Mit weniger Baustellen mehr schaffen: Hamburgs Bürgermeister gibt das Ziel vor. Eine neue Strategie zur Baustellenkoordination soll für weniger Verkehrsbehinderungen sorgen.

Rot-Grün will die Infrastruktur in Hamburg künftig mit weniger Baustellen voranbringen und die Bürgerinnen und Bürger so von Verkehrsbehinderungen entlasten. Dazu wird in Abstimmung mit der Senatskanzlei in der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende derzeit ein neues Strategiepapier erarbeitet, wie Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) der Deutschen Presse-Agentur sagte. Ziel sei es, mit „weniger Baustellen mehr Volumen“ zu schaffen.

Hamburg stehe angesichts der Transformationsprozesse beim Ausbau der Infrastruktur vor großen Herausforderungen, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) der dpa. Straßen müssten instand gehalten, viele Brücken saniert oder neu gebaut werden, ebenso Versorgungsleitungen für Internet, Strom, Gas oder Wasserstoff und Wärme. Hinzu komme der Radverkehr- und der Schnellbahnausbau, der aufgrund seiner größtenteils offenen Bauweise noch für Jahre für Verkehrsbeeinträchtigungen sorgen werde.

„Hamburg-DNA“ soll Infrastrukturprojekte optimieren

Eine Vielzahl von Akteuren sei jeweils an den Projekten beteiligt. Um die Abläufe besser zu koordinieren und baustellenbedingte Behinderungen möglichst gering zu halten, müssten alle noch stärker an einem Strang ziehen, sagte Tjarks. „Wir brauchen eine Hamburg-DNA: Wir entscheiden gemeinsam, was wie in welcher Reihenfolge gemacht wird.“

Hinter dem, was so einfach klinge, stünden aber „unfassbar viele Geschäftsprozesse jedes einzelnen Unternehmens, die man quasi angleichen muss“. Nötig sei auch Bürokratieabbau; Ausschreibungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Vertragsgestaltungen mit den ausführenden Unternehmen würden unter die Lupe genommen.

Anreize für Baufirmen zur schnellen Fertigstellung

„Wir müssen die bestehenden Kooperationen zwischen Straßen- und Leitungsbau, wie sie beispielsweise beim Ausbau der Elbchaussee oder der Georg-Wilhelm-Straße gut funktioniert haben, noch viel intensiver leben“, sagte Tjarks. Für Baufirmen sollen Anreize geschaffen werden, früher fertig zu werden.

Bei der Vergabepraxis dürfe auch nicht nur der günstigste Preis eine Rolle spielen, „sondern eben auch – ich nenne es mal – das volkswirtschaftlich günstige Bauen“. Will heißen: Auch die Belastungen für Bürgerinnen und Bürger müssten in die Kalkulation einbezogen werden.

Zudem soll die Kommunikation mit den Bürgern verbessert werden. „Die allermeisten Menschen lieben das Ergebnis von Baustellen, nämlich den neuen Zustand. Aber die allerwenigsten finden den Weg dahin ansprechend. Und deswegen müssen wir den Weg dahin beschleunigen.“

Wann das Strategiepapier fertig sein soll, ließ Tjarks offen. Auf der Grundlage von Vorschlägen und Erarbeitungen seiner Behörde werde an dem Papier intensiv gearbeitet.

Baustellenkoordinierung ist „politische Baustelle“ für Senat 

Schon im vergangenen Juli hatte der Bürgermeister nach dpa-Informationen bei einer erweiterten Senatssitzung zum Thema Baustellenkoordination, bei der für die Bezirke auch der Bezirksamtsleiter-Mitte, Ralf Neubauer (SPD), anwesend war, eine weitere Optimierung gefordert. Tschentscher spricht von einer „politischen Baustelle“ für den ganzen Senat.

Ein kleiner, aber verkehrlich besonders relevanter Teil der Bauarbeiten liege jedoch nicht in den Händen der Stadt, sondern bei der Autobahngesellschaft des Bundes oder der Deutschen Bahn. Hier sei der Austausch aber in den letzten Jahren bereits deutlich intensiviert worden, sagte Tjarks.

Hamburg längst nicht mehr Stau-Haupstadt

Die Koordinationsbemühungen seien in der Praxis auch bereits messbar. So habe sich die Zeit, die Autofahrer in Hamburg im Stau stehen, in den vergangenen Jahren verringert. „Wir liegen mittlerweile hinter so ziemlich jeder großen Stadt in Deutschland“, sagte Tjarks.

Laut jüngst veröffentlichten Zahlen des Verkehrsdaten-Dienstleisters Inrix standen Autofahrer im vergangenen Jahr in der Hansestadt im Schnitt 44 Stunden im Stau – etwas mehr als im Jahr zuvor, aber auf Rang neun deutlich hinter Spitzenreiter Düsseldorf mit 60 Stunden sowie Berlin und Stuttgart (je 58 Stunden). „Wir sind mittlerweile auf das Niveau von Wuppertal abgerutscht – und das, obwohl die Sanierungsleistung seit 2019 deutlich gestiegen ist. Und die Wuppertaler mögen es mir nachsehen: Aber das ist für die zweitgrößte Stadt Deutschlands schon die richtige Richtung.“

Die Kritik der CDU an den Staus in Hamburg wies der Senator zurück, schließlich sei das Bundesverkehrsministerium, das für Bundesstraßen und Autobahnen, einschließlich ihrer Brückenbauwerke, verantwortlich sei, jahrelang von der Union geführt worden. Nötige Sanierungen seien dabei auf der Strecke geblieben. „In Wahrheit hat die CDU wie eine Anti-Infrastrukturpartei agiert und beschwert sich jetzt über jede Baustelle.“