Der Frühling ist perfekt für einen Wanderurlaub in Südtirol. Aber wo lohnt sich die Tour am meisten – und worauf sollte ich sonst achten? Experten geben Tipps.
Schneebedeckte Berggipfel und grüne Weintrassen, glasklare Bergseen und urige Almhütten, steile Anstiege und beeindruckende Aussichten: Südtirol ist ein Glücksgriff für Wanderer. Kein Wunder, dass es Bergsteiger und Outdoor-Fanatiker aus ganz Europa und weiten Teilen dieser Welt in die nördlichste Region Italiens zieht, um zu Fuß durch die Bergwelt zu stapfen. Insgesamt gibt es jährlich mehr als 21 Millionen Übernachtungen in touristischen Unterkünften.
Warum es genau die Dolomiten sind, die viele Menschen so begeistern, das weiß Hans Kammerlander. Der Extrembergsteiger aus Südtirol hat gemeinsam mit seinem Kollegen Reinhold Messner bereits die höchsten Berge dieser Welt bestiegen – kehrt aber immer wieder gerne in seine Heimat zurück. „Für mich sind es vor allem die Berge, die Südtirol so besonders machen“, sagt er im Gespräch mit dem stern.
In Südtirol gibt es viele Wanderwege, die einen herrlichen Ausblick auf die Dolomiten ermöglichen
Und das zeigt der 67-Jährige heute auch gerne Touristen. Als Berg- und Wanderführer bietet er regelmäßig Touren durch die Region an, die ihm so am Herzen liegt. Eines seiner liebsten Ausflugsziele für Wanderungen ist die Gegend rund um die Drei Zinnen. Das beeindruckende Bergmassiv in der Nähe des Bergdorfs Sexten gilt auch bei Urlaubern als beliebtes Fotomotiv – und ist daher ganzjährig eine gut besuchte Wandergegend.
„Man findet mittlerweile nur noch wenige Ecken, an denen man die Berge allein erkunden kann“, sagt Kammerlander, „aber es gibt sie noch, die einsamen Gipfel in Südtirol.“ Wer die Drei Zinnen erkunden möchte, dem empfiehlt er deshalb die gegenüberliegenden Berge zum Wandern. Der Grund: Von dort aus kann man die schönen Gipfel sehen – und hat weniger Trubel auf dem Wanderweg.
Fünf Wanderungen in Südtirol
In Südtirol finden Naturliebhaber aber auch abseits der Drei Zinnen zahlreiche tolle Wanderrouten für Einsteiger und Fortgeschrittene. Eine Südtiroler Wanderführerin hat uns ihre fünf Lieblingsrouten genannt.
Der Grödener Pic-Berg
Zugegeben, der Berg wirkt eher unscheinbar zwischen den umliegenden, deutlich höheren Dolomiten-Gipfeln. Das bringt aber auch einige Vorteile mit sich: Die Wanderwege sind nicht überlaufen und der Anstieg leichter zu bewältigen als bei vielen anderen Bergen in Südtirol. Ausgangspunkt der Wanderung ist der Parkplatz Runcaudie in St. Christina. Von dort aus geht es erstmal einen recht steilen Waldweg hinauf. Nach etwa 200 Höhenmetern erreicht man die Sëurasas Almhütte und kann einen ersten Ausblick auf das Grödnertal genießen. Von hier aus gibt es zwei Möglichkeiten: geübte Wanderer können die weiteren 250 Höhenmeter zum Gipfel des Pic-Berges angehen, wer keinen Anstieg mehr machen möchte, der kann alternativ 500 Meter weiter zum Kreuz von Sëurasas wandern. Der Abstieg lohnt sich vor allem auf der Nordseite des Berges. Der Weg führt an einem kleinen Weiher vorbei und geradewegs zu der Mastle-Alm. Sie wird noch vom Bauern selbst betrieben, der leckeren hausgemachten Kuchen serviert. Die Gesamtstrecke beträgt sieben Kilometer und dauert rund fünf Stunden. Die Wanderung ist in der Regel ab April wettertechnisch möglich.
Die Bletterbachschlucht in Aldein
Der Grand Canyon Südtirols – so wird die Bletterbachschlucht in Aldein gerne genannt. Wer die acht Kilometer lange und 400 Meter tiefe Schlucht bewandert, der weiß schnell, warum: der Weg ist gesäumt von riesigen Felsformationen, die tatsächlich an den amerikanischen großen Bruder erinnern.
