Roger Lewentz bestimmt seit Jahrzehnten in der rheinland-pfälzischen SPD die Regierungspolitik mit. Seine Bundespartei kritisiert der 61-Jährige jetzt deutlich. Er hat aber noch Hoffnung.

Der langjährige rheinland-pfälzische SPD-Chef Roger Lewentz hat die „Außendarstellung“ der drei Berliner Regierungsparteien deutlich kritisiert. „Es ist nur noch sehr schwer zu ertragen, wenn man auf der einen Seite selbst Teil und mitverantwortlich für eine gut funktionierende und gut für die Bevölkerung arbeitende Ampel ist, und die gleiche Konstellation auf Berliner Ebene nur durch Zank und Streit öffentlich wahrgenommen wird“, sagte Lewentz der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. 

„Das ist, wenn man die große Chance hat, Kanzlerpartei sein zu dürfen, wofür auch die rheinland-pfälzischen SPD-Mitglieder hart gekämpft haben, nur noch sehr schwer zu verstehen“, sagte Lewentz. „Es ist nicht nur Wunsch der gesamten Bevölkerung, dass die Bundesregierung liefert. Es ist auch Wunsch der SPD-Mitglieder, dass der Kanzler liefert“, betonte der scheidende Parteichef und langjährige Innenminister. „Wir wollen uns hinter einer Erfolgsperson vereinen – das ist noch zu schaffen, noch ist dieser Zug nicht endgültig abgefahren.“ 

Lewentz will sein Amt als Parteichef nach rund zwölf Jahren am 28. September beim Landesparteitag an Fraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler abgeben. 

Lewentz: Ampel im Land funktioniert mit Erfolgen für alle

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Ampel-Regierung in Rheinland-Pfalz sei bisher für alle drei Partner von Erfolg gekrönt gewesen, sagte Lewentz. Auch der Wechsel von Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu Alexander Schweitzer sei „breitest unterstützt worden“. Dies habe aber auch viel damit zu tun, dass Dreyer und Schweitzer immer „menschliche Noten in die Zusammenarbeit getragen haben“. Und auch die Parteispitzen träfen sich immer mal wieder außerhalb der Regierungsarbeit. 

Lewentz hält es für falsch, sich von anderen treiben zu lassen, „weder in der Inneren Sicherheit von der Union, noch von einem neuen Phänomen BSW, und schon gar nicht von der AfD“. „Ich glaube, wir sind in Rheinland-Pfalz deshalb so stark, weil wir den Takt vorgeben. Das funktioniert seit 1991“, sagte Lewentz, der seither in gestaltenden Funktionen der SPD-geführten Landesregierungen dabei ist. 

Lewentz: Bundes-SPD sollte sich nicht treiben lassen 

„Ich empfinde viele Dinge inzwischen als getrieben und das ist immer ein Fehler“, sagte er mit Blick auf die Politik der Bundes-SPD. Als Beispiel nannte Lewentz die Innere Sicherheit. „Es ist richtig, dass man Innere Sicherheit gemeinsam formuliert.“ Die Innenministerkonferenz der Länder habe aus guten Grund auch ein Einstimmigkeitsprinzip. „Deshalb kann man auch mit der größten Oppositionspartei reden.“

Lewentz erinnerte CDU-Bundeschef Friedrich Merz daran, dass der „Spruch“ seiner Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage 2015 war: „Wir schaffen das.“ In dem Jahr war Lewentz Vorsitzender der Innenministerkonferenz. „Und wir konnten diese Herausforderung bewältigen. Schaffen mussten es die Menschen auf den Straßen und Dörfern und wir in der Landesverantwortung für die Polizei.“ 

Lewentz kritisierte aber auch die Grünen und die FDP im Bund. Von den beiden kleinen Koalitionsparteien sei zu hören, dass sie keine Zukunft mit der Ampel mehr sähen, selbst wenn es rechnerisch reichen würde. „Solche Aussagen von Demokraten sind in der heutigen Zeit falsch.“

Lewentz wünscht sich mehr Ansprachen von Scholz

In den aktuellen Krisenzeiten wünsche er sich vom Kanzler häufiger eine Ansprache an die Nation, sagte Lewentz. Regierungserklärungen und Ansprachen dürfe man nicht unterschätzen. „Es gibt Leute, die wollen ein Stück weit eine Richtung vorgegeben bekommen. Manche Menschen wählen eine Regierung, sie übertragen den Gewählten die Verantwortung und erwarten, dass sie es gut machen.“

Das rheinland-pfälzische Erfolgsrezept der SPD „Nah bei de Leut´“ bedeute nicht, nur auf Volksfesten unterwegs, sondern „mit großen Ohren“ dabei zu sein. „Zu den Leuten gehen, Hinhören, Mitnehmen und in Politik umsetzen.“ Die Leute müssten überzeugt sein, dass ihnen die SPD etwas bringe. Dabei gehe es auch darum, die Erwartung zu erfüllen, dass jede Generation bessere Chancen habe als die vorherige. „Die Erwartung muss man erfüllen.“ 

Brandenburg-Wahl kann der SPD einen „Aufsatzpunkt“ bringen

Lewentz zeigte sich aber auch mit Teilen der SPD-Politik zufrieden, insbesondere der Haltung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. „Da ist Besonnenheit und ein Höchstmaß an Unterstützung das prägende Element. Beides ist richtig und gut. Das macht der Kanzler prima.“ Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Scholz „sind in der Frage ein gutes Gespann“. In dieser „entscheidenden Frage der europäischen Politik würde ich den beiden wirklich ein gutes Zeugnis ausstellen“. 

Bei der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September werde die SPD nach seiner Einschätzung deutlich besser abschneiden als derzeit bei den Umfragen im Bund. „Ich kenne Dietmar Woidke gut, und er ist wirklich Landesvater dort.“ Wenn die SPD als Sieger aus dieser Wahl herausgehe, „ist das eine beruhigende Plattform, wo dann die Bundespartei aber wirklich was draus machen muss“. Das wäre ein „Aufsatzpunkt“, der zeige, wenn man wie die Brandenburger SPD gut arbeite, dann bekomme auch die Sozialdemokratie Unterstützung. „Das ist auch für uns ganz wichtig, denn unmittelbar nach der Bundestagswahl geht für uns der Wahlkampf 2026 los“, sagte Lewentz mit Blick auf die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz.