Familie Draf ist zu fünft und bucht seit Jahren keine Hotels mehr – stattdessen verbringt sie den Urlaub per Wohnungstausch. Hier erzählt Vater Stephan, was ihn daran begeistert.

Als wir endgültig zu fünft waren, vor 13, 14 Jahren, haben wir festgestellt, dass unsere Urlaube künftig teuer werden würden. Meine Frau, ich, unsere drei Kinder: fünf Flugtickets plus Unterkunft für 150 Euro die Nacht, das wäre nicht mehr drin gewesen. Unser Einstieg in den Wohnungstausch war also eine Geldentscheidung – jedenfalls am Anfang. 

Meine Frau wurde dann auf Wohnungstausch-Angebote aufmerksam, ich war eher skeptisch: Na ja, das geht alles über das Internet, was ist denn, wenn sich einer eine Fake-Identität aufbaut und unsere ganze Wohnung leerräumt. Da meinte meine kluge Frau nur: Was gibt es denn hier groß zu holen? Unseren zehn Jahre alten Fernseher? Das hat mich überzeugt. 

Wir lieben das Wasser und landeten in den Bergen

Obwohl wir lieber ans Wasser reisen, ging unser erster Urlaub in ein kleines Bergdorf in der Provence. Aber die Bilder vom Haus, von außen und innen, sahen wirklich schön aus. Wir stiegen also ins Auto. Unsere Schlüssel zum Feriendomizil sollten wir erst auf halber Strecke bekommen, auf einer Autobahnraststätte, dort trafen wir die Besitzer des Häuschens. Die waren wiederum, ebenfalls noch schlüssellos, auf dem Weg nach Hamburg, in den Stadtteil Osdorf, dort wohnen wir.

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Das klingt ungewöhnlich, aber Urlaub per Wohnungstausch funktioniert etwas anders. Man bucht nicht einfach irgendwo ein Haus, wo es einem gefällt, man muss sich die Unterkunft ein wenig erarbeiten, immerhin bezahlt man ja nichts dafür.

Meine Frau hatte sich recht schnell die Facebook-Gruppe „People like us“ ausgesucht, etwa 40.000 Häuser und Wohnungen sind dort im Angebot, der Jahresbeitrag beträgt etwa 150 Euro. Dort suchen wir nun jedes Jahr nach möglichen Zielen. Danach nehmen wir Kontakt zu den Besitzern oder Eigentümern auf. Oder sie haben uns schon angeschrieben – weil sie sich einen Urlaub in Hamburg vorstellen können. Dann beginnen die „Verhandlungen“. Denn beide Seiten müssen ja zur gleichen Zeit Urlaub machen wollen und können.

Stephan Draf, überzeugter Wohnungstauscher, ist Textchef bei GEO (das wie der stern zu RTL Deutschland gehört)

Oft sind es die Frauen, die miteinander in Kontakt treten, sich austauschen, mailen oder telefonieren. Das kann durchaus ein paar Wochen dauern, ist aber allein deswegen schon gut, weil wir uns so kennenlernen und Vertrauen aufbauen.  

Denn Ferien per Wohnungstausch ist vor allem Vertrauenssache. Es gilt: Es fließt kein Geld. Und, gerade deshalb: Mein Haus ist dein Haus. Alles, was wir haben, können unsere Gäste nutzen und umgekehrt. Wir haben auch schon Autos getauscht. Und nicht selten sind die Nachbarn Teil des Urlaubs. Das Paar neben uns weiß zum Beispiel immer, dass jetzt wieder Italiener oder Spanier kommen, die ihre Telefonnummern haben oder manchmal hilfesuchend vor der Tür stehen. 

Befreundet mit einem dänischen Tauschpaar

Im Ferienort lernt man so auch recht schnell Leute kennen. Wir waren oft in Frankreich, und einmal musste ich die Gasflasche unter dem Herd auswechseln – was ich als technischer Analphabet leider nicht konnte. Da bin ich rüber zum Nachbarn und habe freundlich gefragt, ob er mir helfen könne. Was er mit einem Schmunzeln und vielen herzlichen Worten auch tat. Mit einem Tauschpaar aus Aarhus in Dänemark sind wir mittlerweile befreundet und tauschen unsere Wohnung manchmal nur für ein Wochenende. 

