Brian Niccol ist mit großen Vorschusslorbeeren als neuer CEO bei Starbucks angetreten. Doch statt neuer Rezepte will er die Karte verschlanken – und dafür hat er gute Vorbilder.
Wenn eine einzelne Person den Markt um 26 Mrd. Dollar bewegt, zumal an einem Tag, dann muss sie wichtig sein. Brian Niccol ist es offenbar, denn sein Abgang von der Fastfood-Kette Chipotle zum Cafébetreiber Starbucks löste an der Börse ein mittelschweres Beben aus. Chipotle verlor an diesem Tag vor knapp einem Monat beinahe 5,7 Mrd. Dollar an Börsenwert, Starbucks gewann am gleichen Tag 21 Mrd. Dollar hinzu.
Brian Niccol wurde Mitte August als neuer Starbucks-CEO angekündigt.
© Mark Lennihan/AP Photo
Anleger stecken entsprechend viel Hoffnung in den Start von Niccol, der mit Chipotle eine der größten Erfolgsgeschichten an den US-Börsen schrieb. Und so werden sie auch mit großem Interesse verfolgt haben, was Niccol in sein nun veröffentlichtes 100-Tage-Programm für Starbucks geschrieben hat, seinem neuen Arbeiter, der unter dem früheren CEO Laxman Narasimhan in die Krise geraten ist. Im Kern ist Niccols Turnaround-Plan dabei denkbar einfach und lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Niccol will zurück zu den Wurzeln. Das, was Starbucks einst stark gemacht hat, soll der Weg in die Zukunft sein.
Diese Strategie, oder vielmehr der Leitsatz, den Niccol als offenen Brief an die Mitarbeiter versandte, war so erwartet worden. Niccol gilt als Produktmensch – er ist niemand, der allzu stoisch auf Zahlen oder Investoreninteressen schaut. Schon bei Chipotle hielt er es einfach, aber hochwertig. Kleine, simple Karte, dafür gute und gesunde Produkte – quasi ein Apple-Store als Restaurant. Und so ähnlich liest sich auch das, was Niccol nun bei Starbucks vorhat. Ein Kauf bei Starbucks fühle sich aktuell an wie ein Tauschgeschäft, schrieb Niccol. Geld gegen Kaffee. „Menüs können sich überwältigend anfühlen, das Produkt ist inkonsistent, die Wartezeit zu lang oder die Übergabe zu hektisch“, kritisierte er. Und schob gleich eine Spitze gegen seinen Vorgänger hinterher. „Uns eint das Gefühl, dass wir zu weit von unseren Wurzeln abgedriftet sind.“
Vorgänger entkernte Starbucks durch To-Go-Geschäft
Unter dem früheren CEO Narasimhan experimentierte Starbucks mit verschiedenen neuen Produkten, führte neue, extrem zuckerhaltige Getränke ein, die aber nur noch wenig mit dem ursprünglichen Produkt, nämlich Kaffee, zu tun hatten. Und Narasimhan setzte verstärkt auf das To-Go-Geschäft. Dafür baute er im großen Stil Drive-In-Stores auf und digitalisierte die Filialen. Das ging zwar auf den ersten Blick auf, und hat auch seine Vorteile – beispielsweise kürzere Wartezeiten durch digitale Vorbestellungen und kleinere Ladenflächen, die benötigt werden.
Doch es habe die Markenbindung geschwächt, meint Niccol. Genau diese Markenbindung war es aber, die der langjährige Starbucks-CEO Howard Schultz zur Maxime erklärt hatte, und durch die Starbucks zum Milliardenkonzern wurde. Denn, so sein Kalkül, Kaffee gebe es schließlich überall, wer aber zu Starbucks gehe, der kaufe ein Lifestyleprodukt. Für Niccol gehört dazu auch die Zeit, die eine Kundin oder ein Kunde im Café verbringt. Starbucks müsse wieder ein „Community Coffee House“ werden, so Niccol, ein Ort der Begegnung. Koffein-Zapfsäulen gebe es schließlich genug.
Viele Kundinnen und Kunden nahmen Starbucks zuletzt aber offenbar immer mehr so wahr. Als Ort, an dem Koffein ausgeschenkt wird. Das Unternehmen verzeichnete sinkende Umsätze in den vergangenen beiden Quartalen, was auch an den vergleichsweise hohen Preisen lag, die Starbucks aufruft. Nach jahrelangen Reallohnverlusten müssen viele Menschen sparen und greifen daher lieber zu günstigen Alternativen – wenn es eben nur um die Koffeinaufnahme geht und nicht um das Kaffee-Erlebnis.
Konzentrieren will sich Niccol dabei zunächst auf die USA, dem Sorgenkind des Konzerns und mit Abstand wichtigsten Markt. Hier sollen vor allem drei Bereiche gestärkt werden: Service in den frühen Morgenstunden, Ausbildung der Baristas und Marketing. „Wir müssen unsere Geschichte selbst erzählen und nicht andere definieren lassen, wer wir sind“, schrieb Niccol.
Neben den USA gebe es aber auch einen Fokus auf China und den Mittleren Osten. In China leidet Starbucks unter der allgemeinen Konsumschwäche, wobei Niccol auch eigene Fehler eingesteht. „Wir müssen den Wachstumspfad in China besser verstehen und unsere Stärken dort besser ausspielen.“ Im Mittleren Osten, wo Starbucks durch seine Israel-Unterstützung teilweise boykottiert wird, sieht Niccol zudem „enormes Wachstumspotenzial“.