Wladimir Putin empfängt den freigelassenen „Tiergarten-Mörder“ in Moskau mit einer Umarmung. Was steckt hinter diesem Ausdruck der besonderen Verbundenheit?    

An Umarmungen vor Flugzeugen herrschte am Donnerstag kein Mangel. In Washington etwa herzten US-Präsident Joe Biden und seine Vize Kamala Harris den heimgekehrten Evan Gershkovich sowie zwei weitere Amerikaner. Auch in Moskau landeten einige Staatsbürger. Ihr Empfang war etwas weniger innig, aber nicht weniger öffentlichkeitswirksam. Vor allem eine Umarmung hatte einen bitteren Beigeschmack: die von Wladimir Putin und Wadim Krasikow. Ersterer ist Kremlchef, letzterer der sogenannte „Tiergarten-Mörder“. 

Bauchschmerzen bei Freilassung von Wadim Krasikow

Der größte Gefangenenaustausch zwischen dem Westen und Russland seit dem Kalten Krieg ist mehr als eine Genugtuung für Russlands Präsidenten. Denn die inhaftierten Amerikaner und Deutschen saßen mutmaßlich überhaupt nur in russischen Gefängnissen, um sie gegen Mörder, Waffenhändler und Spione eintauschen zu können. Vor allem die Freilassung Krasikows bereitete der deutschen Regierung Bauchschmerzen, etwa Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die wohl erhebliche Bedenken hatte.

Der Auftragskiller hatte im Berliner Tiergarten vor ziemlich genau fünf Jahren einen Georgier namens Selimchan Changoschwili ermordet – mit mehreren Schüssen aus nächster Nähe. Das Opfer war im zweiten Tschetschenien-Krieg Milizkommandeur, kämpfte also gegen Russland und somit auch gegen Wladimir Putin. Politisch profitierte der Kremlchef von diesem als „Antiterroreinsatz“ bezeichneten Krieg. Zunächst als Regierungschef unter Präsident Boris Jelzin, kurz darauf dann als dessen Nachfolger. 

Krasikow ging der Polizei aus Zufall ins Netz

Changoschwili schlug sich nach Ende des Kriegs auf Seiten der Gegner Russlands, so soll er Informant für die Ukraine gewesen sein und auch für Amerikaner spioniert haben. In Deutschland lebte er offiziell als Asylbewerber. Das Attentat in der Hauptstadt war nicht der erste Versuch, ihn umzubringen, nur das erfolgreichste. Wadim Krasikow ging der Polizei schnell nach der Tat ins Netz, eher aus Zufall: Jugendliche hatten beobachtet, wie Krasikow ein Rad, ein Gewehr und eine Perücke in die Spree warf, woraufhin sie die Beamten informierten.

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Nach einigen Monaten war den deutschen Ermittlern klar, dass hinter der Ermordung des Georgiers die russische Regierung steht. Der Täter schwieg zwar, aber im fernen Moskau beschimpfte Kremlchef Putin das Opfer als „blutrünstigen und brutalen Menschen“. Krasikows Tat dagegen nannte er in späteren TV-Interviews „patriotisch“. Und so wurde er nun in Moskau auch empfangen. Persönlich vom Präsidenten, salutierende Ehrengarde inklusive.

Wladimir Putin: Verrätern dürfe man nicht verzeihen

In Putins Welt gibt es Feinde und Verräter. Erste würden zwar bekämpft, könnten aber durchaus seine Gunst zurückerlangen, wie er einmal in einem Radiointerview erläuterte. Letztere dagegen dürfe „man nicht verzeihen, denn sie werden einem in den Rücken fallen“. Damit das nicht passiert, wurde der FSB-Geheimdienstler beauftragt, sich um Changoschwili zu kümmern. Der FSB ist der russische Inlandsgeheimdienst.

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Das Schicksal von Wadim Krasikow lag Wladimir Putin schon länger am Herzen. Mehrfach soll es Versuche gegeben haben, ihn durch einen Gefangenendeal mit dem Westen nach Hause zu holen. 2022 soll es Versuche gegeben haben, die US-Basketballspielerin Brittney Griner gegen Krasikow zu tauchen. Griner war wegen des Besitzes von Cannabis zu neun Jahren Haft verurteilt. Sie kam letztlich im Austausch mit dem russischen Waffenhändler Wiktor But frei. Auch die Tauschvariante Krasikow gegen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny soll im Gespräch gewesen sein.

Gefangenenaustausch wurde lange vorbereitet

Wladimir Putin hatte immer wieder deutlich gemacht, dass er den „Tiergarten-Mörder“ zurück haben will und auch den Preis genannt. Anfang des Jahres sprach er mit dem US-Moderator Tucker Carlson über einen möglichen Gefangenaustausch, etwas später berichtete er internationalen Nachrichtenagenturen über einen anstehenden Deal. Sein Geheimdienst sei mit den amerikanischen Kollegen in Kontakt, um die „Angelegenheit zu lösen“.

Fotostrecke Gefangenenaustausch Russland Westen 17:06

Nun hat Putin seinen Mann zurück. Kremlsprecher Dmitri Peskow räumt auch umgehend ein: „Krasikow ist ein Mitglied des FSB“. Und schon sprießen die Gerüchte, über den wahren Grund. Pure Loyalität unter Geheimdienstlern jedenfalls soll es nicht sein. Oder nicht allein. Die „Bild“ zitiert westliche Nachrichtendienstler, die behaupten, Krasikow verfüge über Informationen, die dem Kremlchef gefährlich werden könnten. Konkret gehe es um den Tod von Putins politischem Ziehvater zu Beginn seiner Karriere. Ob das was dran ist – leider völlig unklar. 

Quellen: DPA, AFP, AP, „Bild“, „Süddeutsche Zeitung„, TuckerCarlson.com