Beim 40. Geburtstag des Flüchtlingsrates fordert die Vorsitzende Deery mehr Menschlichkeit in der Asylpolitik. Weil spricht von einem „Spannungsverhältnis“ zur Politik – und bekommt trotzdem Applaus.

Bei dem 40-jährigen Jubiläum des Flüchtlingsrates Niedersachsen hat dessen Vorsitzende Claire Deery von wachsenden Herausforderungen gesprochen und die politische Migrationsdebatte kritisiert. „Während wir in den Nachrichten hören, dass „Zurückweisungen“ die Lösung sein sollen, sehen wir täglich in der Praxis das Gegenteil“, sagte Deery beim Empfang in Hannover. Sie fordere mehr Menschlichkeit und weniger Bürokratie bei den Asylverfahren. 

Die Menschenrechtsorganisation war im Jahr 1984 als ein Zusammenschluss niedersächsischer Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen entstanden. Das Ziel: Gemeinsam für den Schutz und eine menschenwürdige Lebensperspektive von Flüchtlingen und Migranten mit prekärem Aufenthaltsrecht eintreten. 

Ministerpräsident: Flüchtlingsrat ist wichtiger Partner

Die aktuelle Debatte über Zuwanderung und Flüchtlingspolitik zeige jedoch, dass die Gesellschaft weiterhin vor großen Herausforderungen stehe, sagte die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion in Niedersachsen, Veronika Bode, in ihrer Rede. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach in seinem Grußwort von einem „Spannungsverhältnis“ zwischen Politik und Flüchtlingsrat, das aber sachlich begründet sei. Während der Flüchtlingsrat etwa Kirchenasyl für abgelehnte Asylbewerber unterstütze, müsse das Land bei ihnen die Rückführungen durchsetzen. 

Dennoch sehe er den Flüchtlingsrat als wichtigen Partner, betonte Weil. „Die Landesregierung wird sehr strikt bei ihrer Position bleiben und freut sich über jeden Verbündeten, der den weltoffenen Charakter unseres Landes Niedersachsen immer und immer wieder verteidigt“, erklärte er unter dem Applaus der Vertreter des Flüchtlingsrats. „Abschottung ist das schlechteste, was man in unserem Land insgesamt raten kann. Da sind wir absolut überzeugt.“

„Das ist nicht vorgesehen im Rechtsstaat“

Es sei Auftrag des Landes, denen, die Schutz bräuchten, auch Schutz zu gewähren, sagte Weil. Zum Auftrag gehöre aber auch, diejenigen, deren Schutzstatus nicht anerkannt wurde, in ihre Heimatländer zurückzuführen, stellte der SPD-Politiker klar. Eine deutliche Absage erteilte er den von CDU-Chef Friedrich Merz geforderten Zurückweisungen an der Grenze. In einem Rechtsstaat sei es schlicht nicht möglich, die Regeln für Geflüchtete probeweise auszusetzen. „Das ist nicht vorgesehen im Rechtsstaat“, sagte der Ministerpräsident.

Merz hatte vorgeschlagen, umfassende Zurückweisungen an den Grenzen für drei Monate zu testen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das als „europarechtlich sehr schwer umsetzbar“ abgelehnt. Die Union hatte sich daraufhin am Freitag aus den Gesprächen über einen gemeinsamen Kurs in der Migrationspolitik zurückgezogen.

Flüchtlingspreis ging an das Ökumenische Netzwerk Asyl

Der nach dem ehemaligen Vorsitzenden des Flüchtlingsrates Niedersachsen, Dr. Matthias Lange, benannte Fluchthilfepreis ging an das Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche in Niedersachsen und Bremen. Kirchenasyl sei für einige Flüchtlinge die letzte Chance, eine Abschiebung zu umgehen, hieß es zur Begründung. Der Staat toleriert in der Regel das Kirchenasyl. Allerdings ohne Rechtsanspruch. Die Behörden können von ihrem Zugriffsrecht Gebrauch machen, um Betroffene abzuschieben.