Der Europäische Gerichtshof hat den Suchmaschinenanbieter Google zu 2,5 Milliarden Euro Wettbewerbsstrafe verdonnert. Es gibt aber keinen Grund zu feiern.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine Entscheidung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2017 bestätigt, wonach Google seine Marktmacht bei der Suche missbraucht. Es geht um den Preisvergleichsdienst „Google Shopping“. Google schob bei Suchanfragen die Ergebnisse seines Dienstes an oberste Stelle. Dieses Vergehen kostet den Online-Riesen nun 2,4 Milliarden Euro Wettbewerbsstrafe. Jawoll, jubeln die Kommentatoren! Hat es Brüssel dem Moloch endlich kräftig heimgezahlt!

Sind wir wirklich so naiv? Glauben wir tatsächlich, Google müsse die neutrale, digitale Verbraucherzentrale sein, bei News wie bei Produkten? Offenbar, denn sonst wären die 65.000 Suchanfragen pro Sekunde nicht erklärbar. Ohne Zweifel haben viele von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, natürlich erst einmal gegoogelt, was es mit dem Urteil gegen Google auf sich hat. 

Das Google-Urteil beschämt zur Kenntnis nehmen

Man sollte den Standpunkt des EuGH nicht beklatschen. Man sollte ihn beschämt zur Kenntnis nehmen. Denn das Problem ist nicht Google. Das Problem sind wir. Wir Verbraucherinnen und Verbraucher haben uns in den vergangenen Jahren entmündigen lassen. Wir haben unseren Verstand den digitalen Suchmaschinen geopfert, von denen wir naiverweise hoffen, dass sie klüger sind als wir. 

In Deutschland ist Google Shopping nur auf Platz sechs der beliebtesten Vergleichsportale. Davor liegen laut Statista Check24, Idealo, Billiger.de, Verivox und Günstiger.de. Wer glaubt, dass dort – im Gegensatz zu Google – aus reinem Altruismus Millionen von Produkten und Dienstleistungen verglichen werden, ist ein Narr. Überall geht es ums Geldverdienen durch Provisionen, sonst ließen sich die Portale nicht betreiben.

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So tauchen bei den Vergleichsportalen bestimmte Anbieter, die grundsätzlich keine Provisions-Deals abschließen, erst gar nicht auf. Beispiel: Wer eine Autoversicherung sucht, etwa bei Check24, Verivox und Co., findet die oft günstigste HUK24 erst gar nicht. Die Stiftung Warentest hat die Scheintransparenz solcher Portale oft gerügt. Das Bundeskartellamt moniert, dass die meisten Anbieter ihre Werbeversprechen nicht einhalten, sondern wie Makler agieren.

Fast alle Vergleichsportale agieren wie Makler

Noch unzuverlässiger sind Vergleichstest mancher Medien. Wer etwa „Die besten Drucker“ bei Google sucht, erhält als ersten Treffer einen Link zu einer Seite des Computermagazins „Chip“. Da werden sechs von angeblich 16 getesteten Druckern aufgelistet, mit „Testsieger“ und „Preistipp“-Urteil versehen. Darunter stehen die Links zu Amazon, um die Produkte mit einem Klick erwerben zu können. Immerhin macht „Chip“ deutlich, dass sie an jedem Verkauf verdienen. Inzwischen betreiben so ziemlich alle Verlage (auch der stern) solche „Affiliate“-Geschäfte. Das ist nicht verwerflich, denn je weniger Werbegeld und Vertriebseinnahmen in die klassischen Medien fließen, desto öfter müssen sie nach neuen Einnahmequellen suchen. Und diese Testberichte sind auch keinesfalls per se unseriös. Oft erhalten die Leserinnen und Leser gut aufbereitete Überblicke über Ausstattung und Leistung der Produkte. Trotzdem sollten wir nicht so tun, als wollte nur Google mit seiner Suche Geld verdienen. 

Es ist an der Zeit, dass wir Verbraucher uns neu sortieren. Wir sollten uns zurückbesinnen auf alte Fähigkeiten, die uns über Jahrhunderte geholfen haben, mit Vernunft zu konsumieren:

Wir sollten wieder an Fachverkäufer glauben. Sie haben durch Schulungen und Alltagserfahrungen oft eine gute Expertise. Und ein gutes Geschäft hat einen Ruf zu verlieren, das ist wahrer Verbraucherschutz. Also: ab in die stationären Läden, auch wenn es ein paar Euro mehr kostet.Wir sollten nicht weiter auf die analytische Kraft unserer Augen und Hände verzichten, sondern vor dem Kauf die Optik und Haptik der Produkte überprüfen. Auch hier heißt der Rat: Zurück in den Offline-Handel!Wir sollten wieder mehr auf starke, gute Markenware vertrauen. Das ist in weiten Teilen verloren gegangen, weil es nur um den Preis geht. Eine alte Weisheit lautet: Wer billig kauft, kauft zweimal.

Die Souveränität der Verbraucherinnen und Verbraucher wird also nicht wiederhergestellt, indem Brüssel Google eine Milliardenbuße aufdrückt. Sie kehrt nur zurück, wenn wir uns eingestehen, dass wir auf den Holzweg abbiegen, sobald wir uns nur noch auf Vergleichsportale verlassen. Oder um es mit Kant zu sagen: Nur so kommen wir aus unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit.