Autos liegen wie Spielzeug im Vorgarten, Straßen sind nur noch Krater: Im Landkreis Kassel hat Starkregen eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Der Regen ist vorbei, die Arbeit fängt erst an.

Ein Unwetter mit Starkregen hat in der Nacht zu Freitag die Region nördlich von Kassel verwüstet. Gottsbüren, ein Ortsteil von Trendelburg, sieht am Morgen danach aus wie ein Trümmerfeld. Die Fluten haben Autos durch den Ort geworfen wie Spielzeug. Eine verschüttete Person und mehrere in Autos eingeschlossene Menschen seien gerettet worden, berichtete Bürgermeister Manuel Zeich (parteilos). Ein Feuerwehrmann sei im Einsatz leicht verletzt worden. Weitere Verletzte habe es nicht gegeben.

Trendelburg-Gottsbüren ist nach Angaben der Vize-Landrätin des Landkreises Kassel, Silke Engler (SPD), am stärksten betroffen. „Das Bild, das sich dort bietet, ist verheerend“, sagte sie in Trendelburg. Derzeit liefen die Aufräumarbeiten auf Hochtouren. „Wir haben schweres Gerät angefordert und auch bereits im Einsatz.“ Es werde das Wochenende brauchen, um überhaupt wieder ein wenig Ordnung zu schaffen. Das Ausmaß des Schadens war zunächst nicht absehbar.

„Wer vor Ort nichts zu suchen hat, soll wegbleiben“ 

Engler appellierte an die Menschen, nicht als Schaulustige in die betroffenen Orte zu kommen. „Die Menschen vor Ort haben genug mit sich selbst zu tun. Wer vor Ort nichts zu suchen hat, soll wegbleiben.“

Freiwillige Hilfe hingegen sei willkommen, sagte Zeich. Allerdings auch nur koordiniert. Wer sich anbieten wolle, möge sich bitte per E-Mail unter [email protected] an die Kommune wenden.

Ob Gebäude einsturzgefährdet sind, werde derzeit geprüft, so Zeich. Die evakuierten Bewohner würden bei Bedarf in einer Notunterkunft untergebracht. Wie viele Menschen evakuiert wurden, konnte Zeich zunächst nicht beziffern.

Schäden an Kreisklinik

In Hofgeismar (Kreis Kassel) sorgte der extreme Starkregen für Schäden an der Kreisklinik. Dort musste nach Angaben des Betriebsleiters Silvan Uick die Lüftung, die unter anderem die Operationssäle versorgt, abgeschaltet werden. „Infolgedessen sind auf unbestimmte Zeit keine Operationen möglich. Auch Entbindungen können wir derzeit nicht durchführen. Die Sicherheit unserer Patienten geht stets vor.“

Lediglich die Abteilungen für Innere Medizin sowie die Intensivstation könnten ihrem normalen Betrieb nachgehen. Die Notaufnahme sei für ernstere chirurgische Fälle gesperrt, sagte er. Es würden nur leichtere Fälle behandelt werden.

Innenminister Roman Poseck (CDU) sagte: „Dank des schnellen und koordinierten Handelns konnten die Rettungskräfte Schlimmeres verhindern. Es ist ihr Verdienst, dass offensichtlich keine Menschen zu Schaden gekommen sind.“

Anwohner fassungslos

Anwohnerin Christina Wiesmann-Günter steht fassungslos in ihrem Haus im Ortskern. Durch die Tür hinaus kann sie nicht: Drei Autos blockieren den Eingang, ein Kleinlaster wurde gegen die Hauswand gedrückt. Der Küchenboden ist mit Schlamm bedeckt, die Möbel wurden in den Garten gespült, von dem nicht mehr viel zu sehen ist. Das Wasser sei ohne Vorwarnung gekommen, sagt Wiesmann-Günter. Und dann super schnell gestiegen. 

Im ganzen Ort liegen Autos herum – sie blieben hängen, wo sich ein Widerstand fand: an Wänden, Zäunen, Geländern, und manche stapeln sich sogar verbeult zwischen Schlamm übereinander. Zwei Personen wurden in ihren Fahrzeugen vom Wasser eingeschlossen und dann mit einem Radlader befreit. Einsatzkräfte berichten, dass sie Menschen mit Booten aus Häusern gerettet haben.

Besonders stark betroffen sind neben Trendelburg auch Hofgeismar, Bad Karlshafen, Reinhardshagen und Wesertal. Überall liefen Keller und Erdgeschosse voll. 

Schon am Donnerstagabend hatte es zu regnen begonnen, in der Nacht sei „extremer Starkregen“ gekommen, sagte eine Sprecherin des Landkreises Kassel. Gegen Mitternacht spitzte sich die Lage zu, ein Krisenstab wurde eingerichtet. Rund 500 Einsatzkräfte waren die ganze Nacht im Einsatz, am Morgen wurden sie durch frische Kräfte ersetzt.

„Extrem heftiger Starkregen“

Laut Hessischem Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) wurden an der Station Hofgeismar-Beberbeck mehr als 90 Liter pro Quadratmeter Niederschlag gemessen. Lokal könnten es auch mehr als 150 Liter pro Quadratmeter gewesen sein. Erst am frühen Morgen gegen 5.30 Uhr lässt der „extrem heftige Starkregen“ nach. 

Blumenkübel, Heizöltanks und Bäume mitgerissen

In Gottsbüren reiht sich auf der Straße Krater an Krater, meterlange Risse durchziehen die Oberfläche. Die Fluten haben Mülleimer, Blumenkübel, Heizöltanks und Bäume mitgerissen. In Wülmersen wurde ein Flüssiggastank weggerissen. 

Sorgen bereitet zwischenzeitlich ein Staubecken in Hofgeismar-Hombressen. Es droht überzulaufen, die Lage ist nach Angaben des Landkreises aber stabil. In Gottsbüren wurden Trafo-Häuschen beschädigt, weswegen die Hälfte des Ortes keinen Strom hat.