Auftritte grüner Spitzenpolitiker sind derart schlecht, dass man kaum glauben kann, dass diese Menschen freiwillig und hauptberuflich Politik machen. Haben die Grünen versagt?

Drei Talkshows mit den Grünen habe ich mir in Vorbereitung auf diese Kolumne angeschaut. Man kann es kaum anders sagen: Es war unterirdisch. Die erste mit der grünen Außenministerin Annalena Baerbock bei Caren Miosga, die zweite mit dem grünen Vizekanzler Robert Habeck bei Sandra Maischberger, die dritte mit der grünen Fraktionschefin Katharina Dröge bei Markus Lanz. Dazwischen mehrere Berichte über die Pressekonferenz mit dem Führungsduo der Grünen Jugend. Innenpolitik. Außenpolitik. Wirtschaftspolitik. Alles. Jeder einzelne Auftritt grüner Spitzenpolitiker war derart schlecht, dass man kaum glauben kann, dass diese Menschen freiwillig und hauptberuflich Politik machen.

Man muss wissen, dass Talkshows nicht zu meinen Lieblingsformaten gehören. Bis auf seltene Ausnahmen passiert dort immer dasselbe. Es treffen schlecht vorbereitete Moderatoren auf gut vorbereitete Politiker. Neuerdings geht es darum, dass man in den Sendungen ein instagramfähiges Statement platziert, dass der eigene Fanclub im Anschluss als „Reel“ in den sozialen Netzwerken teilen kann, um den jeweiligen Messias zu lobpreisen.

Lichte Momente, in denen ein wortgewaltiger Politiker ins Schleudern gerät oder gar ein gesellschaftlich relevanter Skandal aufgedeckt wird, lassen sich in solchen Sendungen nur in homöopathischer Dosis feststellen. Niemals werde ich vergessen, wie einmal Til Schweiger zur Sicherheitspolitik in Deutschland befragt wurde, weil er einen Tatort-Kommissar gespielt hat. Manchmal sitze ich selbst in solchen Sendungen, das schaue ich dann erst recht nicht.

Die Grünen kennen ihre eigenen Fakten nicht

Bei Miosga und Maischberger geht es darum, wie die Grünen ihren Vorschlag, Sozialabgaben auf Kapitalerträge einzuführen, durchsetzen wollen. Gefragt sind Zahlen, Daten, Fakten, präzise Antworten darauf, wer in welcher Höhe belastet wird. Nichts Unerwartetes. Nichts, worauf man sich nicht hätte vorbereiten können. Baerbock antwortet, es sei irgendwie kompliziert. Und Habeck sagt: „Wie wir es dann im Detail machen, das können wir uns dann später überlegen.“ Man muss sich das vergegenwärtigen: Der Mann ist Vizekanzler. Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich in einem wirtschaftlichen Abwärtsstrudel, und der seit drei Jahren regierende Vizekanzler will sich die genaue Ausgestaltung eines von ihm selbst eingebrachten Vorschlags „später überlegen“, weil er gerade nicht weiß, wie man es „im Detail“ macht. Hätte ich in meiner Examensprüfung derart rumgeeiert, wäre ich krachend durchgefallen. Und zwar zu Recht.

Anpalagan Faule Deutsche Kolumne 18.22

Bei Lanz soll Katharina Dröge erklären, warum wieder einmal ein ausreisepflichtiger Afghane wieder einmal mit einem Messer wieder einmal Menschen töten konnte. Lanz wirkt aufrichtig interessiert und stellt durchweg verständliche und kritische Fragen. Dröge könnte klug antworten. Emphatisch und entschlossen, ohne ins Populistische oder Polemische abzugleiten. Sie könnte anmahnen, dass diese Taten zu häufig passieren, dass Polizei und Nachrichtendienste besser vernetzt sein müssen, dass es Vollzugsdefizite gibt, dass es bessere Lösungen braucht für ausreisepflichtige Ausländer und klügere Verfahren bei psychisch labilen Personen. Sie könnte darauf aufmerksam machen, dass Deutschland im Vergleich zur vorherrschenden Berichterstattung in den vergangenen 30 Jahren sicherer geworden ist und dass Verfassung und europäisches Recht verhindern, was man am rechten Rand fordert. All das. Oder irgendetwas davon. 

