Vier Wochen vor der Bundestagswahl haben vor dem Brandenburger Tor in Berlin und in Köln am Samstag nach Polizeiangaben zehntausende Menschen gegen einen Rechtsruck demonstriert. In Berlin versammelten sich am Brandenburger Tor Menschen aller Altersgruppen, darunter viele Familien, um mit einem „Lichtermeer“ ein Zeichen des Zusammenhalts zu setzen. In Halle demonstrierten laut Polizei etwa 9100 Menschen gegen den Wahkampfauftakt der AfD.

In Berlin sprachen die Organisatoren von rund 100.000 Menschen rund um das Brandenburger Tor, nach Schätzungen der Polizei waren es 35.000 Demonstrierende. 

An einer Großdemonstration in Köln gegen Rechts nahmen 40.000 Menschen teil, wie die Polizei am Abend bestätigte. Die Veranstalter sprachen von „über 70.000 Menschen“, die „in Köln gemeinsam für die Demokratie auf die Straße“ gegangen seien. Die Veranstalter hatten zunächst 5000 Teilnehmende angemeldet.

In Berlin riefen Demonstrierende „Wehrt euch“ oder „Alle zusammen gegen den Faschismus“. Auf einem Schild stand „Merz, Söder, Spahn, Steigbügelhalter des Faschismus“, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. 

In mehreren deutschen Städten hatten Organisationen zu Protestaktionen gegen Rechtsextremismus und die in Teilen erwiesen rechtsextreme AfD aufgerufen. Die Demonstration richtete sich auch gegen die Pläne von CDU-Chef Friedrich Merz, in der kommenden Woche im Bundestag einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik einzubringen. Medienberichten zufolge ließ er parteiintern durchblicken, dass er dabei auch Stimmen der AfD in Kauf nehmen würde.

Christoph Bautz, geschäftsführender Vorstand von Campact, erklärte in Berlin, mit „unseren Lichtern der Hoffnung stehen wir auf gegen den Rechtsruck – weltweit, aber besonders auch bei uns“. Viele Menschen seien „schockiert, dass Friedrich Merz ein großes Loch in die Brandmauer gegen die AfD schlagen will, wenn er nächste Woche gezielt eine gemeinsame Mehrheit mit den Rechtsextremisten sucht“. 

Vor zwei Wochen habe Merz dies noch ausgeschlossen. „Auf ihn ist kein Verlass bei der Verteidigung unserer Demokratie“, erklärte Bautz. „Mit dem heutigen Tag entsteht wieder eine große Protestwelle aus der Mitte der Gesellschaft, um den Rechtsruck zu verhindern.“

Nils Kleinwächter von Fridays For Future erklärte: „Mit 100.000 haben wir heute klargemacht: Die Zivilgesellschaft ist wehrhaft. Gemeinsam stehen wir ein für Demokratie und unsere Lebensgrundlagen.“

Sonya Weber von Eltern gegen Rechts erklärte, die  „großartige Beteiligung“ zeige, dass viele Eltern sich große Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machten und gemeinsam aufstünden. „Wir fordern, dass die Politik klare Kante gegen Rechts zeigt und endlich Probleme wie Bildung, Wohnen und Klimaschutz anpackt – für den Schutz unserer Demokratie und die Zukunft unserer Kinder!“, erklärte sie.

Das Bündnis fordert nach eigenen Angaben eine wehrhafte Demokratie durch die Förderung von Demokratie-Initiativen, Verbote von Demokratie-Feinden, den Schutz der Lebensgrundlage aller Menschen, den konsequenten Kampf gegen Desinformationen und die Aufrechterhaltung der Brandmauer gegen die AfD.

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl wollen Aktivisten und Aktivistinnen an die massive Protestwelle gegen Rechts vor einem Jahr anknüpfen. Die Proteste hatten sich damals an einem Geheimtreffen mit AfD-Vertretern und Rechtsextremen in Potsdam entzündet.

In Halle an der Saale, wo die AfD offiziell ihren Wahlkampfauftakt abhielt, zählte die Polizei 9100 Gegendemonstranten. Sie leitete 13 strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein, wie sie am Abend mitteilte, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. 

Gegen 21 Menschen, die versuchten, eine Absperrung gewaltsam zu überwinden, wurden Verfahren wegen Landfriedensbruchs eingeleitet. Die Polizei war mit rund 1000 Einsatzkräften im Einsatz.