Donald Trump verdankt sein Leben dem Secret Service. Oder ist die Leibwache schuld, dass es überhaupt so weit kam? Der stern hat den ehemaligen Agenten Jeffrey James gefragt. 

Mr. James, wie ist es, die wichtigste Person der Welt zu beschützen?
Nichts, was ich vorher oder nachher gemacht habe, kommt da auch nur annähernd heran. Aber der Druck war schon enorm. Ich habe gesehen, wie der Job Kollegen zerbrochen hat. Viele haben nach ein, zwei Jahren hingeschmissen.

Wie lange waren Sie beim Secret Service? 
22 Jahre, von 1996 bis 2018.

Da kommen so einige Präsidenten zusammen.
Das stimmt. Ich habe unter Clinton, Bush und Obama gedient.

Und Trump?
Und Trump.

Bio Jeffrey James Secret Service

War der einfach zu handhaben?
Ich fand es nie schwierig, mit ihm oder seinem Team zu arbeiten. Er ist ein großer Fan des Secret Service – was wir immer sehr geschätzt haben. Aber er war deutlich mehr in Bewegung als andere Präsidenten, die ich beschützt habe. Das war nicht immer einfach.

War es Ihnen egal, wer im Weißen Haus sitzt, für wen Sie im Fall der Fälle ihr Leben geben?
Völlig bedeutungslos. Unser Motto war: Ihr wählt sie, wir beschützen sie. Politik spielte für uns keine Rolle. Ob Republikaner oder Demokrat, Mann oder Frau: Wir taten alles, um das Amt zu schützen, nicht nur den Menschen.

Ex-Secret-Service-Agent über Trump-Attentat: „Ja, es gab ein Versagen“

Sprechen wir über das Attentat auf Donald Trump: Hat der Secret Service versagt?
Ja, es gab ein Versagen. An welcher Stelle, das werden die Untersuchungen zeigen.

Der Schütze Thomas Matthew Crooks lauerte nur rund 130 Meter vom Rednerpult entfernt. Für diesen äußeren Sicherheitsbereich war die lokale Polizei zuständig. Ein Fehler? 
Es ist üblich, dass der Secret Service lokale Kräfte in Anspruch nimmt. Für alles andere gibt es einfach nicht genug Agenten. 

Was unterscheidet Secret-Service-Agenten bei solchen Einsätzen von Polizisten?
Wenn ein normaler Polizist Schüsse hört, geht er in Deckung und erwidert das Feuer. Diesen Luxus haben wir nicht. Wir tun genau das Gegenteil. Wir stellen uns absichtlich in die Schussbahn, um den Präsidenten oder seine Familie zu schützen. Ob Fäuste, Messer oder Schusswaffe – das spielt keine Rolle.

Auf was haben Sie bei solchen Einsätzen besonders geachtet? 
Auf alles, wirklich alles, was irgendwie ungewöhnlich erscheint. Zum Beispiel waren es in Butler an dem Tag über 30 Grad. Wenn dann ein Typ einen dicken Trenchcoat trägt, ist das verdächtig. Oder wenn die Menge jubelt und eine einsame Person die Arme verschränkt. Oder wenn jemand dem Präsidenten den Rücken kehrt, wenn er in unmittelbarer Nähe Leuten die Hände schüttelt. Oder wenn…

…ein Mann mit Gewehr auf einem Dach liegt?
(Lacht nervös) Genau.

FS Donald Trump FS

Nun ist Trump einer der umstrittensten Politiker in der US-Geschichte. Hätte da nicht dicker aufgefahren werden müssen?
Die Sicherheitsstufe ist schon deutlich höher als bei einem „normalen“ Ehemaligen – schließlich ist er Kandidat. Ex-Präsidenten haben zum Beispiel gar keinen Anspruch auf Scharfschützen. Die hatte er, wie wir wissen.

