Die einen können schon lesen, während die anderen noch damit kämpfen, sich mündlich auszudrücken – die Bandbreite bei den Schulanfängern ist groß. Einige warten noch ein Jahr mit dem Start.
Die Zahl der verspätet eingeschulten Jungen und Mädchen hat sich in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren erhöht. Im vorigen Schuljahr kamen 798 Kinder nach dem fristgemäßen Einschulungstermin in die Schule, wie aus einer Statistik des Bildungsministeriums hervorgeht. Das waren vier Prozent der insgesamt rund 19.800 neuen Erstklässler. Zehn Jahre zuvor hatte der Anteil der verspätet eingeschulten Kinder noch bei 2,3 Prozent gelegen.
Ein Anstieg war unter anderem in den Corona-Jahren zu beobachten. Im Schuljahr 2019/20 kamen noch 516 Jungen und Mädchen mit 7 statt mit 6 Jahren in die Schule, was einem Anteil von 2,8 Prozent entsprach. Ein Jahr später war der Anteil auf 3,6 Prozent gestiegen. Im Schuljahr 2021/22 und 2022/23 waren es dann jeweils 4,3 Prozent.
Schulpflicht wird auf Antrag in Einzelfällen verschoben
Das Bildungsministerium erklärte, in begründeten Einzelfällen könne die Schulpflicht um ein Jahr verschoben werden. Die Verschiebung könnten die Sorgeberechtigten über die Grundschule beim Landesschulamt beantragen. Die Grundschule führe mit den Sorgeberechtigten ein Beratungsgespräch und erarbeite eine Stellungnahme. Welche Gründe vor allem ausschlaggebend sind für die verspäteten Einschulungen, teilte das Bildungsministerium nicht mit und verwies auf die Schuleingangsuntersuchungen.
Thekla Mayerhofer, Vorstandsvorsitzende des Grundschulverbandes Sachsen-Anhalt, sagte, die verspätet eingeschulten Kinder hätten oft schon „jede Menge Diagnostik“ hinter sich. Das „Zurückstellen“ von Kindern sei nicht mehr einfach möglich.
Flexible Schuleingangsphase für unterschiedliches Lerntempo
In Sachsen-Anhalt gibt es seit vielen Jahren die sogenannte flexible Schuleingangsphase, die die Kinder je nach Lerntempo in ein, zwei oder drei Jahren absolvieren können. Statt in schuljahresübergreifenden Klassen würden die Kinder aber zumeist im Klassenverband unterrichtet und hätten das Gefühl des Sitzenbleibens, wenn sie ein Jahr länger für die Schuleingangsphase bräuchten als die meisten anderen.
Mayerhofer, die in Halle als Grundschullehrerin arbeitet, wies darauf hin, dass die Kinder in einer Klasse ohnehin altersmäßig bis zu einem Jahr auseinanderliegen. Da sei es logisch, dass nicht jedes Kind das Gleiche lernen könne. Mayerhofer hat sogar eine Idee, wie sich das System der Einschulungen reformieren ließe: Die Schulpflicht könnte mit dem sechsten Geburtstag greifen, zum folgenden Monat würde jedes Kind in die Schule kommen – ein sukzessiver Schulanfang quasi.
Vorzeitige Einschulungen seltener
Die allermeisten Mädchen und Jungen werden der Statistik zufolge fristgemäß eingeschult. Seltener als verspätete Einschulungen sind vorzeitige. Im vergangenen Schuljahr betraf das 249 Kinder. Das entsprach einem Anteil von etwa 1,2 Prozent.