Nichts scheint ermüdender, als vor Donald Trump zu warnen. Alles schon gehört? Schon gelesen? Die Wahrheit ist leider: Die USA stehen vor einem autoritären Systemwechsel.

Ich tippe, dass dieser Satz es heute in den USA und anderswo in die Hitliste der am häufigsten gesprochenen Sätze schaffen wird: „Es wird schon nicht so schlimm werden.“ Gefolgt von: „Wir haben das alles schon einmal überstanden.“ 

Heute wird der verurteilte Straftäter Donald J. Trump seine Hand auf die Bibel legen und den Eid auf die Verfassung schwören, die er zerstören will. 

Das hat er 2016 schon einmal getan. Ich erinnere mich an den Aufschrei und den Widerstand in den Straßen nach seinem Amtsantritt, damals hatte mich der stern gerade als Korrespondent in die USA geschickt. Ich erinnere mich, dass es damals so wirkte, als hätte er den Vereinigten Staaten und mir eine Zeitfalle gestellt, aus der es kein Entkommen gab. Und täglich grüßt das Trumpeltier. 

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Egal, was er tat, ob er per Twitter, so hieß es damals noch, drohte, einen Atomkrieg mit dem nordkoreanischen Diktator anzuzetteln, oder sich Hamburger von McDonald’s zum Abendessen ins Weiße Haus liefern ließ – er bestimmte meine Gedanken und die der Amerikanerinnen und Amerikaner um mich herum. 

Donald Trump ist kein Betriebsunfall 

Ich erinnere mich aber auch, wie die Menschen in den Großstädten auf die Straße liefen und jubelten, als im November 2020 endlich das Wahlergebnis feststand, das demokratische Amerika schien gesiegt zu haben, die Verfassung schien gerettet, die Präsidentschaft Donald Trumps nichts weiter als ein kleiner Betriebsunfall in der Erfolgsgeschichte der amerikanischen Demokratie. 

Wird heute also alles nicht so schlimm werden? 

Ich fürchte doch. „Trump 2.0“, wie die Amerikaner die zweite Amtszeit zeitsparend nennen, wird schlimmer werden. Bei weitem schlimmer. 

Ich weiß, nichts ist ermüdender und abgedroschener, als vor Trump zu warnen. Doch dieses Mal haben wir es mit einer anderen, fundamentalen Gefahr für die Verfasstheit Amerikas und der Welt zu tun. Denn Amerika steht vor einem Regimewechsel, nicht nur an der Macht. Sondern vor einem Wandel des politischen Systems. 

Trump Amtseinführung TV

Bevor ich damals in die USA ging, hatte ich mit backfischartiger Begeisterung zur Vorbereitung Standardwerke über das politische System der USA durchgearbeitet, „Checks and Balances“, „Bill of Rights“, „Abraham Lincoln“ – ich dachte, ich sei vorbereitet. Ich dachte, dass sich die amerikanische Politik noch immer um Parteien und ihre Programmatik dreht. Um Koalitionen, die auf gemeinsamen Interessen und Zielen basieren. Die Vereinbarungen im Konsens suchen, die Entscheidungen fällen, die über die Wünsche einer politischen Führungsperson hinausgehen. Und diese Parteien stützen sich auf ein großes Reservoir an Eliten, Mitarbeitern und Funktionären, die wissen, wie man Kompromisse schließt im Sinne des demokratischen Gemeinwesens. 

Das war damals schon eine Illusion – heute hat solche Illusionen überhaupt niemand mehr.

Die Partei ist Donald Trump 

Es gibt keine republikanische Partei in diesem Sinne mehr. Donald Trump hat sie vollends unter seiner Kontrolle. Die Republikaner sind heute zu einer Bewegung geworden, die sich einer Person unterordnet, es erinnert an einen Königshof. Solche Parteien sehen wir in den vergangenen Jahren immer häufiger, auch die Fidesz von Viktor Orbán ist eine solche. Und wenn sie sich in Demokratien herausbilden, können sie zu einem Rückfall in den Autoritarismus führen.

Das ist der entscheidende Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Amtszeit von Donald Trump: Vor acht Jahren führte Trump eine Partei mit einem Programm an. Er regierte in einer spannungsreichen Koalition mit einer republikanischen Partei, deren Establishment ihn nicht selten auch einmal in die Schranken wies. 

Heute sieht das ganz anders aus. Ein Impf-Verschwörungstheoretiker als Gesundheitsminister? Wird von der Partei durchgewunken. Ein ehemaliger „Fox & Friends“-Moderator mit anrüchiger sexueller Vergangenheit als Verteidigungsminister? Kein Widerstand im Senat. Ein unqualifizierter Polit-Rambo, der geschworen hat, den Staat zu benutzen, um Trumps Feinde zu jagen, soll das FBI leiten? Nur leiseste Kritik. Ein Milliardär nach dem anderen, der zum Privatclub des Präsidenten in Florida reist, um sich bei ihm beliebt zu machen und Deals auszuhecken? Die Partei applaudiert.

In personalistischen Regimen wie denen von Putin, Erdoğan und Orbán macht man die Geschäfte direkt und im Geheimen mit dem Staatsführer. Deshalb eilten in den vergangenen Wochen so viele Milliardäre und Eliten nach Mar-a-Lago, selbst Bill Gates, der im Wahlkampf noch Kamala Harris mit 50 Millionen Dollar unterstützt hatte. Sie alle haben sich erstaunlich schnell an die neuen Regeln gewöhnt: Man gewinnt Trumps Gunst, indem man ihm von Nutzen ist. The Art of the Deal: Du bekommst Geld. Du bekommst Macht. Wenn Du Dich widersetzt, wird es schwer für Dich im Trump-Amerika. 

Politik wird zu einem Deal mit dem Präsidenten

Deshalb hat sich auch Mark Zuckerberg vor Trump in den Staub geworfen und erklärt, er werde den vom neuen Präsidenten so gehassten Faktencheck bei Facebook und Instagram abschaffen. Deshalb hat Zuckerberg wohl sogar den Trump-Verbündeten und Präsidenten der Ultimate Fighting Championship Dana White in den Vorstand von Meta berufen.

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Politik in den USA hat sich reduziert zu Deals mit Donald Trump. Und dies ist eben auch ein Unterschied zu dessen erster Amtszeit: Schon jetzt sind die mächtigsten Machtzentren der amerikanischen Wirtschaft und Politik bereit, sich an Trumps Regeln zu halten. In personalistischen Regimen ist alle Politik eine Transaktion mit dem Staatsführer. 

Noch einmal: Ich weiß, wie ermüdend Warnungen vor Donald Trump sind. Ich würde auch gerne schreiben, dass alles schon nicht so schlimm wird. Doch ich muss mir nicht mehr ausmalen, was passiert, wenn ein Präsident so viel unwidersprochenen Einfluss auf seine Partei und die Mehrheit ihrer Abgeordneten hat, welcher Gefahr dann diese Demokratie ausgesetzt ist.

Wenn ich nach Amerika schaue, dann sehe ich das alles schon.