Mehr als 400 Partydrogen testete der Mediziner Gernot Rücker auf dem Fusion-Festival. Die Resonanz auf sein mobiles Testlabor überraschte selbst den erfahrenen Wissenschaftler.
„Wir sind förmlich überrannt worden“, sagt Gernot Rücker, Notfallmediziner und Wissenschaftler an der Universität Rostock. Kurz nachdem sein Team die mobile Drogentest-Container auf dem Gelände des Fusion-Festivals Anfang Juli geöffnet hatte, bildete sich davor eine 20 bis 30 Meter lange Schlange.
Mit so viel Interesse hatte die Testcrew nicht gerechnet. Obwohl die 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Schichtbetrieb an jedem der Festivaltage von 10 Uhr morgens bis 22 Uhr arbeiteten, mussten sie ihr ursprüngliches Konzept abändern.
Dr. Gernot Rücker leitet das Notfallausbildungszentrum der Unimedizin Rostock und klärt unter anderem auf großen Musikfestivals wie dem „Fusion“ deutschlandweit über Drogen und ihre Zusammensetzung auf. In diesem Jahr bot er den Fusion-Besuchern einen anonymen Drug-Check an, bei dem die Partydrogen innerhalb von kürzester Zeit analysiert wurden
© Julia Zoooi
Anfangs untersuchten die Wissenschaftler noch unterschiedliche Varianten von Drogen, die ihnen die Besucher in den Container brachten: Pulver, Pasten und Pillen. Später dann nur noch Pillen. Jede von ihnen wurde gewogen, auf den Zehntelmillimeter genau vermessen und abfotografiert. Anschließend wurde eine der Pillen mit einem Mörser pulverisiert und mit einem sogenannten Infrarotspektroskop die Inhaltsstoffe und deren Konzentrationen ermittelt. Etwa sechs Minuten dauert das Prozedere pro Probe.
„Das Verfahren ist denkbar einfach und effektiv“, sagt Rücker. Die Ergebnisse seien zwar nicht auf das Milligramm genau, aber für die Frage, ob eine Pille gefährliche Zusatzstoffe oder eine zu hohe Dosierung habe, völlig ausreichend. Zudem ist das Gerät nur so groß wie ein Schuhkarton und mit rund 60.000 Euro vergleichsweise günstig.
Partydrogen: Eine getestete Pille bietet Sicherheit für tausende Festival-Besucher
Sehr positiv: Gerade einmal 13 der 153 untersuchten Pillen enthielten eine gefährlich hohe Dosis an Wirkstoff. Fotos von diesen mit einem entsprechenden Warnhinweis hängten die Notfallspezialisten überall auf dem gesamten Festivalgelände auf. „Auf diese Weise erreichen wir hunderte oder tausende von Festivalgästen, die die gleichen Drogen gekauft haben“, sagt Rücker. Vorfälle mit überdosierten Drogen gab es während des Wochenendes nicht, freut sich der Notfallmediziner.
Laborleiterin Anja Gummesson untersucht Partydrogen von Festivalgästen auf gefährliche Substanzen. Doch zuerst werden die Drogen fotografiert und vermessen
© Julia Zoooi
Das Konzept sei also voll aufgegangen, meint Rücker. Und überzeugt offenbar auch die Veranstalter anderer Festivals. „Die wollen auch, dass wir dort mit einem Test-Container stehen.“ Alles, was die Sicherheit solcher Veranstaltungen weiter erhöht, sei sinnvoll. Allerdings ist noch unklar, wer die Kosten für die Drogentests trägt. Auf der Fusion war das die Universität Rostock, bei der Rücker und seine Mitarbeiter angestellt sind.
Rücker wünscht sich, dass solche Tests auf allen großen Festivals in Deutschland möglich werden, denn mindestens die Hälfte der Teilnehmer hätten Pillen mit Drogen dabei. „Solche Tests sind längst überfällig“, sagt Rücker. Doch dafür braucht es zunächst einmal eine offizielle Genehmigung des Bundeslandes und auch entsprechend geschultes Personal. Hohe Präzision bei den Messungen ist eine Grundvoraussetzung.
Friedliche Festivals gibt es nur ohne Alkohol
Dass sich auf diese Weise friedliche und sicherer Festivals etablieren können, davon ist Rücker überzeugt. Im Gegensatz zu vielen traditionellen Veranstaltungen, auf denen Unmengen an Alkohol konsumiert werden. Mit den entsprechend schlimmen Folgen wie Vergewaltigungen, Körperverletzungen und Autofahrten unter Alkoholeinfluss.
Der Mediziner hofft dabei auch auf ein Umdenken in der Gesellschaft: „Die breite Bevölkerung denkt ja, wer andere Drogen als Alkohol konsumiert, gehört zum Bodensatz der Gesellschaft.“ Aber wenn man beides vergleiche, würde schnell klar, dass wir einen falschen Blick darauf hätten. Mit reinem MDMA, dem Wirkstoff von Ecstasy, gibt es deutschlandweit deutlich unter zehn Todesfälle pro Jahr, beim Alkohol sind es 50.000. Klar gibt es auch mal eine Überdosis, aber das könne man schnell vor Ort behandeln. „Ansonsten ist Ecstasy eine der unproblematischsten Drogen überhaupt“, sagt Rücker.
Spaziergänger findet an Ostseestrand in Heiligenhafen 20 Kilogramm Kokain 15:08
„Die Politik muss sich fragen, welche Drogen immer noch verboten sein sollen, obwohl sie im Vergleich zu Alkohol keine Probleme verursachen“, appelliert Rücker. Im Gegenzug muss die Politik alles dafür tun, um das massive Alkoholproblem in den Griff zu bekommen. „Wir können uns als Gesellschaft so viel Alkoholkranke schlicht nicht leisten.“
Insgesamt testeten Rücker und seine Kolleginnen 446 Drogen, 1000 hätten es sein können, wenn sie noch mehr Kapazitäten gehabt hätten. Darunter waren 153 Pillen. Das Gute daran: Nur 13 der Pillen besaßen eine gefährlich hohe Drogenkonzentration. Das entsprach etwa 0.5 Prozent der untersuchten Proben.