In einer Talkshow nannte ein umstrittener Historiker den Holocaust ein Versehen und Churchill den Bösewicht des Zweiten Weltkriegs. Elon Musk gefiel das – dann ruderte er zurück.
Es war eine klare Empfehlung: „Sehr interessant. Sehenswert“, postete Elon Musk zu einem Interview des ehemaligen Fox-News-Moderatoren Tucker Carlson. Der hatte den seiner Beschreibung nach „besten und ehrlichsten Populär-Historiker der USA“ in seine Show eingeladen. Doch was Darryl Cooper zu sagen hatte, dürfte vor allem von Rechtsextremen beklatscht werden. Auch Elon Musk wurde offenbar später bewusst, was genau er da seinen fast 200 Millionen Followern empfohlen hatte.
Denn Cooper ist nicht irgendein Historiker. Mit seinem durchaus aufwendig recherchierten Geschichts-Podcast „MartyrMade“ und dem gleichnamigen Blog erreicht er Hunderttausende, die sich für seine teils überaus steilen Thesen zur Weltgeschichte interessieren. Auch bei Tucker Carlson hatte er gleich zwei davon im Gepäck: Der wahre Bösewicht des Zweiten Weltkriegs sei Winston Churchill gewesen, gab Cooper sich sicher. Und die Millionen Toten des Holocausts seien eher ein Versehen gewesen.
Holocaust-Relativierung und Churchill als Bösewicht
Vor allem letztere Aussage sorgt nachvollziehbarerweise für Entrüstung. Cooper lässt es so klingen, als seien die Konzentrationslager eher aus der Not heraus entstanden. „Sie haben 1941 einen Krieg begonnen, auf den sie nicht vorbereitet waren, mit Millionen Kriegsgefangenen, politischen Gefangenen“, behauptet er über die Nazionalsozialisten in Deutschland. „Sie hatten keinen Plan und warfen diese Menschen in Lager. Und Millionen von Menschen starben dort letztlich.“ Als seien die Millionen Opfer des Holocaust nur durch Missmanagement gestorben – und nicht systematisch als „Endlösung“ in Gaskammern und von Erschießungskommandos ermordet worden, wie ausführlich dokumentiert ist.
Auch den Krieg habe Adolf Hitler so nicht eskalieren lassen wollen, behauptet Cooper. Hitlers Invasion Polens sei erst durch das Eingreifen des britischen Premierministers Churchill zum Weltkrieg geworden. „Er war in erster Linie dafür verantwortlich, dass dieser Krieg zu dem wurde, was er war.“ Der Konflikt sei „von den Menschen, den Finanziers und dem Medienkomplex“ befeuert worden, die „eigene Gründe hatten, Churchill als Repräsentanten von England in diesem Krieg zu sehen“, so Cooper. „Man liest Geschichten, wie Churchill pleiteging und Geld brauchte – und sich von Leuten retten ließ, die sein Interesse am Zionismus teilten.“
Elon Musk rudert zurück
Was er da geteilt hatte, wurde Musk offenbar erst nach heftigem Gegenwind bewusst. Zahlreiche Medien bewerteten seinen Post als Zustimmung für die Verharmlosung des Nazi-Terrors, US-Investor Mark Cuban forderte Musk in einer Antwort auf den Beitrag auf, seinen Account zu löschen. „Das war mein Fehler. Ich habe nur einen Teil des Interviews gehört“, gestand Musk mittlerweile. Den Empfehlungs-Post hat er inzwischen gelöscht. In mehreren nachfolgenden Kommentaren stellte er klar, dass er Hitler und nicht Churchill als Bösewicht des Zweiten Weltkriegs sehe, auch wenn Churchills „grauenhafte Entscheidungen“ viele unnötige Todesopfer zur Folge gehabt hätten.
Gleichzeitig nutzte Musk seine Entschuldigung, um Werbung für Features von X zu machen: „Die Community-Anmerkungen gewinnen mal wieder“, gab er sich stolz über einen der Kommentare, der die Falschbehauptung Coopers gerade rückt, Hitler habe mit seinem „Appell an die Vernunft“ einen Krieg zu verhindern versucht – nachdem er nach Polen auch Frankreich angegriffen hatte. Auf die Aussagen zum Holocaust ging Musk interessanterweise nicht ein.FS Elon Musk 20.25
Dass Musk die Sendung empfahl, könnte schlicht wirtschaftliche Gründe gehabt haben: Seit Carlson bei seinem Haussender „Fox News“ gefeuert wurde, sendet er seine Show unter anderem bei X – und trägt so zu Musks Strategie bei, den früher als Twitter bekannten Kurznachrichtendienst als Gegenpol der klassischen Medien zu etablieren. Musk Posts könnte also einfach Werbung für einen seiner Stars gewesen sein – ohne sich näher damit befasst zu haben. Allerdings stellen Beobachter bei X seit der Übernahme durch den Techmilliardär eine deutliche Zunahme rechter Tendenzen fest, auch Musk selbst ist deutlich nach rechts gerutscht.
Nicht Coopers erste Ausfälligkeit
Dass Cooper durchaus fragwürdige Meinungen zu Hitler hat, hätte Musk auch vor seiner Empfehlung auffallen können – der Podcaster ist nämlich fleißiger X-Nutzer. Und er fällt immer wieder damit auf, den Diktator in positives Licht zu rücken. Nach dem Anschlag auf Donald Trump hatte Cooper sich an einem kryptischen Witz über den Attentäter versucht – und impliziert, dass Hitler entgegen allgemeiner Wahrnehmung vermutlich nicht in der Hölle gelandet wäre.
Auch der Vergleich mit Churchill ist nicht neu: „Franklin D. Roosevelt hat im Zweiten Weltkrieg die falsche Seite gewählt“, behauptete Cooper in einem mittlerweile gelöschten Twitter-Post schon im vergangenen Jahr über den US-Präsidenten, der sich auf der Seite Churchills gegen Hitler und dessen Verbündeten stellte.
Während der Olympischen Spiele in Paris machte Cooper klar, dass das kein Ausrutscher war. „Es mag manchen zu hart sein, aber das linke Bild ist in absolut jeder Hinsicht unendlich besser als das rechte“, schrieb er zu einer Aufnahme der umstrittenen Drag-Aufführung bei der Eröffnungsfeier. Das rechte Bild zeigte die Drag-Show – das linke Hitlers Truppen unter dem Eiffelturm.
Quellen: X, The Atlantic, Independent, Jerusalem Post, Substack