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Weil beide Tauschpartner sich gleichzeitig besuchen, finden die Urlaube oft in Ländern statt, die gleichzeitig Ferien haben – zumindest, wenn man schulpflichtige Kinder hat. Trotzdem muss man offen und flexibel sein. Es ist schon vorgekommen, dass wir eigentlich nach Frankreich wollten, aber schließlich in Stockholm gelandet sind – wo es dann eben auch toll war. Und: Man kommt so mal eben in Ecken, die einem vorher nie eingefallen wären. Wie, als wir auf Szentendre waren – einer Donauinsel vor Budapest. Das war unser drittes Ausweichziel, aber letztendlich irre toll: Ein ungewöhnlicher Urlaub, nur vom Fluss umgeben, es war total schön. 

Manche Leute glauben, dass Tauschurlaube nichts für Familien mit Kindern seien. Das Gegenteil ist der Fall:. Wir suchen zu fünft ja entsprechend große Unterkünfte und stoßen oft auf Leute, die auch drei Kinder haben. Und drei Kinderzimmer, gefüllt mit unbekanntem Spielzeug. Und eine verflixte Playstation gibt es meist auch irgendwo.  

IV Haustausch 08.23

Immer wieder sind auch Tiere da. Jeder Franzose, der einen Garten hat, hat beispielsweise auch Hühner. In der Bretagne hatten wir einmal noch Ziegen, Esel, Katzen und ein Pony. Ein ganzer Zoo. Und ja, um die Tiere mussten wir uns natürlich kümmern, füttern, wir haben sogar Zäune verlegt. Für unsere Kinder war das ein Traum. Und unsere drei Katzen in Hamburg hatten so auch Menschen zum Schmusen und bekamen ihr Futter. Auch mit der Familie aus der Bretagne hatten wir noch lange Kontakt, ihr Sohn hat uns schließlich in Deutschland besucht, ganz ohne Tausch.

Wohnungstausch führt Ungarn zum Bauspielplatz

In den Wohnungen und Häusern gibt es immer Gebrauchsanleitungen, wir nennen sie „Guide“. Da steht alles drin, was man wissen muss: von Notfallnummern bis zu denen unserer Nachbarn, über die besten Supermärkte und Restaurants in der Nähe bis zu Tipps für ungewöhnliche Ausflüge und Besichtigungen. Es erspart einem viel Zeit, wenn man das nicht erst alles selbst am Urlaubsort erkunden muss. Unsere ungarischen Gäste haben so den Bauspielplatz bei uns um die Ecke entdeckt. Sowas kannten sie nicht, und deren zehn- und zwölfjährige Söhne waren schwer begeistert. Und die Eltern hatten mal einen Nachmittag frei. 

Ruinieren Gäste einem die Wohnung? Benehmen sie sich manchmal schlecht? In über zwei Dutzend Tauschaktionen haben wir so etwas nie erlebt. Klar, so etwas wie müde Heizungen oder tropfende Wasserhähne kommen vor, in jedem Haus gibt es etwas, das nicht gut funktioniert. Wenn wir die Unterkunft traditionell bezahlt hätten, könnte man sich natürlich beschweren. Aber weil kein Geld fließt, nimmt man solche Mängel lächelnd hin, wissend, dass das eigene Haus auch seine wunden Punkte hat. Wenn mal etwas kaputtgeht, greift übrigens die Versicherung, weil wir rechtlich gesehen Bekannte zu Besuch sind. Bisher haben wir aber zerbrochene Tassen oder Ähnliches immer vor Ort selbst ersetzt. 

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Was nerven kann, ist, die eigene Wohnung vor Abreise auf Vordermann bringen zu müssen. Alle Hausherrinnen in Europa haben sehr ähnliche Vorstellungen davon, wie ein Haus auszusehen hat, bevor jemand kommt: nämlich blitzblank. Und vor der Abreise muss natürlich erneut geputzt werden, ich habe mitunter leise mit den anderen Ehemännern geklagt, wie anstrengend das Saubermachen sei. Immerhin: Man kommt immer in sehr sauberen Unterkünften an.  

Ebenfalls sehr angenehm: Es ist üblich, der ankommenden Gastfamilie etwas Essbares in den Kühlschrank zu stellen. Nudeln mit Soße, Brot und etwas Aufstrich, für die Erwachsenen eine Flasche Wein. So muss man nach langer Reise nicht sofort einkaufen gehen. Das ist immer sehr, sehr angenehm.