Vor der Abstimmung im Europaparlament über eine zweite Amtszeit hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Kursänderung in der Verkehrs- und Klimapolitik angekündigt. In ihren am Donnerstag veröffentlichten politischen Leitlinien für die kommenden fünf Jahre kündigte die CDU-Politikerin eine „gezielte Änderung der Verordnung“ für das Verbrenner-Aus ab 2035 an. Zudem soll der Klimaschutz stärker am Prinzip der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet werden, wie es die Unionsparteien und die FDP fordern.

Von der Leyen sprach sich für eine Zulassung von synthetischen Kraftstoffen für Pkw, sogenannten E-Fuels, aus. Um die Klimaziele zu erreichen, sei „ein technologieneutraler Ansatz erforderlich“, betonte sie. Die Verordnung zum Verbrenner-Aus für Pkw enthält eine Revisionsklausel, die eine Überprüfung der Pläne im Jahr 2026 vorsieht. 

Vor allem die FDP hatte sich dafür eingesetzt, weiterhin Verbrenner-Motoren zuzulassen, die mit sogenannten E-Fuels betankt werden. Die Kommission müsste dafür einen Vorschlag für eine neue Fahrzeugkategorie machen, das könnte in einer zweiten Amtszeit von der Leyens nun passieren.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) begrüßte die Ankündigung. „Es war ein Irrweg, einseitig nur auf die Elektromobilität zu setzen“, erklärte er am Donnerstag. Er erwarte nun, dass sich von der Leyen in den kommenden Jahren „persönlich dafür einsetzt, Genehmigungsvorschriften für E-Fuels-only-Fahrzeuge zu schaffen“.

Mit Blick auf die Grünen versprach von der Leyen, an den grundsätzlichen Zielen ihres Vorzeige-Klimaschutzpakets Green Deal aus der vergangenen Legislaturperiode festzuhalten. Der Fokus liege aber „voll und ganz darauf, die richtigen Bedingungen für Unternehmen zu schaffen, um unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen“, heißt es dazu in von ihr veröffentlichten Leitlinien für das nächste Mandat. Vor allem ihre Europäische Volkspartei (EVP) hatte eine solche Neuausrichtung gefordert. 

Bis 2040 will von der Leyen den Treibhausgas-Ausstoß in der EU im Vergleich zu 1990 um 90 Prozent senken, ein Zwischenziel auf dem Weg zur geplanten Klimaneutralität bis 2050. Dafür will die Kommission den EU-Ländern in den kommenden Monaten einen Gesetzesvorschlag vorlegen.

Für Unternehmen kündigte von der Leyen ein Gesetzespaket für eine „saubere Industrie“ an, das unter anderem erneuerbare Energien fördern soll und so „dazu beiträgt, die Energiekosten zu senken“. „Wir alle wissen, dass strukturell hohe Energiepreise unsere Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen“, erklärte sie mit Blick auf die Unternehmen. Die Kommission werde zudem einen EU-Fonds einrichten, der weitere Förderungen für die Umstellung auf grüne Energien frei machen soll.

Auch für private Haushalte sollen die Energiekosten sinken. Von der Leyen will zudem für mehr bezahlbare Wohnungen sorgen und dafür erstmals einen eigenen EU-Kommissar einsetzen – eines der wenigen Zugeständnisse an das linke Lager im Europaparlament. „Europa befindet sich in einer Wohnungskrise, von der Menschen jeden Alters und Familien jeder Größe betroffen sind“, sagte von der Leyen in Straßburg.

Die CDU-Politikerin will außerdem die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft stützen, die jährlich Milliardenhilfen aus dem EU-Haushalt erhält. Nach den massiven Bauernprotesten in der ersten Jahreshälfte gegen Umweltauflagen aus Brüssel müsse die nächste Neuauflage der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) „das richtige Gleichgewicht“ herstellen. „Wir müssen den Landwirten ermöglichen, ihr Land ohne übermäßige Bürokratie zu bewirtschaften“, heißt es in von der Leyens politischen Leitlinien.

Die Abgeordneten im Europaparlament stimmen am frühen Nachmittag über eine zweite Amtszeit für von der Leyen ab. Wegen Abweichlern unter anderem in der eigenen Fraktion ist die 65-Jährige neben der Unterstützung ihrer Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokraten und Liberalen auch auf Stimmen von den Grünen angewiesen, sie dürfte zudem einige Stimmen aus dem Rechtsaußen-Lager bekommen.