Knapp zwei Jahre nach einem tödlichen Unfall mit einem E-Scooter, bei dem zwei Jugendliche starben, musste sich der Autofahrer verantworten. Das Amtsgericht fällte sein Urteil.
In einem Punkt waren sich alle Beteiligten einig: Keine Sanktion könne das Geschehene ungeschehen machen, so die Bilanz des Richters am Amtsgericht Saarbrücken nach einem „schlimmen Verkehrsunfall“, bei dem zwei junge Menschen starben. Die Jugendlichen (16 und 17) kamen im Juni 2023 ums Leben, als sie nachts auf einem E-Scooter fahrend in der Innenstadt mit einem Pkw zusammenstießen. Den Autofahrer (46) verurteilte das Gericht jetzt wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung. Außerdem muss der Mann eine Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Autofahrer soll kurz nach 23.00 Uhr in der Nähe des Bahnhofs mit Vollgas gestartet und auf 65 bis 71 Kilometer pro Stunde beschleunigt haben. Erlaubt waren dort 20 Stundenkilometer. Der 16-jährige E-Scooter-Fahrer und das Mädchen, das sich an ihn geklammert hatte, seien Sekunden zuvor mit dem Elektro-Tretroller bei Rotlicht ungebremst in den Kreuzungsbereich gefahren. Dort prallten sie mit dem Auto zusammen. Ein Gutachter war zu dem Schluss gekommen, dass der Unfall vermeidbar gewesen wäre, wenn sich der Pkw-Fahrer an das erlaubte Tempo 20 gehalten hätte oder der Jugendliche nicht bei Rot über die Straße gefahren wäre.
Staatsanwaltschaft beantragte zwei Monate mehr
Die Staatsanwältin hatte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung und ebenfalls 6.000 Euro Geldauflage beantragt. Nach Ansicht des Nebenklagevertreters allerdings käme „wegen der schweren Folgen von zwei getöteten Kindern, die noch das ganze Leben vor sich hatten“, und weil der Angeklagte sein Fahrzeug voll beschleunigt habe, keine Bewährungsstrafe in Betracht.
Verteidiger Daniel Schmitz verzichtete auf einen konkreten Antrag. Er hatte sich für eine Strafe „am unteren Rand“ ausgesprochen. Sollte es eine Freiheitsstrafe geben, sei diese „zwingend“ zur Bewährung auszusetzen, zumal sein Mandant voll geständig und nicht vorbestraft sei. Auch müsse man berücksichtigen, dass der E-Scooter-Fahrer die Straße bei Rot überquert habe. „Ich bin weit weit weg von einer Täter-Opfer-Umkehr, aber das ist ein Punkt, der ganz erheblich zu berücksichtigen ist“, appellierte er.
Angeklagter ließ Entschuldigung ausrichten
Der Angeklagte verfolgte die Sitzung schweigend und mit gesenktem Kopf. Der 46-Jährige führt seit 2021 ein eigenes Restaurant. „Auch wissentlich, dass es nur ein schwacher Trost ist, kann er sich nur entschuldigen“, sagte Schmitz. „Auch für ihn ist seit diesem Tag nichts mehr so, wie es vorher war.“
Rechtsanwalt Otmar Schaffarczyk, der die Angehörigen der beiden getöteten Jugendlichen vertritt, hatte zuvor erfolglos beantragt, dass das Verfahren an das Landgericht verwiesen beziehungsweise weitere Zeugen gehört werden sollten. Er berief sich auf Aussagen der Ex-Partnerin des Angeklagten. Hierdurch dränge sich der Eindruck auf, der Mann habe die Jugendlichen „gezielt, ohne zu bremsen“ angefahren und sich damit abgefunden, dass sie sterben. Damit sei laut Schaffarczyk nicht das Amtsgericht, sondern die Schwurgerichtskammer für den Fall zuständig. Das Gericht hatte jedoch keinen bedingten Tötungsvorsatz erkannt und die Anträge abgewiesen. Für bestimmte Verbrechen wie etwa Mord und Totschlag ist laut Gesetz nicht das Amtsgericht sondern eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts zuständig.
Richter: „Ganz erheblicher Fahrlässigkeitsvorwurf“
In seinem Urteil kommentierte der Richter, dass eine „angemessene Sanktion sehr schwierig“ sei. Weil der Angeklagte das Gaspedal laut Gutachten zu 100 Prozent durchgedrückt und mit Vollgas gestartet sei, gäbe es aber „einen recht erheblichen Fahrlässigkeitsvorwurf“. Daher sei keine Geldstrafe, sondern eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Wegen einer günstigen Sozialprognose sei die Strafe zur Bewährung auszusetzen.