„Die Agenten hätten ihn viel schneller da runter holen müssen“

Spulen wir etwas vor: Um 18.11 Uhr verstummte Trump mitten im Satz. Schüsse fielen. Er verschanzte sich hinter seinem Rednerpult – was ihm vermutlich das Leben rettete. Ein vom Secret Service antrainierter Instinkt?
In gewisser Weise. Das Podium an sich war nicht gepanzert. Diese Fahnenbrüstung, hinter die er sich duckte, aber schon. Das werden sie ihm gesagt haben.

Und dann nichts wie weg?
Genau. Wir briefen den Präsidenten: „Wenn wir weg müssen, dann achten Sie nicht darauf, wohin Sie gehen. Folgen Sie uns einfach. Bewegen Sie einfach Ihre Füße.“

Das hat nicht sonderlich gut funktioniert. Trump hatte genug Zeit, seine Schuhe zu suchen und sogar für ein paar ikonische Fotos. Hätten Sie das zugelassen?
Auf gar keinen Fall. Das kritisiere ich auch wirklich.

Was hätten Sie anders gemacht?
Am Anfang reagieren die Agenten genau richtig. Sie sind schnell da, werfen sich auf ihn, bilden eine „Mauer aus Fleisch“. Aber Sie haben natürlich Recht. Die Agenten hätten ihn viel schneller runter holen, hätten klarmachen müssen: „Ihre Schuhe sind uns jetzt völlig egal. Keine Zeit zum Posieren. Wir gehen, Ende.“

PAID Trump-Town-Parteitag 15:51

Sie hätten sich den Anweisungen des Präsidenten also widersetzt.
Ja. Das hat nichts mit fehlendem Respekt gegenüber Präsident Trump zu tun. In so einem Moment geht es um seine Sicherheit. Und nur darum. 

Immerhin war es am Ende ein Scharfschütze des Secret Service, der Crooks in Sekundenschnelle „neutralisierte“, wie es im Agentensprech heißt. Dürfen Sie nach eigenem Ermessen schießen?
Wir brauchen keine Genehmigung, um tödliche Gewalt anzuwenden. Das würde Zeit kosten, die wir in so einer Lage nicht haben.

Auch wenn ein Familienvater starb und zwei weitere Zuschauer schwer verletzt wurden: Trump wurde nur leicht verletzt. Ist das nicht ein Erfolg aus Sicht des Secret Service?
Nein, absolut nicht. Schon wenn jemand einen Kuchen auf den Präsidenten wirft, haben wir versagt. Wenn ein Präsident angeschossen wird – das ist das Albtraumszenario, das ultimative Scheitern für einen Secret-Service-Agenten.

Was macht so eine Erfahrung mit den Agenten?
Ich habe mit Kollegen gesprochen, die am Tag der Ermordung von Präsident Kennedy im Einsatz waren. Das war ein lebensveränderndes Ereignis für sie. Lebensverändernd, nicht karriereverändernd. Einige fingen an zu trinken, andere konnten es nicht mehr ertragen und quittierten den Dienst.

Was haben Sie gedacht, als Sie die Bilder des blutenden Trump sahen?
Mein erster Gedanke war: „Ich wünschte, ich wäre da gewesen.“ 

Ernsthaft? 
Ja. Vielleicht ist das eine Glaubensfrage im Secret Service. Dieses Verlangen, da zu sein, wo die Action ist, wo du helfen kannst. Das wird ein Teil von dir.

STERN C Kommentar US-Wahl 12:35

Ist die Bedrohung in den vergangenen Jahren größer geworden?
Mit Sicherheit. Das Traurige ist: Wir haben die Fähigkeit verloren, respektvoll zu widersprechen. Einfach mal zu sagen: „Hey, wir werden nie einer Meinung sein. Aber wir müssen uns deswegen nicht hassen.“ Das ist aber nur meine private Meinung.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Obwohl, eine letzte Frage: Was hat es mit Agenten und Sonnenbrillen auf sich?
(Lacht.). Ich schwöre Ihnen, einige Kollegen gehen mit den Dingern ins Bett. Aber von mir werden Sie nirgends ein Bild mit Sonnenbrille finden. Ich schaue Menschen gerne direkt in die Augen.