Funde auf Richtstätten belegen, wie die Todesstrafe im Mittelalter und der Neuzeit vollzogen wurde. Dabei kommt es zu Erkenntnissen, die mitunter kaum schriftlich überliefert wurden.

Archäologen haben auf dem ehemaligen Galgenberg in Quedlinburg (Landkreis Harz) eine seltene Körperbestattung in einem hölzernen Sarg entdeckt. „Diese vergleichsweise würdevolle Bestattung im Bereich einer Richtstätte deutet eher auf eine Selbsttötung als auf eine Hinrichtung hin“, sagte Archäologin Marita Genesis vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Halle. „Das im Sarg auf dem Rücken liegende Skelett mit im Bauchbereich gefalteten Händen war sehr gut erhalten. Darüber hinaus wurde dem Toten möglicherweise eine Rosenkranzkette mitgegeben.“ Fragmente von Bernsteinperlen weisen darauf hin. Damals durften Menschen, die den Freitod wählten, nicht auf einem regulären Friedhof beerdigt werden.

Angst vor Wiedergänger auf der Richtstätte

Bei einem weiteren Fund war ein Mann auf dem Rücken liegend auf der Richtstätte begraben worden. Auf dem Brustbereich des Mannes lagen große Steine. Möglicherweise handelte es sich um ein sogenanntes „Wiedergängergrab“. Aus Angst vor der Rückkehr des Toten wurde sein Leichnam beschwert und somit im Grab gebunden.

Die Hinrichtungsstätte wurde vom Scharfrichter und seinen Gesellen regelmäßig beräumt. Diese Vorgänge sind eindeutig im archäologischen Befund nachweisbar. In Knochengruben stapelten sich die durch Verwesungsprozesse abgetrennten Körperteile der Gehängten oder Geräderten als Skelettreste wahllos nebeneinander und aufeinander in mehreren Schichten.

Neben menschlichen Überresten wurden auch Kleidungsreste wie Knöpfe und Schnallen, sowie Keramikfragmente gefunden. „Das deutet darauf hin, dass nicht alle Verurteilten in einem Büßerhemd getötet wurden, sondern mitunter in ihrer Alltagskleidung zur Richtstätte geführt wurden“, sagte Genesis.

Rechtsgeschichte wird durch Funde erforscht

„Die Erforschung der Rechtsgeschichte wird noch immer in den großen Städten fast ausschließlich durch schriftliche Quellen getragen. Die archäologische Erfassung der Richtplätze, von denen es noch mehrere Tausend unberührt im Boden geben dürfte, korrigiert das Bild der Urteilsvollstreckungen erheblich“, sagte Genesis. „Insbesondere die tatsächlichen angewandten Todesstrafen und die angetroffenen Daten zur Alters- und Geschlechterdifferenzierung lassen ein völlig neues Bild tatsächlicher Urteilsvollstreckungen auf den Richtplätzen des Mittelalters und der Neuzeit entstehen.“

Historisch nachweisbar ist der Galgen auf dem ehemaligen Galgenberg am heutigen Lehofsweg seit 1662. Der Galgen wurde mehrfach erneuert. Die Galgenanlage aus drei Pfosten konnte vier bis sieben Meter lang sein, sodass gleichzeitig mehrere Verurteilte gehängt werden konnten. Die Todesstrafe wurde in Quedlinburg bis 1809 öffentlich vollzogen.