Immer wieder fordern die Kommunen in Sachsen-Anhalt mehr Geld vom Land. Jetzt kommt auch ein neuer Aspekt dazu: Weniger Kontrolle. Es geht um mehr Vertrauen.
Die Landkreise in Sachsen-Anhalt fordern neben einer besseren Finanzierung eine Reform der Verwaltung im Land. „Wir glauben, dass wir mit weniger Kontrolle und Überwachung klarkommen und wir fordern das Land auf, uns entgegenzukommen“, sagte der Präsident des Landkreistags Sachsen-Anhalt, Götz Ulrich (CDU) aus dem Burgenlandkreis. Dies sei ein grundlegender Politikwechsel, der wieder mehr Vertrauen in die Arbeit der Kommunen setze.
Es gebe mehr als 300 Berichtspflichten an das Landesverwaltungsamt, erläuterte der Landrat des Landkreises Wittenberg, Christian Tylsch (CDU). „Es werden unglaublich viele Runden gedreht, die absolut sinnfrei sind.“ Derzeit sei die Verwaltung mit Landkreisen, Landesverwaltungsamt und Ministerien dreifach gegliedert. Man müsse dazu kommen, die mittlere Ebene herauszunehmen. Es gehe nicht um eine Abschaffung des Landesverwaltungsamtes, sondern darum, Aufgaben entweder von den Landkreisen oder von dem Verwaltungsamt bearbeiten zu lassen.
Der Landkreistag nannte unter anderem die Organisation von Gesundheitsdiensten, Schulverwaltung oder Sozialämtern als Beispiele, in denen zu viel Kontrollinstanzen gebe. „Das wird nur funktionieren, wenn der Prozess von maximalem Vertrauen getragen ist“, sagte Tylsch. „Wir stehen ein Stück weit vor einer großen Zäsur, weil an allen Ecken und Enden spürbar ist, dass der Staat, so wie er bisher funktioniert hat, in Zukunft nicht mehr funktionieren wird.“
„Stehen vor einer großen Zäsur“
Landkreistagspräsident Ulrich sieht darin auch eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Jede Enttäuschung über lange Wartezeiten bei Behörden oder Probleme bei der Auszahlung von Sozialleistungen werde auf die Verwaltung und den Staat übertragen. „Deswegen ist es wichtig, dass wir vor Ort als funktionierende Verwaltung Teil der Lösung sind.“ Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) habe zugesagt, eine Reformkommission über den Vorschlag einer zweistufigen Verwaltung beraten zu lassen.
Darüber hinaus forderten die Landkreise eine bessere finanzielle Ausstattung vom Land. „Wir sind in einer absoluten Finanzkrise“, sagte Landrat Tylsch. Die Handlungsfähigkeit vor Ort sei gefährdet. Die Landkreise in Sachsen-Anhalt hätten im Jahr 2023 ein Haushaltsdefizit von 78 Millionen Euro verzeichnet. Das betreffe vor allem die Sozialausgaben sowie die Jugendhilfe. Für das laufende Jahr rechnen die Landkreise mit einem Defizit von rund 157 Millionen Euro.
Kritik an Prognosen der Landkreise: Defizite oft geringer
An diesen Berechnungen gibt es jedoch auch Kritik: Aus einer Aufstellung des Innenministeriums in Magdeburg geht hervor, dass es bei der Einschätzung der finanziellen Lage teils deutliche Abweichungen zwischen der Planung und dem tatsächlich erzielten Jahresergebnis gibt.
Demnach prognostizierten viele Landkreise in den vergangenen zehn Jahren häufiger einen negativen Abschluss, erzielten am Jahresende letztlich aber ein positives Ergebnis. Teilweise gab es Abweichungen in zweistelliger Millionenhöhe zwischen Plan und Ergebnis, so etwa mehrfach im Landkreis Harz, im Landkreis Anhalt-Bitterfeld und im Salzlandkreis.
Landkreistag: 2023 anders verlaufen als Vorjahre
Der Landkreistag bestätigte Abweichungen auf Anfrage. Dafür gebe es verschiedene Gründe, sagte Geschäftsführerin Ariane Berger. Ausgaben könnten etwa wegen nicht besetzter Stellen geringer ausfallen, teilweise würden Investitionen in Infrastrukturprojekte verschoben.
Doch Berger sagte auch, dass sich die Finanzsituation inzwischen verschärft habe. Sachsen-Anhalts Landräte hatten zuletzt sogar mit einem Ausstieg aus dem Deutschlandticket gedroht und eine Unterfinanzierung beklagt. Die Landesregierung treibe die Landkreise „weiter in den Schuldenturm“, hieß es.
Streit um Deutschlandticket
Aktuell sei dies allerdings nicht geplant, sagte der Landrat des Landkreises Stendal, Patrick Puhlmann (SPD). „Grundsätzlich sind wir alle dafür, dass es das Deutschlandticket weiter gibt.“ Es brauche aber schnellstmöglich Planungssicherheit, wie die Finanzierung und auch die genaue Höhe des Tickets im kommenden Jahr geregelt sein soll. Würden die Kosten etwa auf 69 Euro steigen, dann müssten die Landkreise ordentlich zuzahlen, sagte Puhlmann. „Dann wird das zu einem flächendeckenden Ausstieg führen.“ Es müsse vermieden werden, dass solche Entscheidungen erst kurz vor Jahresende getroffen würden.