Die Weinberge im sächsischen Elbtal sind grün belaubt, die Rebstöcke haben nach dem Spätfrost neu ausgetrieben. Früchte aber sind je nach Lage rar – dafür könnte es Spitzenweine geben.
Trotz aller Bemühungen nach dem stundenlangen nächtlichen Frost im April ist 2024 kein gutes Jahr für den sächsischen Weinbau. „Aber jeder wird eine irgendwie kleine Ernte einfahren können“, sagt Felix Hößelbarth, Vorsitzender des Weinbauverbandes Sachsen. Die „grüne Laubwand“ der Weinberge im Elbtal täusche darüber hinweg, dass an den Rebstöcken „deutlich weniger Trauben als in normalen Jahren hängen“. Das betreffe auch Bereiche, die der Frost nicht erreichte oder die mittels Feuer geschützt wurden. „Unterm Strich gehen wir von einer sehr, sehr kleinen Ernte aus.“
Der Verbandschef rechnet damit, dass nur 20 bis 30 Prozent einer normalen Ernte in die Keller kommen. Und neben den Investitionen in Erhaltung und Pflege der Anlagen für die nächste Saison bedeute auch die Lese zusätzlichen Mehraufwand. „Es gibt eben Jahre, wo alles zusammenkommt: Spätfröste, dann zu kalte und nasse Witterung zur Blütezeit, das war für die Trauben, die gerade neu ausgetrieben haben, sehr ungünstig“, berichtet Hößelbarth. „Nur aus einem Teil der Blüten ist dann wirklich eine Beere geworden.“
Widrige Bedingungen auch nach dem Frost
Feuchtwarmes Wetter im Juni/Juli mit kleineren Hagelschlägen, eine „wahnsinnig zeitige“ Reife der ersten Beeren, Wespen- und Insektenfraß, „das ist alles nicht so, dass wir Juhu schreien“, beschreibt Hößelbarth die Stimmung in der Winzerschaft. Hoffnung macht, dass die Reben im Großteil der Weinberge genug Reservestoffe einlagern. Wenn nächstes Jahr nichts schiefgehe, könne die nächste wieder eine normale Saison werden. „Und wir haben das Glück, dass wir zwei große Ernten davor haben; jetzt ist die Kunst, wie wir damit über 2025 hinaus hinkommen.“ Mit einem verlangsamten Verkauf oder der früheren Abfüllung des nächsten Jahrgangs könne es gelingen, das entstehende Loch „elegant zu stopfen“.
„Die Pflege der Kulturlandschaft ist eine längerfristige Aufgabe und übersteht ein geringeres Ertragsjahr, wenn Winzerschaft, Gäste und Politik zusammenstehen“, sagt der Radebeuler Winzer Karl Friedrich Aust. Mit Feuer konnte er seinen Hausberg schützen und viel Kernfläche retten. „Dort haben wir gute Karten.“ Insgesamt geht er von 61 Prozent Schäden aus – und jede Woche, jeder Monat seien eine Herausforderung mehr, „bis zur Ernte“. Die Investition in Frostkerzen oder einige Meter Kohlen hat auch verhindert, dass Stöcke erfrieren und neugepflanzt werden muss. „Das wären drei weitere Jahre ohne Ertrag.“
Winzer Klaus Zimmerling in Dresden-Pillnitz indes ist ernüchtert angesichts von zwei bis vier Prozent seines üblichen Ertrags. „Es ist fast alles wieder grün geworden, man sieht die Rebstöcke, aber es ist nichts dran“, sagt er. Nur ganz oben in der Steillage bestehe eine kleine Chance für zehn Prozent. Ein Trost: „Wir freuen uns, dass wir brauchbares Holz zum Schneiden haben für nächste Saison und nicht ein weiteres Jahr verlieren.“ Um das für 2026 erwartete Defizit zu kompensieren, kauft er von einem Weingut in der Pfalz fertigen Flaschenwein. Andere Winzer setzen auf Trauben aus anderen Anbaugebieten „und kreieren damit neue und interessante Cuvées“, berichtet Kollege Aust.
Auch im Staatsweingut Schloss Wackerbarth hängen viel weniger Trauben als sonst, an geretteten und Nach-Trieben. „Es wird eine Weinlese geben, aber mit einer deutlich reduzierten Menge“, sagt Sprecher Martin Junge. Die Verluste seien je nach Lage und Rebsorte unterschiedlich. Auch die Staatswinzer sind nun sehr stark gefordert, mussten geschädigte Triebe zurückschneiden, und auch die verschiedenen Entwicklungsstadien der Trauben machen deutlich mehr Arbeit. Verschiedenen Generationen mit unterschiedlichen Reifezeitpunkten an den Rebstöcken erfordern mehrere Lesedurchgänge oder Selektion davor.
Frosthilfen von Land und Bund auch für Sachsens Winzer
Ende Mai hatte der Weinbauverband den Ertragsausfall wegen erfrorener Triebe im Elbtal mit rund 34 Millionen Euro beziffert. Je nach Lage und Rebsorte ging er von einem Verlust von 83 Prozent aus, vom Traubenanbau bis zur Weinherstellung und -vermarktung. Das sächsische Kabinett gab Anfang Juni bis zu 22 Millionen Euro Fördermittel für die großen Schäden im Obst- und Weinbau frei, die Antragstellung soll ab Ende September möglich sein, wie das Agrarministerium in Dresden auf Anfrage mitteilte. Auch der Bund will die betroffenen Bundesländer unterstützen und hat finanzielle Soforthilfe aus der Agrarreserve bei der EU-Kommission beantragt. Das Verfahren läuft noch – es geht um geschätzt mindestens 210 Millionen bis 254 Millionen Euro.
Hoffnung auf goldenen Herbst und guten Wein-Jahrgang
Nun hoffen alle auf einen goldenen Herbst. Die Trauben brauchen stabiles Hochdruckwetter, nicht zu heiß, aber sonnig, „und zwischendrin einen schönen Landregen“, heißt es unisono. Möglicherweise beginnt die Lese mit den ganz zeitigen Sorten schon in der letzten Augustwoche, sagt Hößelbarth. Die Frage sei noch, ob Trauben verschiedener Generationen zusammen oder in mehreren Durchgängen geerntet werden müssen. Wurde zuletzt von Anfang September bis in die zweite Hälfte Oktober gelesen, „könnte, Stand heute, alles 14 Tage eher sein.“
Die Winzer setzen darauf, dass 2024 zumindest qualitativ ein gutes Jahr wird. Bei stark reduzierten Erträgen kommen Sonne und Nährstoffe viel weniger Trauben zugute, sagt Hößelbarth. „Es würde uns mit diesem Jahrgang noch ein bisschen versöhnen, wenn wir ein paar Spitzenqualitäten erzeugen können.“
Karl Friedrich Aust berichtet, dass in den besten Lagen sogar Trauben rausgeschnitten werden müssen, „um die Qualität zu bekommen“. Diese Top-Früchte würden sehr behütet. 2009, als Frost von minus 29,5 Grad für einen nur halb so großen Verlust sorgte, habe es auch „Traumweine“ gegeben. Aber die Qualität zeige sich wie immer erst, „wenn der Most im Keller ist“.