„Desaströs“ und „frustrierend“. Die Wortwahl von BVB-Boss Lars Ricken war eindeutig. Nach dem Fehlstart ins Jahr 2025 bekommt Trainer Nuri Sahin noch eine Chance – es könnte die letzte sein.
Nuri Sahin ist bei Borussia Dortmund offiziell angezählt. Als der langjährige Vereinsheld kurz vor Mitternacht die Arena in Frankfurt verließ, wirkte Sahin schwer verunsichert und tief enttäuscht. Nach dem 0:2 bei Eintracht Frankfurt und einem damit völlig verkorksten Bundesliga-Start in das Jahr 2025 droht dem BVB nicht nur ein Verpassen der Königsklasse, sondern Sahin das schnelle Aus als Cheftrainer seines Herzensclubs.
Ricken fordert schnell Ergebnisse
Geschäftsführer Lars Ricken stellte dem Fußball-Trainer zwar erneut eine Job-Garantie aus – aber explizit nur bis Dienstag, wenn die taumelnde Borussia in der Champions League beim FC Bologna antritt. „Es ist in seiner und unserer Verantwortung, dass wir für Borussia das Beste herausholen müssen. Nuri wird in Bologna auf der Bank sitzen mit der klaren Erwartungshaltung, dass wir jetzt Siege und Erfolgserlebnisse brauchen“, sagte der BVB-Boss, der ernst schaute und fordernd klang.
Bologna dürfte jetzt Sahins erstes Endspiel werden. Der 36-Jährige ist sich seiner Lage bewusst – und das, obwohl Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl erneut ein Bekenntnis abgaben. „Die Argumente sind Leistung und Ergebnisse. Ich brauche nicht alle drei Tage eine Bestätigung, dass ich im Amt bin. Wir wissen alle um die Lage“, sagte der Trainer, der sein Statement im vollen Pressesaal maximal kurz hielt und nach weniger als einer Minute zum Ende kam.
Fragen zu seinem persönlichen Befinden in der komplizierten Situation wischte er weg. Dies sei „zweitrangig“. Denn beim BVB herrscht Alarm, die Situation wird immer ernster. Das Team um die Nationalspieler Julian Brandt und Nico Schlotterbeck ist in die zweite Tabellenhälfte abgestürzt und zudem im Pokal ausgeschieden. Auf Dortmund wartet eine Woche der Wahrheit.
BVB-Auswärtsbilanz ist verheerend
„Es ist ein weiterer Tiefschlag. Wir haben drei Spiele nacheinander verloren. Es ist frustrierend. Die Tabellensituation ist desaströs, keine Frage“, sagte Ricken. Auf das 2:3 gegen Meister Bayer Leverkusen und das blamable 2:4 bei Aufsteiger Holstein Kiel folgte nun die Niederlage bei der Eintracht, die ohne den wechselwilligen Topstürmer Omar Marmoush antrat. Auswärts hat Dortmund sechs von neun Spielen verloren. Eine verheerende Bilanz.
In der Ära nach Kultcoach Jürgen Klopp haben Trainer wie Peter Bosz, Lucien Favre, Marco Rose oder Edin Terzic bei deutlich besseren Bilanzen ihren Posten räumen müssen. Sahins großer Kredit scheint nach einem schwachen halben Jahr schon aufgebraucht.
Das Fazit von Emre Can fiel knapp aus. „Nicht gut genug. Das muss sich schleunigst ändern“, sagte der Kapitän bei DAZN. Vor den pfeifenden Fans diskutierten die Profis um Can und Schlotterbeck angeregt. Es ging augenscheinlich um einen Besuch in der Kurve. Can trommelte seine Profis zusammen und zog mit ihnen in die Kabine. Dorthin war Sahin nach Abpfiff schnellstmöglich entschwunden.
Nachfolger hätte nicht viel Zeit
Während Frankfurt 36 Punkte hat und Platz drei belegt, ist Dortmund nach null Punkten aus drei Spielen im neuen Jahr ins Mittelmaß abgerutscht. Clubs wie Mainz oder Wolfsburg stehen derzeit wie selbstverständlich vor der Borussia. „Bis zum letzten Tag, an dem ich Trainer von Borussia Dortmund bin, werde ich versuchen, voranzugehen und den Bock umzustoßen“, sagte Sahin.
Sein größter Vorteil dürfte der derzeit sehr dichte Spielplan sein. Vier Tage nach Bologna wartet Bremen, danach gibt es eine weitere englische Woche mit Partien gegen Donezk sowie in Heidenheim. Viel Zeit hätte ein Nachfolger bei einer Entlassung Sahins also nicht, um das schwer kriselnde BVB-Starensemble wieder in Form zu bringen.
Dass Dortmund beim 0:2 durch Tore von Hugo Ekitiké und Rasmus Hojlund am Freitagabend zwei mögliche Elfmeter verwehrt wurden, war anschließend für Sahin und Ricken zwar Thema. Wirklich beschweren wollte sich die BVB-Führungsriege angesichts der nächsten durchwachsenen Leistung aber nicht.
Zehnjahrestief für die Aktie
„Wir sind schon der Meinung, dass zumindest ein Elfmeter gegeben werden könnte. Das Problem ist halt: Sich in unserer Situation darauf einzuschießen, ist dann auch wenig souverän“, sagte Ricken, der in seiner ersten Saison als starker Mann in Dortmund brutal mit dem Druck und den hohen Anforderungen konfrontiert wird.
Rund acht Monate nach dem verlorenen Champions-League-Finale gegen Real Madrid heißt es in diesen Wochen: Schadensbegrenzung und irgendwie an den Europa-Rängen dranbleiben. Dass kurzfristige Wintertransfers helfen, erscheint mehr als fraglich. Denn Dortmund scheint es eigentlich nicht an Qualität zu mangeln.
Der BVB ist tabellarisch trotzdem so schlecht unterwegs wie seit zehn Jahren nicht mehr. Auch die Aktie des börsennotierten Clubs ist nach der Blamage von Kiel auf ein Zehnjahrestief gefallen. Damals verließ Klopp zum Saisonende den Traditionsclub. So viel Zeit hat Sahin nur, wenn er jetzt rasch Ergebnisse liefert.