Als Sänger der Heavy-Metal-Band Judas Priest, der seine Homosexualität lange geheim hielt, hat Rob Halford viel zu erzählen. Nach seiner Autobiografie legt er jetzt eine „Bibel des Heavy Metal“ vor.

Mit der echten Bibel kann Rob Halford nicht viel anfangen. Der Sänger der Heavy-Metal-Ikonen Judas Priest hält sie für langweilig. „Mir gefällt allerdings die Vorstellung eines Buches, das alles Wissen zusammenträgt, das ein Mensch im Laufe des Lebens gesammelt hat, eine Art Leitfaden seiner Welterkenntnis“, schreibt der 72-Jährige im Vorwort zu seinem zweiten Buch.

„Die Bibel des Heavy Metal – Rob Halfords heilige Schriften“ ist jetzt in deutscher Sprache erschienen. „Ich nehme mir wirklich viele Freiheiten mit der Heiligen Bibel heraus“, bekennt Halford im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur und grinst. „Ich bin mir sicher, dass Gott nichts dagegen hat.“

Der Sänger mit dem grauen Methusalem-Bart trägt eine Sonnenbrille. Er ist aus dem sonnigen Phoenix/Arizona via Zoom zugeschaltet, seinem zweiten Wohnsitz neben seiner englischen Heimatstadt Walsall bei Birmingham. In diesem Jahr hat er mit Judas Priest das 18. Studioalbum „Invincible Shield“ veröffentlicht. Aktuell macht die Band ein paar Wochen Pause von ihrer ausgedehnten Welt-Tournee. „Ich komme gerade aus Istanbul“, erzählt er bestens gelaunt. „Weißt du, wie sich Jetlag anfühlt?“

„Metal-Gott“ plaudert aus dem Nähkästchen

Mit seiner schonungslos offenen Autobiografie „Ich bekenne“ („Confess“) hatte der Rock-Veteran, der von seinen Fans „Metal-Gott“ genannt wird, 2020 für Aufsehen gesorgt. Sein literarisches Zweitwerk, das erneut mit Co-Autor Ian Gittins entstand, ist eine Ansammlung von Anekdoten aus seiner langen Karriere auf fast 300 Seiten.

Es geht um „die vielen Hindernisse, die auftauchen, wenn man in der Unterhaltungsbranche erfolgreich sein will“. Die Kapitel drehen sich um frühe Bands, Lehr- und Wanderjahre, Bandmitglieder, Manager und Anwälte. Es geht um Songwriting, Riffs und Albumcover, um Tourneen, Roadies und sogar Catering. Nach über 50 Jahren im Musikgeschäft hat Halford zu allem etwas zu erzählen.

„Da es keine Autobiografie ist, mussten wir nicht wirklich darüber nachdenken, was zum Beispiel 1982 passiert ist“, sagt er. „Es gab nur verschiedene Referenzen. 1978 hast du hinten im Van geschlafen, 2022 bist du im Ritz Carlton.“ Halford lacht. „Das ist der Unterschied. Das ist der spaßige Teil an dieser beruflichen Laufbahn.“

Aufräumen mit alten Gerüchten

Ganz nebenbei räumt Halford, der 1998 seine Homosexualität öffentlich gemacht hatte, mit einigen hartnäckigen Gerüchten auf. Immer wieder heißt es, die Leder- und Nietenkleidung seiner Band sei „ein schwules Statement“ gewesen, eine Vermutung, die laut Halford nur von heterosexuellen Vertretern der Rock’n’Roll-Branche stammen kann.

„Als ich mich geoutet habe, kamen die Leute und meinten: „Oh, wir wussten, dass er schwul ist, weil er sich so anzieht.“ Achso? Weil einer Leder anzieht, ist er automatisch schwul?“ Er lacht. „Das kommt vermutlich durch Stereotype von Menschen, die schwule Kultur nicht verstehen. Ich habe es früher gesagt, und ich sage es jetzt: Als ich das erste Mal die Lederjacke angezogen hatte, wusste ich: Das ist der Look, das ist die Identität.“

Hadern mit der eigenen Sexualität

Hingegen sang er in dem Judas-Priest-Song „Raw Deal“ auf dem Album „Sin After Sin“ von 1977 über den Besuch in einem Schwulenclub in New York. „Es geht auch ein wenig darum, dass ich mit meiner sexuellen Identität haderte“, erzählt Halford. Weder Bandkollegen noch Fans oder Presse hätten damals bemerkt, worum es in dem Song ging. „Keine Ahnung, wie das passiert ist“, sagt der Sänger und betont, er habe keine Agenda gehabt. „Es war einfach ein Text, der so rauskam.“

Neben seiner lange geheim gehaltenen Homosexualität widmet er sich in seinem Buch anderen ernsten Themen. Er spricht über psychische Probleme und die Zeit, als er mit Alkohol- und Drogensucht kämpfte. Der 72-Jährige, der lange clean ist, versucht sich an einigen Erklärungen und plädiert dafür, dass Rockstars endlich offen über ihre Sorgen sprechen.

In seinem Buch wirkt es gelegentlich, als wolle sich Rob Halford rechtfertigen. So erklärt er, warum er Vorbehalte gegenüber Autogrammjägern hat und üblicherweise nur ein Autogramm pro Person gibt – denn einige verkaufen die Autogramme online – und lässt durchblicken, dass er es schätzt, wenn er gefragt wird, bevor man ein Selfie mit ihm macht, was offenbar nicht immer der Fall ist. Und das mit der Gästeliste bei Konzerten ist auch so eine Sache.

Kultsänger mit Hang zur Selbstironie

Halfords „Bibel des Heavy Metal“, die bereits vor zwei Jahren unter dem Titel „Biblical“ in englischer Sprache erschienen ist, bietet überwiegend unterhaltsamen, kurzweiligen Lesestoff für Judas-Priest- und Heavy-Metal-Fans. Halford, der bei Instagram regelmäßig mit witzigen Beiträgen amüsiert, beweist einmal mehr, dass er mehr als ein großartiger Rocksänger ist. Er ist ein Entertainer mit Witz und Selbstironie – und gilt zu Recht als Kultfigur seiner Zunft.

Der „Metal-Gott“, der sich selbst als spirituell bezeichnet, sieht übrigens Parallelen zwischen Religion und Musikleidenschaft. „So wie man sich zur Religion bekennt, bekannt man sich auch zu einer Band“, erklärt er. Es gäbe aber einen wesentlichen Unterschied: „Wenn du an Religion glaubst, dann glaubst du an eine Idee, an einen Gedanken. Es ist fast abstrakt, denn es existiert nicht in unserer Welt, sondern quasi in einer anderen Dimension. Mit Heavy Metal ist das anders.“