Hat Shirin Kreße eine Rolle bei falschen Belästigungsvorwürfen gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar gespielt? Auf jeden Fall ist sie nun aus der Partei ausgetreten. 

Im Fall womöglich falscher Belästigungsvorwürfe gegen Stefan Gelbhaar gibt es erste Konsequenzen: Shirin Kreße, Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte, hat ihr Mandat niedergelegt und ist aus der Partei ausgetreten. 

Shirin Kreße nennt keine Gründe für Rücktritt

Dem „Tagesspiegel“ zufolge, habe sie ihren Rücktritt in einer E-Mail verkündet, ohne aber Gründe dafür zu nennen. Mehr sagte sie am Sonntagabend der Nachrichtenagentur DPA: „Ich bin am Samstag aus der Partei Bündnis90/Die Grünen ausgetreten, habe alle parteiinternen Ämter niedergelegt, mein Mandat in der BVV Mitte niedergelegt und meinen Job in einem Grünen-Abgeordnetenbüro gekündigt“. „Grund dafür ist, dass während ich mich mit den Vorwürfen, die gegen mich erhoben wurden, auseinandersetze, ich möglichen Schaden von der Partei, aber auch Betroffenen sexualisierter Gewalt abwenden möchte.“ Zu weiteren Details machte sie keine Angaben. 

Ob es sich bei Kreße um die Person handelt, die unter falschen Namen erfundene Belästigungsvorwürfe gegen den Bundestagsabgeordneten Gelbhaar erhoben hatte, ist unklar.

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Die Berliner Zeitung schreibt dazu: „Laut ‚Tagesspiegel‘-Recherchen soll Kreße unter falscher Identität eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, in der Gelbhaar sexuelle Belästigung vorgeworfen wurde. Kreße selbst reagierte auf Anrufe und schriftliche Anfragen des ‚Tagesspiegels‘ am Sonnabend nicht.“

Die Spitze der Grünen-Bundespartei hatte angekündigt, ein Parteiausschlussverfahren gegen das Mitglied durchzuführen, „sobald die Person uns bekannt wird“, sagten die Grünen-Chefs Franziska Brantner und Felix Banaszak. „Der Verdacht, dass gegenüber der Presse eine falsche Erklärung gegen ein anderes Parteimitglied mit schweren Vorwürfen erhoben wurde, ist gravierend.“

Mehrere Frauen hatten Stefan Gelbhaar belastet

Die Vorwürfe gegen Gelbhaar waren im Dezember erhoben worden. Mehrere Frauen hatten dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) nach Angaben des Senders zum Teil anonym, zum Teil eidesstattlich versichert, von Gelbhaar belästigt worden zu sein. Gelbhaar wies alle Anschuldigungen stets zurück. Er verzichtete gleichwohl auf eine Kandidatur für die Landesliste. 

Am vergangenen Freitag zog der RBB dann Teile seiner Berichterstattung zu dem Fall zurück. Der öffentlich-rechtliche ARD-Sender berichtete, an der Identität der Person „Anne K.“, die solche Vorwürfe erhoben hatte, seien Zweifel aufgetaucht. Mittlerweile stehe fest, dass sie nicht diejenige gewesen sei, für die sie sich ausgegeben habe, so der RBB. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit existiert diese Frau gar nicht.“

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Mit den Entwicklungen zur Hauptzeugin seien die Vorwürfe gegen Gelbhaar zwar nicht komplett vom Tisch, sagte RBB-Redakteur Thorsten Gabriel. „Aber mindestens ein wesentlicher Vorwurf, über den wir berichtet hatten, schon.“ Es habe aber noch „weitere Schilderungen“ gegeben, über die der Sender berichtet habe. „Da sind die Identitäten nicht in Zweifel zu ziehen“, versicherte der Redakteur. Auf welche Anschuldigungen er sich konkret bezieht, blieb offen.

Gelbhaar selbst sieht sich als Opfer eine Diffamierungskampagne. In einem am 9. Januar erschienenen Interview mit dem „Business Insider“ betonte der Verkehrspolitiker, niemals jemanden absichtlich belästigt zu haben. Gegen ihn lägen auch keine Strafanzeigen vor. „Nein, im Gegenteil. Ich habe Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verleumdung gestellt“, so Gelbhaar. 

Grünen-Abgeordneter zunächst mit 98 Prozent gewählt 

Der politische Schaden für ihn ist groß. Gelbhaar war Mitte November mit 98,4 Prozent der Stimmen zum Direktkandidaten zur Bundestagswahl für Berlin-Pankow gewählt worden. Mitte Dezember zog er seine Kandidatur für einen Platz auf der Landesliste der Berliner Grünen kurzfristig zurück. An Silvester erklärte er auf seiner Website in einer ausführlichen Stellungnahme, die Belästigungsvorwürfe seien gelogen. 

08: Grüne in BerlinPankow wählen Direktkandidaten Gelbhaar ab – 4f2e3bef54dd62f0

Bei dem Vorgang müsse es sich „um eine in Teilen geplante Aktion“ handeln, mit dem Ziel, ihn massiv zu diskreditieren. Bei einer erneuten vom Kreisverband Pankow angesetzten Abstimmung wurde die Landesabgeordnete Julia Schneider zur Direktkandidatin gewählt. An Schneider als Direktkandidatin halte der Verband fest, hieß es am Samstag.

Schon seit Wochen beschäftigt sich eine Ombudsstelle der Grünen mit den Vorwürfen gegen Gelbhaar. Ergebnisse sind bislang nicht bekannt. Gelbhaar selbst sagte im Interview mit dem „Business Insider“, dass er von der Ombudsstelle am 13. Dezember über „Meldungen“ über ihn informiert worden sei. Die Beschreibungen seien aber „sehr vage“ geblieben. 

Ombudsstelle der Grünen schweigt noch

Offen ist bislang auch, für wie glaubwürdig die Ombudsstelle die Meldungen gegen Gelbhaar hält, ob sie sich mit den gegenüber dem RBB geäußerten Anschuldigungen decken und ob die vom RBB genannte Bezirkspolitikerin auch dort den Kontakt gesucht hatte. Eine Anfrage der Nachrichtenagentur an die Ombudsstelle blieb bis zum Samstagnachmittag unbeantwortet.

Quellen: „Tagesspiegel“, DPA, ntv, RBB

Hinweis: Dieser Artikel wurde um weitere Informationen ergänzt.