Erfurt will die Erdwärme anzapfen, um tausende Wohnungen zu heizen. Bei dem teuren Großprojekt wird jetzt mit Schwingungsmessungen nach der richtigen Bohrstelle gesucht.

Die nächste Etappe beim Großprojekt Tiefengeothermie für die Fernwärmeversorgung in Erfurt startet: In der zweiten Jahreshälfte sollen in großen Teilen des Stadtgebiets Seismik-Messungen erfolgen, für die voraussichtlich etwa 12.000 kleine Messgeräte auf einem Areal von 136 Quadratkilometern installiert werden, teilten die Stadtwerke Erfurt mit. Sie sollen Daten zu den Gesteinsschichten in bis zu 7.000 Metern Tiefe liefern und helfen, den richtigen Standort für die aufwendige Tiefenbohrung zu finden. 

Bei der Tiefengeothermie wird die Wärme von Gestein genutzt, um Wasser zu erwärmen und für die Heizung von Wohnungen einzusetzen. Ähnliche Messungen, bei denen Schwingungen in den Untergrund geleitet werden, habe es auch bei anderen Geothermie-Projekten beispielsweise in München, Wien oder Münster gegeben. 

Die Erschütterungen durch die Schwingungen seien mit denen einer vorbeifahrenden Straßenbahn vergleichbar, sagen Fachleute, die die Stadtwerke beraten. Nicht ausgeschlossen wurde, dass Messgeräte – sogenannte Geophone – nach Absprache auch auf privaten Grundstücken in den Boden gesteckt werden. 

Megaprojekt mit Kosten von 500 Millionen Euro

Bundesweit gebe es etwa 40 Geothermie-Projekte, sagten Fachleute bei der Vorstellung der nächsten Schritte in der Thüringer Landeshauptstadt. Stadtwerke-Geschäftsführer Peter Zaiß veranschlagte die Kosten nur für die Messungen auf rund sechs Millionen Euro. Der Schritt danach wäre bereits eine erste Probebohrung in die Tiefe. 

Für das Gesamtprojekt, das 2045 grüne Energie liefern soll, belaufe sich das Investitionsvolumen voraussichtlich auf eine halbe Milliarde Euro. Zaiß sprach von einem gewaltigen Vorhaben mit anfangs hohen Kosten. Es würde die Stadt mit derzeit etwa 48.000 Fernwärme-Haushalten langfristig aber unabhängig von hohen und stark schwankenden Energiemarktpreisen machen. 

Europäisches Finanzierungsmodell möglich  

Bei der Finanzierung der Großinvestition hoffen die Stadtwerke auf die Europäische Investitionsbank, mit der erste Gespräche liefen. „Beim Bund sind wir noch nicht weitergekommen“, äußerte Zaiß. Bei einer Bundesförderung ginge es vor allem um zeitaufwendige Forschungsarbeiten.

Das Projekt in der Landeshautstadt könnte ein Modell auch für andere Thüringer Kommunen mit ähnlichen geologischen Bedingungen werden, so der Stadtwerke-Geschäftsführer. 

Im zweiten Halbjahr soll das sogenannte 3D-Seismik-Modell des Untergrunds erstellt werden. Dazu fahren spezielle Messfahrzeuge das südlich von Sömmerda und nördlich von Erfurt gelegene Gelände ab. Für die Probebohrung wurde 2027 als möglicher Termin genannt.