr gearbeitet als acht Stunden am Tag.“

Mehr als acht Stunden am Tag? Das klang für mich, als habe Friedrich Merz auch mal Kolumnen geschrieben.