Die Bletterbachschlucht ist umgeben von faszinierenden Felsformationen, die an den Grand Canyon erinnern
© Leonie Zimmermann
Aber das ist nicht das einzige Highlight der etwa zweistündigen Wanderung. Startpunkt ist das Besucherzentrum des Geoparcs in Aldein. Nach der Anmeldung (die Betreiber notieren sich jeden Wanderer zur Sicherheit und geben Helme aus, die in der Schlucht getragen werden müssen) geht es einen Kilometer durch den Wald und auf Holztreppen hinunter in die Schlucht. Dann geht es wortwörtlich über Stock und Stein weiter bis zum Butterloch-Wasserfall – ein toller Ort für eine Verschnaufpause vor dem Aufstieg über den Jägersteig, der mit dem Waldlehrpfad endet. Der kann mitunter etwas beschwerlich werden, weshalb die Wanderung eine Grundkondition voraussetzt.
Der Weg aus der Bletterbachschlucht führt über den Jägersteig – steile Treppen hinauf. Belohnt wird man dafür mit einer tollen Aussicht über die Schlucht
© Leonie Zimmermann
Der Naturerlebnisweg Kalterer See
Wandern mit frischer Seeluft und dem Blick auf das Dolomiten-Panorama – das geht am Kalterer See bei Tramin. Der Naturerlebnispfad ist 7,5 Kilometer lang, führt in etwa drei Stunden einmal um den gesamten See herum und enthält kaum Steigungen, was die Wanderung auch für Einsteiger und Familien attraktiv macht. Auf Tafeln können sich Wanderer außerdem über die Besonderheit der Region informieren – oder einfach den See, den Wald und die Ruhe genießen. Der Weg ist auch ein Hotspot für Vogelbeobachtungen. Und wenn das Wetter passt, lohnt vielleicht schon im Frühjahr ein Sprung ins kühle Nass. Der Kalterer See gilt als wärmster Badesee der Alpen.
Das Langental in Wolkenstein
Grasende Kühe, idyllische Bachläufe und den Blick auf hohe Gipfel – eine Wanderung durch das Langental in Wolkenstein ist optimal für eine entspannte Auszeit im späten Frühling. Die leicht begehbare Strecke ist etwa fünf Kilometer lang und bestens für Einsteiger und Familien geeignet. Auf 1600 Metern Höhe blühen dort die Blumen in den buntesten Farben. Einheimische vergleichen den Wald gerne mit dem Yosemite Nationalpark in Amerika – im Kleinformat eben. Vom Parkplatz Langental kurz vor Wolkenstein aus geht es direkt auf die grünen Wiesen, die im März gerne noch mit Schnee bedeckt sind. Nach einer kleinen Steigung erreicht man die Silvesterkapelle, von dort aus geht es direkt in den Wald. Auf dem gesamten Weg gibt es viele Möglichkeiten zum Picknicken. Im Puez-Geisler-Naturpark wandert man schließlich an frei grasenden Kühen und Schafen vorbei, man kann an den Hängen aber auch immer wieder Gämse und Ziegen beobachten.
Die Südtiroler Weinstraße
Was wäre ein Südtirol-Urlaub ohne Wein? Nur halb so schön, meinen die Freunde des feinen Tropfens. Sie sollten die Südtiroler Weinstraße nicht verpassen. Das entsprechende Wegenetz, das sich aus unterschiedlichen Wanderwegen zusammensetzt, umfasst insgesamt 150 Kilometer und verbindet 16 Orte zwischen den beliebten Weinanbaugebieten Salurn und Nals miteinander. Wanderer können einzelne Etappen des malerischen Wanderweges zwischen Weinreben und Dolomiten begehen und sich in den insgesamt 70 Kellereien umschauen – und verkosten, was der Südtiroler Weinanbau zu bieten hat. Wer alle Weinstraßen wandern möchte, findet direkt an den Strecken Unterkünfte und Gastronomie, welche das Erlebnis abrunden. Alternativ kann man auch an einer geführten Weinwanderung teilnehmen.
Wandern und Wein – beides gehört irgendwie zu Südtirol. Warum also nicht gleich miteinander verbinden?
© Leonie Zimmermann
Wandern in Südtirol ist abwechslungsreich. Aber unabhängig davon, für welche Art und Weise sich Wanderer entscheiden – es gibt ein paar Dinge zu beachten. „Bevor man sich in die Berge aufmacht, sollte man sehr genau den Wetterbericht checken“, sagt Kammerlander. Auch über die geplante Strecke sollte man sich im Vorfeld gut informieren, um nicht vor Ort von unerwarteten Herausforderungen überrascht zu werden. Außerdem sollte man sich nicht überschätzen und frühzeitig aufbrechen sowie eine Wanderkarte im Gepäck haben, falls das Smartphone versagt.
Und ein gesundes Maß an Offenheit schadet laut Kammerlander nicht: „Viele Touristen, die herkommen, haben einen genauen Plan von ihren Bergabenteuern. Wenn es dann nicht klappt wie gedacht, dann sind sie direkt enttäuscht.“ Dabei könne man am Berg keinen Plan umsetzen, man müsse sich auf die Gegebenheiten einlassen und improvisieren. „In den Bergen geht es um Entschleunigung, Stress gibt es anderswo ohnehin schon viel zu viel.“