Der neben Dröge sitzende Wolfgang Kubicki wirkt im Vergleich ausgeruht und aufgeräumt. Er zeigt Anteilnahme und offenbart die außen- und innenpolitische Expertise, die es in einem solchen Gespräch benötigt. Es ist eine ruhige und ernste Auseinandersetzung, bei der, man kann es nicht anders sagen, der FDP-Politiker Kubicki der Grünen-Politikerin Dröge haushoch überlegen ist.

Man ist halt eine feministische Partei

Und dann die Pressekonferenz der Grünen Jugend. Es geht um den Fall Stefan Gelbhaar. Eine grüne Politikerin hat der Partei gegenüber behauptet, der Bundestagsabgeordnete Gelbhaar sei sexuell übergriffig. Der RBB nahm die Berichterstattung auf, Gelbhaar verlor daraufhin seine Nominierung als Direktkandidat für die Bundestagswahl und wurde als Frauenfeind geächtet. Nun stellt sich heraus, dass die Vorwürfe zumindest zum Teil erfunden waren, dass ein wohl unschuldiger Mann wegen einer politischen Intrige abgeschossen und kalt gestellt worden ist. Auf den Fall angesprochen erklärt die Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, allen Ernstes, dass die Unschuldsvermutung parteiintern nicht gelte. Man sei halt eine „feministische“ Partei, wo man Betroffenen glaube und „sich vor Betroffene stellt“. Angesichts der grassierenden Frauenfeindlichkeit in diesem Land und den täglich stattfindenden Tötungsversuchen gegenüber Frauen durch die Hand ihres Partners ist das eine ehrenwerte Haltung. Nur, was bedeutet das für eine politischen Organisation? Was passiert nun mit Gelbhaar, dem womöglich himmelschreiende Ungerechtigkeit geschehen ist? Ausgelöst durch eine Frau? Und warum nominiert eben jene unbeugsam feministisch-antirassistische Partei mit Robert Habeck ausgerechnet einen weißen Mann zum Kanzlerkandidaten? 

Anpalagan VW 18.05

Unbedacht. Unprofessionell. Unausgegoren wirken die Grünen. In Talkshows wie in der Regierungsverantwortung. Drei Jahre hatten die Grünen Zeit, ihre politische Vision zu entfalten. In einer Koalition, die man getrost als progressiv-liberal bezeichnen kann. Was ist geblieben von den vielen Ankündigungen und Wahlversprechen? Der große Wurf offensichtlich nicht. Deutschland hat die Klimaziele nicht erreicht, die Armut ist nicht gesunken, dafür sind Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Unsicherheit gestiegen. Es ist ja schön, dass Robert Habeck so nett in die Kamera lächeln kann. Aber wäre es nicht besser, er würde in der Zeit, in der er putzige Videos dreht, die Automobilindustrie auf Vordermann bringen? Oder den Dienstleistungssektor krisenfest machen

Regelmäßig sind die Grünen umgekippt angesichts konservativer Widerstände, haben sich innerhalb der eigenen Regierung erst von der SPD und anschließend von der FDP durch die Manege treiben lassen. Für harte linke Positionen waren sie in der Ampel nicht zu haben, gegen realpolitische Vereinnahmung verwehrten sie sich. Wozu also sollte man sie wählen? Für das gute Gefühl? Für den Anspruch auf Vielfalt? Der Bundesvorstand der Grünen ist so weiß, dass man eine Raufasertapete damit streichen könnte, nicht anders sieht es bei der Grünen Jugend aus. Die Vorfeldorganisationen der Grünen werden repräsentiert von weißen Frauen, die in Milliardärsfamilien groß geworden sind. Ernsthaft: Wen will diese Partei ansprechen? Für wen macht diese Partei Politik? Mit welcher Expertise und mit welchem Ziel? Die Bevölkerung hat kluge Antworten und eine gute politische Führung verdient. Angesichts der aktuellen Grünen sehe ich allerdings schwarz.