Keime, Kunstfehler, überlastete Ärzte: Pro Jahr sterben 17.000 Menschen in Krankenhäusern durch vermeidbare Fehler. Experten kritisieren, Patientensicherheit habe keine Priorität.
In deutschen Krankenhäusern werden bis zu 680.000 Patienten jährlich Opfer von Behandlungsfehlern oder einer mangelnden Sorgfaltspflicht durch Ärzte und Pfleger. Aus diesem Grund sterben 17.000 Patienten pro Jahr. Das geht aus Berechnungen des Experten für Patientensicherheit und früheren Regierungsberaters, Matthias Schrappe, hervor. Sie liegen stern und RTL exklusiv vor. Meist handelt es sich demnach um Infektionen, die sich Patienten im Krankenhaus zuziehen oder um falsch dosierte oder verwechselte Medikamente.
Diese Zahlen bedeuten, dass jeder 27. Sterbefall in einer deutschen Klinik vermeidbar wäre. Das Statistische Bundesamt zählt laut jüngsten verfügbaren Daten (Jahr 2022) insgesamt 457.743 Sterbefälle in Krankenhäusern.
Das Bundesgesundheitsministerium bezeichnete Schrappes Berechnungen gegenüber stern und RTL als „wichtige Datengrundlage zur Weiterentwicklung der Patientensicherheit“. Der Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes, Stefan Gronemeyer, sagte, Schrappes Berechnungen seien „viel näher an der Realität“ als die Begutachtungszahlen der Ärztekammern und des Medizinisches Dienstes.
Behandlungsfehler in Krankenhäusern: Schrappe hat 241 Studien ausgewertet
Schrappe kritisierte, dass Behandlungsfehler in Deutschland – im Gegensatz zu anderen Ländern – nicht systematisch in einem Register erfasst werden. „Die Politik behandelt das Thema Patientensicherheit nicht als Priorität“, sagte er. Auch bei der Klinikreform, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach derzeit vorbereitet, „steht die Qualität der Behandlungen an deutschen Krankenhäusern nicht im Mittelpunkt“, sagte Schrappe. Seine Zahlen fußen auf aufwändigen Berechnungen, die er 2018 schon einmal vorgenommen hatte. Er hatte dafür 241 Studien ausgewertet.
Schrappe, Jahrgang 1955, Internist mit Schwerpunkt Infektiologie, war Vorstand und ärztlicher Direktor des Marburger Universitätsklinikums und später Direktor des Institutes für Patientensicherheit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er lehrte jahrzehntelang Qualitätsmanagement an mehreren Universitäten und beriet von 2005 bis 2011 die Bundesregierung als Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.