Ungarn wirft Deutschlands Botschafterin Julia Gross Einmischung in interne Angelegenheiten vor. Die Äußerungen der Diplomatin lösen diplomatische Verstimmungen aus.

Nach Berichten über kritische Äußerungen zum Vorgehen der ungarischen Regierung hat Ungarn die deutsche Botschafterin in Budapest einbestellt. Julia Gross habe sich auf eine „schwerwiegende“ Art und Weise in interne ungarische Angelegenheiten eingemischt, teilte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto am Donnerstag im Onlinedienst Facebook mit.

„Wir erwarten von den Botschaftern, die in unserem Land dienen, in allen Fällen Respekt. Daher sind die Äußerungen der Botschafterin absolut unakzeptabel“, fügte er hinzu.

Grund für den Schritt seien Äußerungen der Diplomatin, Ungarn untergrabe das Vertrauen in seine EU- und Nato-Partner. Dies sei „inakzeptabel“ und ein Angriff auf die Souveränität Ungarns, sagte Szijjarto. Die Äußerungen fielen in einer Rede, die die Botschafterin am Mittwochabend zum Tag der Deutschen Einheit hielt. Es gebe eine „ganze Serie von Vorfällen, Theorien, Maßnahmen und Provokationen, die (…) Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit Ungarns aufkommen lassen“, sagte sie laut ungarischen Medienberichten.STERN PAID Kommentar Wahl Ungarn 11.50

Kritik an Viktor Orbans Vorgehen

Gross kritisierte den Berichten zufolge vor allem die Reisen des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban in die Ukraine, Russland, China und die USA, die Orban selbst als „Friedensmission“ bezeichnet hatte. Der Premier hatte mit seiner Reise gleich zu Beginn der ungarischen Ratspräsidentschaft am 1. Juli die EU-Partner massiv verärgert. Orban traf neben dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Ex-US-Präsident Donald Trump auch den chinesischen Staatschef Xi Jinping.

Gross soll zudem Ungarns Blockade der Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato als „Farce“ bezeichnet haben. Sie gehe davon aus, dass sich die ungarischen Wähler unabhängig von ihrer politischen Überzeugung zunehmend fragten, inwieweit ihre Regierung noch ihren Interessen diene und ihr Leben verbessere, sagte die Botschafterin den Berichten zufolge weiter.

„Ungarn befindet sich auf einem Weg, der es von seinen Freunden entfernt“, sagte Gross dabei vor Diplomaten und Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen. Ranghohe ungarische Regierungsvertreter waren bei der Rede nicht anwesend.

Schon länger Spannungen zwischen Deutschland und Ungarn

Bereits im Juli war die ungarische Absage eines Besuchs von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Budapest als Ausdruck der Spannungen zwischen Berlin und Budapest gewertet worden.

Ungarn hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne, doch die rechtspopulistische Regierung in Budapest agiert weitgehend isoliert. Mehrfach verzögerte Ungarn Hilfszahlungen an die Ukraine. Auch bei der EU-Kommission steht Orban wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit im Umgang mit Justiz, Wissenschaft und Medien in der Kritik. Erst am Donnerstag hatte die Brüsseler Behörde das Land deshalb erneut vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.